Mit ‘Linda Blair’ getaggte Beiträge

EXORCIST II: THE HERETIC gilt nicht nur als Riesenflop (obwohl er einen moderaten Gewinn einspielte), sondern gleich als einer der „schlechtesten Filme aller Zeiten“. Wer mein Blog regelmäßig verfolgt, weiß, dass ich ein Herz für diese gebeutelten Werke habe. Wenn ein Film eine solch heftige Negativreaktion hervorruft, halte ich das schon einmal per se für eine Leistung. Ist der „schlechteste Film aller Zeiten“ nicht automatisch „besser“ als die Tausenden von Produktionen, die lediglich ein unentschlossenes Schulterzucken auslösen? Ich denke schon: Der hyperbolische Superlativ ist ja auch ein Zeichen der Hilflosigkeit, Beleg für das Versagen oder die Unfähigkeit, mit dem Gesehenen irgendeine Verbindung herstellen zu können. Wer behauptet, EXORCIST II sei der qualitative Tiefpunkt der ganzen Kunstform, wird das nur äußerst schwer argumentativ untermauern könne, schließlich müsste er dafür jeden jemals gedrehten Film gesehen haben. Dass zudem mit PLAN 9 FROM OUTER SPACE üblicherweise ein Titel als „Spitzenreiter“ genannt wird, den ich für ein ausgesprochenes Wunderwerk halte, bestärkt mich nur in meinem unermüdlichen Kampf, die „schlechtesten Filme aller Zeiten“ zu rehabilitieren und die Menschen, die in solchen Kategorien denken, ihrer Ahnungs- und Fantasielosigkeit zu bezichtigen.

Liest man den Wikipedia-Artikel zu Boormans leidgeprüftem Film, dreht sich nahezu jeder Satz um sein großes Scheitern. Die zeitgenössischen Rezensionen spielten dem Mob in die Karten und schmissen nur so mit Schmutz um sich, selbst Friedkin, Regisseur des Originals, ließ es sich nicht nehmen, seine unmaßgebliche Meinung zum besten zu geben und Boorman als Dummkopf zu beschimpfen, der es verdient habe, namenlos zu bleiben. Wohlwollende Rezensionen gab es zwar auch, unter anderem von Pauline Kael, die das Sequel dem Original vorzog, aber sie fielen nicht wirklich ins Gewicht. Stattdessen gilt EXORCIST II: THE HERETIC noch heute als dumm, lachhaft und unfreiwillig komisch, schlecht gespielt und eine Schande für Friedkins Klassiker. Nicht alle dieser Vorwürfe sind unbegründet, lassen sich auf eine problematische Produktion zurückführen, die von etlichen Drehbuch-Rewrites, Erkrankungen und ungewollten Produktionsunterbrechungen geplagt wurde, vor allem aber auf die Tatsache, dass Boorman kein Interesse daran hatte, einen Horrorfilm zu drehen (Friedkins Film bezeichnete er als „ugly“, was vielleicht auch Friedkins heftige Reaktion auf das Sequel erklärt): Er wollte einen Film über das Konzept des Guten machen. Was, zugegebenermaßen nicht die beste Voraussetzung ist, wenn man die Fortsetzung zu einem Schocker dreht, der Millionen von Menschen die Freude am Fürchten lehrte.

EXORCIST II: THE HERETIC führt den Priester Phillip Lamont (Richard Burton) ein, der den Auftrag erhält, den Tod von Father Merrin (Max von Sydow) im ersten Teil aufzuklären. Er nimmt Kontakt zur Psychologin Dr. Tuskin (Louise Fletcher) auf, bei der sich die mittlerweile 16-jährige Regan (Linda Blair) in Behandlung befindet. Lamont ist der Überzeugung, dass der Dämon immer noch in Regan beheimatet ist, und erhofft sich Antworten von einer Hypnosetherapie, bei der sein Unterbewusstsein mit dem des Mädchens „synchronisiert“ wird. In Visionen sieht er Father Merrin bei seiner missionarischen Arbeit in Äthiopien, wo er einen Exorzismus an einem Jungen namens Kokumo vornimmt, der mit dem Dämon Pazuzu in Kontakt steht …

Boormans Film ist schwer zu greifen und funktioniert als klassischer Erzählfilm tatsächlich nur mäßig gut. Die Anknüpfung an THE EXORCIST gelingt schon deshalb nicht, weil einige der bei diesem beteiligten Darsteller ihre Mitarbeit an der Fortsetzung verweigerten oder schlicht verhindert waren. So werden Father Karras, dessen Tod ja eigentlich viel rätselhafter ist als der Merrins, und Regans Mutter mit keiner Silbe erwähnt. Es gibt auch keinen klassischen Konflikt oder auch nur einen klar entwickelten Plot, der das gespannte Mitfiebern ermöglichen würde: Stattdessen etabliert Boorman eine traumgleiche Bildsprache und ein schlafwandlerisches Tempo, das dem pseudodokumentarischen Stil des Originals heftig widerspricht. Der Kampf von Gut gegen Böse, der den Klassiker befeuerte, weicht im Sequel einer abstrakten Meditation über diese Konzepte, für die die Form eines kommerziellen Hollywood-Films nicht wirklich geeignet scheint. Die effektreiche Auseinandersetzung mit dem Dämon, zu der es im Showdown kommt, wirkt dann auch eher wie ein verzweifeltes Zugeständnis und passt nur wenig zum elegischen Rest.

Ich kann nicht behaupten, EXORCIST II: THE HERETIC wirklich verstanden zu haben. Er versperrt sich richtiggehend gegen eine logisch-hermeneutische Herangehensweise, arbeitet eher mit Suggestionen, Traumbildern, Mythen, Stimmungen und Emotionen. Auf Handlungsebene sind es nicht so sehr Aktionen, die die Marschroute vorgeben, sondern eben Träume, Intuition, Bestimmung. Das setzt sich auch in der formalen Gestaltung fort: Wirkte THE EXORCIST kalt, präzise, scharf konturiert, kommt Boormans Sequel im Bild der synchronisierten Hypnoselampen und ihres betäubenden Brummens zu sich: Es franst an den Rändern aus, ist ständig im Fluss und nimmt nie feste Gestalt an. Man vergleiche nur die Iran-Szenen aus Friedkins Vorgänger mit den Äthiopien-Sequenzen hier: Da der dokumentarisch-objektive Blick Friedkins, hier die wie durch ein Milchglas gefilmten Rückprojektions- oder Studio-Traumlandschaften, bei denen man nicht so genau weiß, ob sie wirklich existieren oder ob sie nur der Imagination Lamonts entspringen. Dann diese rätselhaften Szenen in Dr. Tuskins „Klinik“, die mit ihren wabenförmigen, vollverglasten Behandlungskabinen an ein Tonstudio erinnert, und auf dem ungesicherten Vordach von Regans Luxusappartement in Manhattan mit seinen desorientierenden Spiegelflächen. Es ist eine zwielichtige Weichheit in diesen Bildern, die den Betrachter eher verführen statt ihn konfrontieren zu wollen.

Für die Darsteller, allen voran Burton aber auch Blair, bringt dies sichtbare Probleme mit sich. Blair war wahrscheinlich einfach zu unerfahren, hat kaum weniger als ihr pausbäckiges Teenagergesicht, dessen naiv-süßlicher Ausdruck von einem zunehmend fragenderen Blick getrübt wird, aber Burton, der im Wesentlichen vom autoritativen Vibrieren seiner Stimme lebt, agiert auf verlorenem Posten, hat nichts, was er seinem Lamont anbieten könnte, außer diesen vom jahrzehntelangen Alkoholmissbrauch müden, wässrigen Blick, der kaum noch in der Lage scheint, etwas wirklich zu fokussieren, stattdessen nach innen gerichtet ist, dorthin, wo EXORCIST II: THE HERETIC dann auch in allererster Linie angesiedelt ist. Wenn man die nicht immer geschmackssichere Melodramatik des Films verkraftet, wird man aber mit wunderschönen, rätselhaften Bildern und einem fantastischen Morricone-Score belohnt, die es mir allein schon unmöglich machen, mit dieser ekelhaften Gehässigkeit über den Film herzufallen, die die zeitgenössischen Kritiker an den Tag legten. Ich gebe aber zu, dafür etliche Anläufe gebraucht zu haben, denn mit seinem moderaten Tempo hat er tatsächlich einen sedierenden, hypnotischen Effekt, der bei Müdigkeit eine ideale Einschlafhilfe darstelllt. Da ich hier irgendwie zum Ende kommen möchte, würde ich das Seherlebnis vielleicht so zusammenfassen: Als Sequel des erfolgreichsten Horrorfilms aller Zeiten ist EXORCIST II: THE HERETIC ein Desaster, wenn man davon abstrahieren kann, aber auch eine der seltsamsten, weichesten, verträumtesten, rätselhaftesten und ungewöhnlichsten Studioproduktionen überhaupt.

Dieser Tage schnappte ich irgendwo die Nachricht auf, dass sich IT, die aktuelle Verfilmung von Stephen Kings Roman, anschicke, Friedkins über 40 Jahre alten THE EXORCIST als erfolgreichsten Horrorfilm aller Zeiten abzulösen. Ob ihm das mittlerweile gelungen ist, weiß ich nicht, aber darum soll es hier auch nicht gehen. Vielmehr finde ich es ziemlich beeindruckend, wie lange sich Friedkins Klassiker behaupten konnte: Es sind in den Jahrzehnten nach ihm ja nicht gerade wenige Horrorfilme entstanden, darunter einige, die als große Klassiker gelten und ihren Machern dicke Geldbörsen verschafften. Trotzdem reichte keiner an Friedkins Werk heran. Für den Horrorfilm nimmt THE EXORCIST darüber hinaus einen ganz ähnlichen Stellenwert ein wie Kubricks 2001: A SPACE ODYSSEY fünf Jahre zuvor für das Science-Fiction-Genre: Es ist der Film, mit dem das Genre, das zuvor weitestgehend als trivialer Schund für Halbwüchsige angesehen wurde, gewissermaßen rehabilitiert wurde. Es war also doch möglich, einen künstlerisch anspruchsvollen, erwachsenen Horrorfilm zu machen. (Dass es vorher schon einige gegeben hatte, hatten die Gatekeeper der Hochkultur wahrscheinlich einfach vergessen.)

Für Friedkin, der kurz zuvor mit THE FRENCH CONNECTION für Aufsehen gesorgt hatte, bedeutete der riesige Erfolg von THE EXORCIST einen gewaltigen Karrieresprung: Er konnte sich sein nächstes Projekt aussuchen und dabei aus dem Vollen schöpfen. Wir wissen, was passierte: SORCERER entpuppte sich als logistischer Albtraum und Riesenflop, von dem sich Friedkin kommerziell nie mehr wirklich erholte. Auch wenn er noch einige tolle Filme inszenierte – CRUISING, TO LIVE AND DIE IN L.A., RAMPAGE, THE HUNTED -, THE EXORCIST ist der Film, der ihm seinen Platz in den Annalen der Filmgeschichte sichert. Formal, aber auch dramaturgisch erreichte der damals 38-Jährige mit ihm eine Klasse, die innerhalb des Genres bis heute tatsächlich eher eine Ausnahme ist – und das sage ich als eingefleischter Horrorfreund, der mit THE EXORCIST bis heute so seine Probleme hat. So schrieb ich mal zu De Martinos Rip-off L’ANTICRISTO, dass ich ihn für den intelligenteren Film der beiden halte. Grund für diese Aussage ist die Tatsache, dass De Martino seine Exorzisten-Geschichte aus der Position des linksliberalen, antiklerikalen Intellektuellen erzählt, der Besessenheit für Ausdruck von Suggestion und religiösem Wahn hält, während Friedkin im Wesentlichen eine Geschichte über den ewigen Kampf von Gut und Böse erzählt: Basierend auf dem Roman des gläubigen Katholiken William Peter Blatty, der wiederum von einem realen Fall aus dem Jahr 1949 inspiriert ist, suggeriert er, dass es tatsächlich der Teufel ist, der von der jugendlichen Regan (Linda Blair) Besitz ergriffen hat, und der Exorzismus die einzige Möglichkeit, sie von dem Fluch zu befreien. Weltlichere Interpretationen kommen bei ihm zwar auch zur Sprache, aber der „wahre“ Hintergrund von Regans Besessenheit ist für ihn nicht wirklich entscheidend.

In seiner kurzen Einleitung zum 25. Geburtstag des Films, die ihm auf der BR-Disc vorangestellt ist, sagt Friekdin sinngemäß, man nehme aus THE EXORCIST mit, was man an ihn herantrage. Das ist eigentlich eine triviale Aussage, die letztlich auf jede Kunstrezeption zutrifft, aber sie harmoniert mit einer wichtigen Szene des Films: Ein Arzt, der Chris McNeil (Ellen Burstyn), der Mutter der Besessenen, keine zufriedenstellende Diagnose geben kann, empfiehlt ihr, sich an einen Exorzisten zu wenden: Der Glaube an dämonische Kräfte reiche oft aus, um die Symptome einer Besessenheit durch Autosuggestion zu erzeugen. Genau aus demselben Grund funktioniere auch ein Exorzismus: weil die „Besessenen“ an ihn glauben. Mit anderen Worten: Für die Besessenheit und den Exorzismus ist es letztlich irrelevant, ob es wirklich einen Dämonen gibt, entscheidend ist lediglich der Glaube auf beiden Seiten. Es gibt eine ganz kurze Szene, die die Möglichkeit einer Wahnvorstellung nicht nur stützt, sondern sogar zu bekräftigen scheint: Als Vater Karras (Jason Miller), ein Priester mit psychologischer Ausbildung, Weihwasser auf Regan spritzt, windet diese sich und behauptet, es brenne. Karras gesteht gegenüber Regans Mutter kurz darauf jedoch, dass es sich um ganz gewöhnliches Wasser gehandelt habe – worauf der Dämon eigentlich nicht hätte reagieren dürfen. Es sind solche kleinen Details, die Friedkins aufgeklärtere Sicht stützen, aber sie treten gegenüber dem finalen Exorzismus, bei dem den ausführenden Priestern Karras und Merrin (Max von Sydow) sogar der Leibhaftige selbst erscheint, in den Hintergrund, ziehen keine Aufmerksamkeit auf sich – wahrscheinlich, weil es Friedkin fern lag, dem Zuschauer seine Sichtweise aufzuzwängen. Dass gerade Karras, der über den Tod seiner Mutter in eine schwere Glaubenskrise geraten ist, einen Gottesbeweis herbeisehnt und ihn demzufolge auch bekommt, liegt auf der Hand. Und was soll Merrin, ein Kirchenveteran, anderes sehen als den Teufel? Friedkin handhabt dieses Thema nicht einseitiger, sondern im Gegenteil offener als De Martino. THE EXORCIST ist kein antiklerikaler Kommentar, er zeigt einfach nur. Das ist auch der Grund, weshalb ich den Film jahrelang für einen verklausulierten Gottesbeweis gehalten habe. Er positioniert sich nicht eindeutig, sondern lässt zu, dass Christen und Atheisten sich gleichermaßen in ihren Ansichten bestätigt fühlen können. Wie Friedkin das macht, ist seine wahre Meisterleistung. Und er musste mit Blatty im Nacken wahrscheinlich überaus subtil vorgehen.

Mit dieser Einsicht konnte ich zwar ein seit langem bestehendes Missverständnis ausräumen, aber ein Problem habe ich immer noch mit THE EXORCIST: Ich finde ihn trotz seines famosen Sounddesigns, seiner auch heute noch überzeugenden Special Effects, der fantastischen Kameraarbeit und seinen bahnbrechenden Einfällen nur mäßig unheimlich. Besessenheitsschocker funktionieren für mich einfach nicht, weil mir dafür der nötige Glaube fehlt. Keinen Zweifel kann es aber hinsichtlich der Klasse von THE EXORCIST geben: Der Aufbau des Films ist einfach fantastisch, die Dialoge absolut glaubwürdig und was vor allem Ellen Burstyn, Jason Miller und der großartige Lee J. Cobb – eigentlich mein Lieblingscharakter – leisten, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Revolutionär war auch der quasidokumentarische Ton, den Friedkin aus THE FRENCH CONNECTION herüberrettete und mit großem Erfolg in einem Genrefilm etablierte. THE EXORCIST fühlt sich echt an, er benötigt keine standardisierten Plotverläufe, sondern entwickelt sich ganz und gar organisch. Das gibt es heute ja fast gar nicht mehr im Hollywood-Kino: Filme, die nicht alles endlos auserzählen und sich zu Tode erklären, die es verstehen, mit Auslassungen und Ellipsen zu erzählen, ohne diese Strategie als Gimmick auszureizen.

Ob das für den Director’s Cut auch gilt, weiß ich nicht. Ich habe seine Existenz immer als einen Affront verstanden. Jahrelang beteuerte Friedkin, die Kinofassung sei der Director’s Cut, wenn er auf fehlende Szenen angesprochen wurde, dann erlag er doch den Verlockungen des Geldes. Ich fand das damals immens enttäuschend und habe mich der Langfassung bis heute verweigert. Aber wenn mir die Sichtung von THE EXORCIST etwas beigebracht hat, dann das: Es ist nie zu spät, seine Meinungen zu ändern.

 

 

 

Das Sequel war nach dem Riesenerfolg von AIRPORT natürlich unvermeidlich und dass man am Erfolgsrezept etwas ändern würde von vornherein ausgeschlossen. Die Titlesequenz bezieht sich dann auch mit den Worten „Inspired by AIRPORT“auf den direkten Vorgänger: Die Ehrlichkeit muss man bewundern, denn natürlich wird hier nichts fortgesetzt, sondern lediglich variiert und neu aufgelegt. Doch halt: Hinsichtlich des Camp Values hat Smight durchaus noch eine ordentliche Schippe draufgelegt und präsentiert ein Panoptikon an ebenso schrulligen wie in dieser dichten Konzentration unwahrscheinlichen Charakteren, hirnrissigen Seifenoper-Plots und beiläufigen Sexismen, die 40 Jahre später die Wucht einer Atombombe entfalten. Karen Blacks Chefstewardess Nancy Pryor möchte nach sechs Beziehungsjahren mit ihrem Partner Al Murdoch (Charlton Heston) über den logischen nächsten Schritt sprechen, er muss zu einem wichtigen Geschäftstermin und beschwert sich, dass sie ihn mit solchem Weiberkram behelligt, anstatt ihm die halbe Stunde, die er hat, lieber für Du-weißt-schon-was freizuhalten. Aber wie schon die brave Nonne Schwester Ruth (Helen Reddy) in selbstvergessener Gutgelauntheit tiriliert: „That’s why I am the best friend to myself“.

AIRPORT 1975 legt gegenüber dem Inspirationsgeber ein deutlich höheres Tempo vor. Das ist gut, weil so mehr Zeit für die Flugzeug-Rettungs-Action bleibt, die schon ein bisschen spannender und spektakulärer daherkommt als im doch eher valiumhaltigen ersten Teil. Den eh schon reißbrettartig charakterisierten Figuren bekommt die Hatz von einer Katastrophe zur nächsten freilich weniger gut: Sie verkommen so erst recht zu Stichwortgebern und Oneliner-Servierern. Jerry Stiller hat es am besten getroffen, denn er darf den ganzen Trubel besoffen verschlafen, Gloria Swanson muss als sie selbst hingegen unablässig Lebensweisheiten aus Hollywood zum Besten geben und Myrna Loy ihren mit der THIN MAN-Reihe erworbenen Ruf als Schnapsdrossel verteidigen, die einen „boilermaker“ (Schnaps plus Bier) nach dem anderen bestellt, sehr zur Verwunderung vor allem der männlichen Mitflieger. Der Plot um die nierenkranke Linda Blair, die von Sister Ruth besungen wird, soll zusätzliche Spannung schaffen – kommt sie rechtzeitig zu ihrer OP? -, aber das unverdrossene Gemüt der Blair erstickt noch den kleinsten Funken von Suspense im Anflug.

Letztlich ist das aber piepegal, denn AIRPORT 1975 hätte diesen ganzen melodramatischen Heckmeck gar nicht gebraucht und liefert ihn nur als zusätzlichen Spaß mit: Die Rettungsaktion der beiden Alphamännchen Heston und Kennedy sowie das ängstliche Augenrollen von Karen Black reichen allein schon für zwei Stunden pikant-käsigen Spaß, der zum Glück viel, viel besser aussieht als im plüschigen Vorgänger mit seinen scheußlichen Splitscreens. Die Totalen der zwischen den mächtigen Bergketten der Rockies durchfliegenden 747 sind eine echte Schau, auch wenn sie selten mit den Close-ups übereinstimmen wollen. Die Story ist natürlich Unsinn im Quadrat, der seinen Höhepunkt erreicht, wenn Blacks Nancy beim Versuch, ihren Al an Bord zu ziehen, wild mit ihrer Zunge herumfuhrwerkt, und wie es Kennedys Patroni innerhalb eines Films vom schnöden Techniker zum Präsidenten einer Fluggesellschaft gebracht hat, dürfte auch niemand schlüssig erklären können, aber das ist ja auch egal. Wichtig ist, dass Hestons zitronengelber Rollkragenpulli sich an jede Bauchfalte anschmiegt wie eine Weißwurstpelle, die übermenschlichen Herausforderungen im Minutentakt auf den Betrachter einprasseln und Karen Black reichlich Gelegnehit bekommt, sich in ihrer Hilflosigkeit als „Honey“ anquatschen zu lassen. Gute Show!

 

the-chilling-poster-202x300Oh Gott, was für ein unansehnlicher Käse. Erwartet hatte ich popcornigen, effektlastigen Plastikhorrror wie er in den Achtzigern populär war, bekommen habe ich kreuzlangweiligen Billigschlock, bei dem eigentlich gar nichts funktioniert.

Dabei geht es mit der ellenlangen Laufschrift zu Beginn, die den Zuschauer auf den neuesten Stand bringt hinsichtlich der Möglichkeit, sich einfrieren zu lassen, und dann die zwingende Frage stellt, ob diese Errungenschaft der Wissenschaft ein Segen oder nicht doch eher ein Werk des Teufels sei, immerhin noch putzig los. Man ahnt schon: Von jemandem, der in diesen Kategorien denkt, sollte man nicht allzu viel erwarten. Und so kommt es dann auch.

THE CHILLING ist streng genommen nichts anderes als ein Zombiefilm und eine freche Kopie von Dan O’Bannons THE RETURN OF THE LIVING DEAD noch dazu. Dr. Miller (Troy Donahue) ist der Kopf hinter Universal Cryogenics, einer Firma, die Menschen auf Wunsch hin einfriert. In Wahrheit ist die ganze Unternehmung aber nur Tarnung für einen florierenden Organhandel. Eines Nachts schlägt der Blitz in das Lagerhaus mit den Cryo-Tanks ein, woraufhin  die Eingefrorenen wieder auferstehen. Metzelmurks und Ende.

Man merkt von Anfang an, dass THE CHILLING eiligst runtergekurbelt wurde und der Aufhänger nur zur Vortäuschung einer gewissen Tagesaktualität diente. Dass Promis sich einfrieren lassen wollen oder dies schon getan haben, ging damals durch die Presse und der Film macht dann auch mit den Namen Disney, Roosevelt und Michael Jackson auf. Danach regiert jedoch die totale Beliebigkeit: Das Drehbuch hat es noch nicht einmal hinbekommen, eine echte Hauptfigur zu entwerfen. Linda Blair tritt auf als Assistentin von Dr. Miller, die sich der Wünsche des Klienten Davenport (Jack De Rieux) annimmt, der kurz hintereinander seine Frau und dann seinen verbrecherischen Sohn auf Eis legen lässt. Zwischen beiden entspinnt sich eine sehr halbherzige, sehr unglaubwürdige und vor allem sehr überflüssige Liebesgeschichte und der Film wendet sich der Arbeit zweier Nachtwächter zu, von denen einer von Dan Haggerty gespielt wird. Die beiden langweilen sich, müssen dann mit einem Stromausfall klarkommen und sich schließlich der Tiefkühlzombies annehmen, die aussehen wie grüne Gummimenschen. Das läuft dann so ab, dass da ewig lang im Dunkeln rumgekraucht und Spannung vorgegaukelt wird, wo einfach nur völlige Inkompetenz vorherrscht. Am Ende latscht dann noch ein Zombie mit Rauschebart durchs Bild, im Hintergrund sieht man einen Cryo-Tank mit der Aufschrift „A. Khomeini“. Und ein Sequel wird natürlich auch angeteasert, das dann aber glücklicherweise nicht mehr realisiert wurde.

Nee, hier geht gar nix, bei allem Wohlwollen. Auf die Geschichte wurden wohl maximal fünf Minuten verwendet, THE CHILLING ist dazu noch grausam unansehnlich, die Effekte beschissen, Spannung oder gar Schauder sucht mag ganz vergeblich. Dieser ganze Cryo-Kram hätte ja durchaus Stoff für einen Horrorfilm hergegeben, aber der Schrecken, aus dem Tiefkühlschlaf aufzuwachen und festzstellen, dass nichts mehr so ist wie vorher, hätte definitiv intelligentere Menschen gebraucht als die beiden Filmemacher, deren Regiekarriere nach diesem Rohrkrepierer wenig überraschend schon wieder vorbei war.

roller-boogie-posterAls mein Kurztrip durch das Musical/den Musik- und Zeitgeistfilm der Siebziger- und Achtzigerjahre mich zu diesem Film führte, war die Vorfreude groß: Zum Gipfelpunkt des Discofiebers und Rollerskate-Trends inszeniert von Mark L. Lester, der in den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren diverse Großtaten im Bereich des Action- und Gewaltfilms vollbringen sollte – CLASS OF 1984, FIRESTARTER, COMMANDO, CLASS OF 1999, SHOWDOWN IN LITTLE TOKYO, EXTREME JUSTICE -, mit Linda Blair besetzt und fotografiert von niemand Geringerem als Dean Cundey, versprach ROLLER BOOGIE ein Quell bubblegumbunter Freude zu sein.

Doch leider, leider opfert der Film alle diese potenziellen Tugenden auf dem Altar der biederen Mittelmäßigkeit. Die leidlich interessante, aus Dutzenden von Liebes-, Musik. und Teeniefilmen bekannte Story – Mädchen aus reichem Hause liegt mit ihren Eltern über Kreuz, verliebt sich in den einfachen Rollerskater, gewinnt mit ihm einen Wettbewerb, rettet nebenbei den von finsteren Geschäftemachern bedrohten Skaterink vor der Schließung und versöhnt sich über all diesen Ereignissen mit den Eltern – wird hier in einer besonders leblosen Variante abgespult. All das Sommerfeeling, das der in Venice Beach gedrehte Film verströmt, muss wirkungslos verpuffen. Die Versäumnisse von ROLLER BOOGIE stechen besonders ins Auge, wenn man den Film mit dem inhaltlich sehr ähnlichen DIRTY DANCING vergleicht. Der ist nun auch nicht gerade ein Meisterwerk, aber er hat im Zentrum zwei Protagonisten, deren Paarung Funken versprüht und all die Klischees, die die Handlung auftürmt, vergessen macht. Linda Blair hingegen hat als nur rudimentär entwickelte Terry Barkley nicht viel mehr als ihre eigene gewinnende Persona ins Rennen zu werfen. Und Jim Bray, kein Schauspieler, sondern ein Rollerskate-Champion, dessen einziger Film dies blieb, macht seine Sache zwar ordentlich, entwickelt aber keinerlei Chemie mit dem Star. Was die beiden aneinander finden, bleibt das Geheimnis des Films, und es ist fast eine Erlösung, wenn die beiden am Ende wieder eigene Wege gehen. Allzu schwer fällt ihnen der Abschied dann auch nicht. ROLLER BOOGIE versäumt es total, irgendetwas Unverwechselbares zu erschaffen: Alles bleibt oberflächlich, flach. Die Dramaturgie besteht aus einem lustlos-geschäftigen Abhaken von standardisierten Plotpoints, die in regelmäßigen Abständen von mit aktuellen Hits untermalten Rollerskate-Szenen unterbrochen wird. Das finale Turnier, das eigentlich der Höhepunkt sein sollte, wird eilig abgespult, ohne dass da auch nur ein Iota von Spannung aufkäme oder man gar das Gefühl hätte, der Film interessiere sich wenigstens selbst für dessen Ausgang. Es bleibt ein Nachgedanke und selten wirkte ein Hauptgewinn so unverdient, so vorhersehbar, so leicht errungen. Seltsam überdies, dass es keinen Aufstand unter den Mitbewerbern darüber gibt, dass die Jury alles andere als unparteiisch ist: Sie besteht aus Terrys Eltern, dem Kumpel ihres Tanzpartners und dem Veranstalter, der den Besitz des Etablissements überhaupt nur dem Engagement des Protagonistenpärchens zu verdanken hat. Das steht exemplarisch dafür, wie leicht man es sich hier gemacht, wie sehr man sich auf die Zugkraft der Zeitgeist-Zutaten verlassen hat. Selbst unter der Voraussetzung, dass man hier eh kein Meisterwerk erwarten durfte, ist das ein bisschen zu wenig. Schade drum.

hell night (tom desimone, usa 1981)

Veröffentlicht: September 3, 2014 in Film
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Hell-night-1981Vier Bewerber für die Aufnahme in die prestigeträchtige Alpha-Sigma-Rho-Brüder- und -Schwesternschaft – Marti (Linda Blair), Jeff (Peter Barton), Denise (Suki Goodwin) und Seth (Vincent van Patten) – müssen zur „Eignungsprüfung“ eine Nacht im legendenumwobenen Garth Manor verbringen. Angeblich soll der Hausherr dort vor zwölf Jahren seine Ehefrau, drei seiner missgestalteten Kinder und schließlich sich selbst umgebracht haben, seinen jüngsten Filius, den schwachsinnigen Andrew, zur besonderen Strafe allein zurücklassend. Gruselgeschichten berichten natürlich, dass der Unglückliche immer noch durch das Haus wandelt, was selbst die Initiatoren der Aufnahmeprüfung nicht glauben. Doch bei den Streichen, die sie den vier Bewerbern spielen, werden sie plötzlich von einem Killer überrascht. Als Marti und Co. auf die ersten Leichen stoßen, wird ihnen bewusst, dass auch sie in Lebensgefahr schweben …

Der Text schreibt sich nahezu von selbst: HELL NIGHT ist, wie man der obigen Inhaltsangabe unschwer entnehmen kann, ein absolut prototypischer Vertreter des sich zu jener Zeit immenser Popularität erfreuenden Slasher- und Teenies-in-Peril-Subgenres und bietet von Prämisse und Setting über die Protagonisten und ihren Widersacher bis hin zu den Mord- und Suspenseszenen keine einzige wirklich eigene Idee.  Nach recht atmosphärischem Beginn – wenn nach der eindringlichen Schilderung der vergangenen Bluttat zum ersten Mal das drohend auf einem Hügel gelegene Garth Manor ins Bild gerückt wird, kriecht einem tatsächlich die Gänsehaut in den Nacken – schaltet DeSimone leider zwei Gänge zurück, widmet sich der wenig erbaulichen und in Anbetracht des klischeehaften Plots letztlich vor allem überflüssigen Charakterzeichnung. Er ist sichtlich um Spannungsaufbau und die Schaffung einer unheimlichen Atmosphäre bemüht, aber die Tatsache, dass HELL NIGHT zu jeder Sekunde vorhersehbar bleibt, lässt sein Vorhaben schon im Ansatz scheitern: Wo er sich langsam steigernden Schauer anpeilt, erzeugt er – trotz des ihm zur Verfügung stehenden Settings – größtenteils Langeweile. Auch das Anziehen des Tempos im Schlussdrittel vermag daran nichts mehr zu ändern: Der Showdown ist blutleer und das Monster lässt jede Persönlichkeit vermissen, die es aus dem Heer vergleichbarer und ebenfalls schnell wieder vergessener Slasherfiguren herausragen ließe. Das ist eigentlich die größte Enttäuschung, denn die zugrundeliegende „origin story“ verfügt doch durchaus über einiges Potenzial, verspricht mit ihrer inhärenten Tragik eben jene Ambivalenz, die nötig ist, um einen Horrorfilm über den Status eines bloß oberflächlich berührenden Spektakels zu heben und tatsächlich Angst zu verbreiten. Leider macht DeSimone viel zu wenig daraus, begnügt sich damit, einen konturlosen Butzemann in Make-up durch die Settings zu hetzen und gelegentlich mal „Buh“ machen zu lassen. Am Ende weiß man weder, wer da eigentlich Jagd auf die Studenten gemacht hat, noch warum.

Das ist umso bedauerlicher, als HELL NIGHT technisch durchaus über dem weitestgehend bemitleidenswerten Niveau des Slasherfilms anzusiedeln ist und DeSimone hier und da andeutet, dass er zu mehr in der Lage gewesen wäre, hätten seine Produzenten nicht lediglich schnellstmöglich ein Produkt auf den Markt werfen wollen. Besonders eindrucksvoll sind ausgerechnet jene Szenen, in denen der aus dem Haus geflohene Seth durch die Straßen des menschenleeren und nach einer Party in fast postapokalyptischer Verwüstung liegenden Campus streift, um Hilfe für seine zurückgebliebenen Freunde zu suchen. Auch im Polizeirevier stößt er nur auf taube Ohren, sodass er keine andere Möglichkeit sieht, als kurzerhand eine Schusswaffe zu entwenden. Hier bekommt HELL NIGHT plötzlich eine Dramatik, die dem hanebüchenen Ringelpiez innerhalb der Mauern des Spukhauses vollkommen abgeht, wird die Bedrohung für die Protagonisten mit einem Mal wirklich greifbar, erhält man als Zuschauer tatsächlich den Eindruck, dass es um etwas geht. Doch damit ist es leider schnell wieder vorbei, sobald sich der Film der finalen Abwicklung zuwendet, für die er deutlich länger braucht, als es der dünnen Story angemessen ist. 100 Minuten sind eindeutig mehr HELL NIGHT, als es selbst der wohlwollendste Zuschauer verkraftet.

Lisa Kruger (Linda Blair) fährt gemeinsam mit ihrer Freundin Kathy (Donna Wilkes) zu ihrer Familie. Papa Orville (Guy Stockwell) ist als Maskenbildner beim Film tätig und hat jede Menge neckischer Scherze auf Lager, mit denen er alle bei Laune hält – bis eine Bande verbrecherischer Punks ins Haus einbricht. Sie bringen alle um bis auf Lisa, der die Flucht in den Wald gelingt. Während sich einige der Punks daran machen, sie wieder einzufangen, fallen die anderen einem übersehenen Familienmitglied zum Opfer: Denn die Krugers haben einen missgebildeten Sohnemann in einem Geheimzimmer versteckt …

Das klingt nach einem ziemlich straighten Schocker, den man vielleicht mit dem Begriff „Terrorfilm“ adeln könnte, wenn es den vor 20 Jahren auch schon gegeben hätte. Doch obige kleine Inhaltsangabe deckt dummerweise nur einen ziemlich kurzen Abschnitt von GROTESQUE ab, der nebenbei auch noch Film-im-Film-Selbstreflexion betreibt, Selbstjustiz- und Rachedrama sein will und für die Schlusspointe gar Frankensteins Monster und den Wolfsmensch zu den eigentlichen Protagonisten macht. GROTESQUE beginnt als verquaster Mumiengrusel, bevor sich das Gezeigte schließlich als Screening eines neuen Horrorfilms entpuppt, für dessen miese Effekte der Maskenbildner großes Lob vom Produzenten erntet. Was das alles soll, wird erst später klar, wenn einem der Make-up-Künstler als Papa der Protagonistin wiederbegegnet. Für die nächsten 40 Minuten kommt der Film zunächst ohne weitere Anfälle von Schizophrenie über die Runden, doch holt er das Versäumte in den letzten 20 mehr als auf. Ich rekapituliere so kurz wie möglich: Lisa kommt durch einen der Punks ums Leben, ihr Mörder und dessen Freundin bekommen es mit dem degenerierten Sohnemann zu tun. Zwischenzeitlich ist das Massaker an den Krugers aufgefallen und Orvilles Bruder begibt sich gemeinsam mit der Polizei auf die Suche nach Lisa. Sie finden ihre Leiche und können dann gerade so verhindern, dass das vermeintliche Monster den Punk umbringt. Stattdessen wird es seinerseits von der Polizei erschossen und in der Folge als Schuldiger für den Mord ausgemacht. Orvilles Bruder ist derweil ziemlich angefressen, ohne seinem Unmut jedoch Luft zu machen. Er muss die Freilassung der Punks mitansehen und beschließt dann, ihre Bestrafung in die eigenen Hände zu nehmen. Als er sie gestellt hat, offenbart auch er ein Geheimnis: Er zieht sich eine von Bruder Orville gefertigte Maske vom Kopf und entpuppt sich als genauso missgestaltet wie das geheime Familienmitglied, dessen Vater er ist. Er übt grauslige Rache an den feigen Mördern, das Bild friert ein und brennt dann schließich ab: Große Aufregung im Kinosaal, was ist denn mit dem Filmvorführer los? Schnitt in den Vorführraum, in dem Frankensteins Monster und der Wolfsmensch nun die Gelegenheit ergreifen, den Menschen zu zeigen, dass sie noch immer nichts verlernt haben. Sie stürmen in den Kinosaal und schlagen die Zuschauer in die Flucht. Ende.

Es ist schwer, sich vorzustellen, dass dieser Film so geplant war, wie er sich dem Zuschauer darstellt. Es gibt keine Welt, in der die Idee, die Geschichte dieses Films in einen Film-im-Film-Witz einzubetten, auch nur annähernd Sinn ergibt. Nicht, dass nicht auch die Geschichte um die Krugers und die Punks reichlich eigenartig erzählt würde: Das missgebildete Familienmitglied wird nicht ein einziges Mal erwähnt und warum die Punks sich ausgerechnet das Häuschen der Krugers für einen Raubüberfall aussuchen, ist auch nicht zu begreifen. Genauso wenig wie das Schweigen von Orvilles Bruder, als sein Sohn erschossen wird: Er müsste die Polizei doch bloß über dessen Existenz aufklären, um die Aussage der Punks als Lüge bloßzustellen. Und warum eigentlich entlassen die Polizisten die möglichen Mörder ohne weitere Untersuchungen in die Freiheit? Weil sie den Überblick verloren haben? Das wäre zumindest verständlich, denn GROTESQUE bietet im 20-Minuten-Rhythmus eine neue Hauptfigur auf. Das alles ist so sonderbar und bescheuert, dass es unmöglich gewollt sein kann. Ob dieser ganze Zinnober drumrum vielleicht lediglich die einzige Möglichkeit war, diesen völlig in die Binsen gegangenen Mist noch irgendwie zu retten? Diese Strategie ist zwar auch nicht wirklich aufgegangen, aber ein denkwürdiger Exploiter ist Tornatore dennoch gelungen. Es gibt nur wenige Filme, die weniger wissen, was sie eigentlich sein wollen, als dieser.

Christine Carlson (Linda Blair) besucht ihren Freund Mike (William Ostrander), einen in Deutschland stationierten US-Soldaten, um ihn zu heiraten. Nach einem Streit mit ihm verlässt sie nachts das gemeinsame Hotelzimmer, wird unfreiwillig Zeugin, wie die Wissenschaftlerin und Überläuferin Hedda Kleemann (Sue Kiel) von zwei DDR-Agenten überwältigt wird und mit ihr zusammen hinter den Eisernen Vorhang verschleppt. Nach quälenden Verhören gesteht sie ihre angebliche Schuld und wird wegen Spionage zu drei Jahren Haft verurteilt. Im Knast führt die sadistische, lesbische Gefängnisdirektorin Einbeck (Elisabeth Volkmann) mithilfe ihrer Gespielin, der Gefangenen Sofia (Sylvia Kristel), ein hartes Regime, unter dem die als Staatsfeindin gebrandmarkte Christine zu zerbrechen droht. Und Mike kämpft in der Zwischenzeit gegen die Mühlen der Bürokratie, um seine zukünftige Ehefrau ausfindig zu machen …

Es wird immer besser. RED HEAT: UNSCHULD HINTER GITTERN ist nicht nur eine runterziehende Sleaze-Granate mit einer furchteinflößenden Elisabeth Volkmann, er gewinnt durch sein Kalter-Krieg-Szenario auch noch zusätzliche Sprengkraft, geht über den Rahmen des Exploitationkinos weit hinaus und gewinnt Bedeutung als einzigartiges Zeitzeugnis. Wer wissen will, was die Achtzigerjahre neben lustigen Frisuren, komischen Accessoires und plastikhafter Wave-Musik auszeichnete, wird hier a) fündig, b) sein blaues Wunder erleben und c) sein bisheriges Bild dieser Zeit überdenken müssen. RED HEAT ist Paranoia- und Propaganda-Kino vom Feinsten, öffnet das Fenster in eine Zeit, als das Böse ganz reale Gestalt hatte und geografisch genau zu verorten war; als man zwar lustige Sonnenbrillen trug (wieChristine in ihrer ersten Szene), aber sich damit vielleicht nur von der drohenden Gefahr des atomaren Krieges ablenken wollte; als man in Westdeutschland quasi noch die Hitze des hinter der Mauer züngelnden Höllenfeuers spüren konnte. RED HEAT ist ein perfider Titel, weil er auf der einen Seite das Lodern der sexuellen Leidenschaften und des schwelenden politischen Konflikts adressiert, aber dann viel eher eine eisige Kälte abbildet, in der jede Menschlichkeit erst taub wird und dann abstirbt. Der ganze Film ist in Schwarz-, Blau- und Grautönen gehalten und das rosige Babyspeck-Gesicht von Christine verwandelt sich im Laufe der 95 Minuten in eine aschfahle Totenmaske. Schlimmer als der Tod ist nur ein Gefängnis im Ostblock, in dem man im wahrsten Sinne des Wortes lebendig begraben wird. Tangerine Dream spielen dazu den Totentanz auf ihren Maschinen.

Wie so viele andere westliche Filme, die sich mit dem Feind im Osten auseinandersetzen, bemüht sich auch RED HEAT, den Gegner als unmenschlich, irrational und grausam zu zeichnen, und so durchsichtig die Mittel, die er wählt, auch sind, es ändert nichts daran, dass er immens effektiv ist: Die Beamten, die Christine verhören, sieht man kein einziges Mal, man hört nur ihre Stimmen; der Gerichtssaal ist vollkommen abgedunkelt, wird nur von einem gleißend weißen Licht erhellt, das durch ein Fenster fällt, vor dem sich die unerbittlichen Richter als gesichtslose Schemen abzeichnen. Die „Liebesspiele“, die Einbeck und Sofia mit ihren Opfern spielen, werden nur in kurzen, wenig enthüllenden Einstellungen eingefangen, die die Angst und Verzweiflung, die sich auf deren Gesichtern danach abzeichnet, noch schwerer wirken lässt. Der ganze Film versinkt mehr und mehr in einer Dunkelheit, die auch die finale Rettung Christines nicht mehr wirklich aufzulösen vermag. Der Film endet mit einem Freeze Frame, just in dem Moment, in dem sich die Schranke am Grenzübergang in die Freiheit öffnet. Christine wird die DDR nie ganz verlassen. Und selbst wenn: In der Heimat, wo man sich für ihren Verbleib nicht interessiert hat, ist es kaum besser.

Eine Szene möchte ich noch kurz exemplarisch beschreiben: Christine schreibt einen Brief an ihren Mike, ihre Stimme rezitiert das Geschriebene als Voice over. Sie sagt, wie sehr sie ihn vermisst, wie sehr ihr der Gedanke an ihn Trost bietet, wie sehr sie sich wünscht, er nehme sie in den Arm und sage ihr, das alles gut werde. Sie wisse nicht, ob dieser Brief ihn je erreichen werde. Die Kamera fährt durch ihr Zimmer, filmt sie schreibend auf ihrem Bett liegend, blendet schließlich mit dem letzten Satz kaum merklich über zu dem Beamten, der die Briefe kontrolliert, sie auf verräterische Inhalte prüft. Seine Hand – man sieht wieder kein Gesicht – zerknüllt den Brief, unterbricht damit jäh Christines Stimme und wirft den Brief auf einen großen Haufen weiterer Briefe, die ihre Adressaten niemals erreichen werden. Schweigen.

Carol Henderson (Linda Blair) wird zu 18 Monaten Haft verurteilt, weil sie einen Mann überfahren hat. Doch in dem Gefängnis, in dem sie ihre Strafe absitzen soll, tobt ein Machtkampf zwischen dem Gefängnisdirektor Bacman (John Vernon), der einen regen Drogenhandel betreibt und seine Sexspielchen mit den Häftlingen auf Video festhält, und der Wärterin Taylor (Stella Stevens), die das Drogengeschäft im Knast gemeinsam mit ihrem Partner Lester (Henry Silva) unter ihre Kontrolle bringen will. Derweil muss sich Carol gegen das Alphatier Ericka (Sybil Danning) behaupten, die als Bacmans langer Arm und Drogendealer fungiert. Zum Glück schlägt sich Duchess (Tamara Dobson), die Anführerin der schwarzen Häftlinge, auf ihre Seite. Die Situation spitzt sich zu …

Das Women-in-Prison-Subgenre mag man vor allem mit europäischem Schmuddelkino und den Siebzigerjahren in Verbindung bringen, dennoch stimme ich nach meinem ausgedehnten Ausflug hinter schwedische Rüschengardinen den Stimmen zu, die CHAINED HEAT als die Gottwerdung des Genres bezeichnen. Das hat natürlich unmittelbar etwas mit meinen filmischen Vorlieben zu tun: So fein der so genannte Eurotrash auch ist, seine produktionstechnischen Unzulänglichkeiten stehen einer vollen Durchschlagskraft oft etwas im Wege. Anders verhält sich das für mich mit dem kleinen, aber feinen Korpus US-amerikanischer Exploitationreißer der Achtzigerjahre, die ihren europäischen Pendants in Sachen Rotzigkeit, Härte und Düsternis meist in nichts nachstanden, aber dafür mit ordentlichen Production Values und natürlich dem unvergleichlichen Großstadt-Neonlook ausgestattet waren. CHAINED HEAT steht für mich auf einer Stufe mit solchen Masterpieces wie VICE SQUAD, WALKING THE EDGE, SAVAGE STREETS oder DEATH WISH 2 und 3, beinhaltet alles, was man von einem WiP-Film erwarten darf und durchbricht dann die Schallmauer, weil einem die Überdosis Sleaze hier in Hochglanzverpackung verabreicht wird.

Linda Blair ist eine ideale Besetzung für das brave Mittelklasse-Weibchen, dessen Welt plötzlich heftig ins Wanken gerät, und sie bindet die Sympathien des Zuschauers mühelos an sich. Werden WiP-Filme sonst meist von toughen Bitches angeführt, denen keine Demütigung etwas anhaben kann, brechen bei ihr schon beim Eintritt in den Knast alle Dämme. Das verankert den Film in der Realität und schafft emotionale Resonanz, die ein solides Fundament für die folgenden Exzesse bildet, ihrem Triumph am Ende eine durchaus auch tragische Note verleiht: Sie kommt mit dem Leben davon, aber um welchen Preis? Sybil Danning und Tamara Dobson sind natürlich die Ahninnen von Pam Grier und Konsorten und wenn die beiden aufeinanderprallen, möchte man auch als Mann das Weite suchen. Mit solchen Besetzungscoups geht es weiter: Die zarte Stella Stevens gewinnt schon dadurch an ungeahnter Autorität, dass sie Betonfresse Henry Silva – in einer unerwartet gesprächigen Rolle – befehligt, und der seit NATIONAL LAMPOON’S ANIMAL HOUSE stets auf humorlose und cholerische Schreibtischtäter abonnierte John Vernon liefert die Definition für den Begriff „slumming“: Seine Rolle lässt keinen anderen Schluss zu, als dass ihm damals bereits alles scheißegal war. In einem Büro, dass einem Edelpuff alle Ehre machen würde, verführt er die weiblichen Häftlinge zu Schäferstündchen in seinem Jacuzzi, markiert ihnen gegenüber den verständnisvollen Großonkel mit dem Raubtiergebiss und verliert dabei nie die stählerne Autorität, die man an ihm zu schätzen gelernt hat.

Aber das sind ja nur die Zutaten, die Paul Nicholas dann zu einem würzigen Eintopf verrührt, den er mit saftigen Gewalt- und Fleischeinlagen abschmeckt. Der Score peitsch mit seinen Synthies schön nach vorn, die Story spitzt sich immer mehr zu, bis am Schluss jeder sein Fett wegbekommen hat und Pausbäckchen Carol sich vom Mauerblümchen in die Phalanx der Amazonen vorgekämpft hat, die Männern erst das Rückgrat brechen und sie dann mit Haut und Haaren verspeisen. Es erübrigt sich für mich zumindest nach dieser ersten Sichtung, lange Exegese zu betreiben, CHAINED HEAT zu intellektualisieren: Er ist ein rohes, aber gut abgehangenes Stück Fleisch, ein heftiger Tritt in den Arsch, ein gewonnener Faustkampf, eine Motorradfahrt mit runtergelassenem Visier, ein einziger Adrenalinrausch, animalisch, primitiv, dreckig, geil. Hat mich einfach nur gekickt, das Teil.