st. ives (j. lee thompson, usa 1976)

Veröffentlicht: Dezember 5, 2011 in Film
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Der Kolumnist, Crime-Journalist, Romanschreiber und leidenschaftliche Glücksspieler Raymond St. Ives (Charles Bronson) ist notorisch klamm und deshalb froh, als er vom millionenschweren Abner Procane (John Houseman) für eine Geldübergabe engagiert wird: Dem wurden einige private Dokumente entwendet, die er aber für satte 100.000 Dollar zurückkaufen kann. Die Geldübergabe scheitert zunächst daran, dass St. Ives den Empfänger des Geldes nur noch als Leiche antrifft. Der Journalist steckt nun unweigerlich mit in der Geschichte und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Die wichtigsten Fragen: Wer ist Procane eigentlich und was steckt hinter den vermissten Unterlagen? Und was hat er von der schönen Janet Whistler (Jacqueline Bisset) und dem Psychotherapeuten Constable (Maximilian Schell) zu halten, die Procane nicht von der Seite weichen?

In J. Lee Thompsons erster von insgesamt neun Kollaborationen mit Charles Bronson gibt es den auf harte Hunde abonnierten Superstar einmal in etwas ungewohnterer Rolle zu sehen. Das Plakatmotiv bildet Bronson als stilvollen Charmeur ab und der heilige Name suggeriert eine gewisse Noblesse, die man bis dahin nicht unbedingt mit ihm verband. Assoziationen zum britischen Vorzeigeagenten sind bei der Betrachtung des Bildes kaum von der Hand zu weisen, verflüchtigen sich aber bereits in der ersten Szene, in der St. Ives, Bewohner eines Zimmers in einem drittklassigen Hotel, am hellichten Tag von seinem besorgten Anwalt aus dem Tiefschlaf gerissen und mit der Realität seines Kontostands konfrontiert wird. Im Folgenden sucht Thompson die Nähe zum Film Noir mit seinen stets am Rande des Existenzminimums herumlavierenden Privatdetektiven, grotesk verwickelten Kriminalfällen und verführerischen Femme Fatales und ist damit zumindest bis zur Hälfte durchaus erfolgreich. Leider versandet ST. IVES danach in der Beliebigkeit: Die Story ist einfach nicht interessant genug, als dass sie bis zum Schluss fesseln würde, die Twists und Turns bewegen sich allesamt im Rahmen der Konvention und sind damit genau das Gegenteil von überraschend. Letztlich mutet Thompsons gewohnt kompetent, aber eben auch uninspiriert bis bieder inszenierter Film wie der Pilot zu einer (zu Recht) nie in Produktion gegangenen Fernsehserie an. Das ist zu wenig, auch wenn die wirklich witzige und ungewöhnliche Schlusspointe einen dann doch noch einigermaßen versöhnt entlässt.

Bei so viel Mittelmaß und Profillosigkeit hilft es auch nicht wirklich weiter, dass Bronson die Rolle des smarten, humorvollen Lebemanns sichtlich gut gefiel, er offenkundig einige Freude daran hatte, in eine Rolle zu schlüpfen, die etwas abseits seiner gewohnten Persona lag. Die Besetzung des Films darf man sowieso als einen der wenigen Gründe bezeichnen, warum ST. IVES heute noch eine Betrachtung lohnt. Neben den bereits genannten geben sich hier Schauspieler wie Harris Yulin, Harry Guardino, Jeff Goldblum, Robert Englund, Michael Lerner oder Elisha Cook die Klinke in die Hand und verschaffen dem eher gesichtslosen Werk Profil. Ich will gar nicht zu viel Negatives sagen, weil ich Filme aus dieser Zeit eigentlich immer ganz gern sehe. Ich kann gar nicht genau sagen, woran das liegt; irgendetwas an diesem Siebzigerjahre-Zeitkolorit und den zwischen vornehm-mondän und schmuddelig pendelnden Stadtbildern spricht mich einfach an. Lalo Schifrins plüschig pluckernder Score passt dazu wie die Faust aufs Auge, allerdings auch in doppelter Hinsicht: So unverwechselbar und typisch er auch ist, so generisch und flüchtig ist er auch.

Kommentare
  1. Martin Compart sagt:

    Der Film basiert auf einem Roman der fünfteiligen St.Ives-Serie, die der große Ross Thomas unter dem Pseudonym „Oliver Bleeck“ geschrieben hat. Als ich mich mal mit Ross über die Verfilmung unterhalten habe (ich bin ein großer Bronson-Fan), meinte er richtig: „Es gibt nur einen Schauspieler, der für St.Ives die perfekte Fehlbesetzung ist – Charles Bronson“.

  2. Oliver sagt:

    Danke für deinen Kommentar. „Perfekte Fehlbesetzung“ ist eine tolle Umschreibung.

    Dass du Bronson-Fan bist, verbindet uns. Ein großer Schauspieler und ein Typ, wie es sie leider nicht mehr gibt. Es klingt blöd und kitschig, aber ich vermisse ihn.

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