valdez, il mezzosangue (john sturges/duilio coletti, italien/frankreich/spanien 1973)

Veröffentlicht: September 30, 2012 in Film
Schlagwörter:, , , , , ,

Chino Valdez (Charles Bronson) lebt allein. Er fängt Wildpferde in der Prärie, reitet sie ein, züchtet sie, verkauft sie weiter. Die Pferde, die seine „Schule“ durchlaufen haben, nennt er nicht ohne Stolz „Valdez Horses“. Aber es ist nicht so, dass nur Chino ihnen seinen Stempel aufdrückt: Die zahlreichen Narben, die wütende Wildpferde auf seinem Körper hinterlassen haben, zeigen, dass auch er etwas mitnimmt aus der Auseinandersetzung mit ihnen. Chino ist ein Loner, ein Außenseiter: Als Halbindianer erntet er immer wieder das Misstrauen und den Hass der Menschen, die ihm fremd sind.

Aber er scheint sowieso nicht so gut in die menschliche Gesellschaft zu passen. Er bevorzugt eine archaische Reinheit der Dinge, den Kontakt zur Natur: Als Catherine (Jill Ireland), die Schwester des Großgrundbesitzers Maral (Marcel Bozzuffi), bei ihm auftaucht, um eines seiner Pferde zu kaufen und zum Probereiten einen Damensattel mitgebracht hat, da schickt er sie kurzerhand wieder weg. So ein Ding kommt auf keines seiner Pferde. Aber auch Chino weiß, dass die Einsamkeit keine Dauerlösung ist. Er wünscht sich eine Frau, mit der er so etwas wie ein bürgerliches Leben führen kann, eines, in dem er arbeitet und abends zu seiner Gattin nach Hause kommt, die ein Essen zubereitet hat. Catherine, eine selbstbewusste Frau, die sich sogar eigene Hosen näht, um eines von Chinos Pferden reiten zu können und sich von seinen Grobheiten nicht unterkriegen lässt, soll diese Gattin werden. Man ahnt, dass ihr Bruder das nicht zulassen wird, es für diesen Chino kein „normales“ Leben mit ihr geben wird.

VALDEZ, IL MEZZOSANGUE ist ein wunderschöner und durchaus ungewöhnlicher Film. Er ist sehr ruhig und introvertiert und verzichtet fast gänzlich auf eine griffige, sich in den Vordergrund drängende Plotline, etabliert stattdessen eine entspannte Atmosphäre und einen ruhigen Rhythmus, der das Äquivalent zur Alltagsroutine Chinos ist. Ein Jahr nach CHATO’S LAND entstanden, in dem Bronson ebenfalls ein Halbblut spielte, wirkt VALDEZ, IL MEZZOSANGUE wie ein altersweiser, sentimentaler Gegenentwurf zu Winners Film. Auch hier greift Bronsons Charakter am Ende zwar zu den Waffen, aber weder geht mit seinem Kampf eine Befriedigung einher noch ist ein Triumph für ihn überhaupt in Reichweite. Trotz des tieftraurigen Endes schlägt der Film über weite Strecken einen fröhlich-beschwingten, leichten Ton an, hat sogar viele herzliche und komische Momente. Und in einigen davon geht es – durchaus ungewöhnlich – um das Thema Sexualität.

Wenn Western sich sonst diesem Themenkomplex näherten, dann geschah das eher auf unterschwellig-symbolischer Ebene (siehe JOHNNY GUITAR, I SHOT JESSE JAMES oder FORTY GUNS). Hier wird Sex hingegen zum Alltagsthema: Nachem Catherine Chino zum ersten Mal besucht hat und es dabei zum Streit über den von ihr mitgebrachten Damensattel gekommen ist, klärt Jamie (Vincent van Patten), Chinos jugendlicher Gehilfe, ihn darüber auf, dass es unschicklich sei, das Wort „Beine“ in Gegenwart einer Dame zu verwenden. Über Körperteile, die verhüllt seien, dürfe man nicht reden. Chino lacht über den rigorosen Moralismus des Heranwachsenden, der noch keinerlei Erfahrugen mit dem anderen Geschlecht gemacht hat und noch gar nicht weiß, wovon er redet. Aber er nimmt sich die Mahnungen zu Herzen, weil er zu weit weg von den Menschen ist, um sich mit Anstand und Sitte auszukennen. Bei der nächsten Begegnung mit Catherine zeigt er lediglich auf die betreffenden Körperteile, versucht eine direkte Benennung zu vermeiden, druckst herum und fragt ungeschickt, wie man dazu sage. Catherine ist irritiert und antwortet entsprechend. Bei der anschließenden Reitstunde kommt das Gespräch dann auf ihre „bouncy parts“, wie Chino sich ausdrückt, weil er keine Lust mehr hat, um den heißen Brei herumzureden und merkt, dass es ihr ähnlich geht. Später erwischt sie ihn nackt beim Bad, lässt ihn verschämt zusammenzucken und bezeichnet ihn wegen seiner unorthodoxe Waschtechnik ungerührt als „Pferd“. Ihre erste gemeinsame Liebesszene findet dann auch passenderweise statt, als Catherine gesehen hat, wie einer von Chinos Hengsten eine Stute besteigt. Aber auch Jamie macht seine ersten Erfahrungen: Er lernt ein Indianermädchen kennen, dem er sein Taschenmesser im Tausch gegen ein paar von ihr angefertigten Mokkasins gibt. Später wird er verträumt in Chinos Hütte sitzen, die Mokkasins streicheln und sie peinlich berührt unter dem Tisch verstecken, als Chino hereinkommt. Als er ihm gesteht, was es mit den Schuhen auf sich hat, antwortet der nur, dass er geahnt habe, dass Jamie bald erwachsen werden würde. Dem Lauf der Dinge – und der Hormone – kann man sich nicht entgegenstellen.

Der Film ist eine wunderbare Bühne für Bronson, der zum damaligen Zeitpunkt 51 war, nach zwei Jahrzehnten im Filmgeschäft zwar endlich auf dem Sprung zum Superstar war, aber eben auch nicht mehr der jüngste. Chinos Einsiedlertum spiegelt Bronsons Status als Eigenbrötler, die verbotene Liebesbeziehung des Halbbluts zu Catherine erinnert nicht von ungefähr an die enge Bindung, die er zu Jill Ireland hatte. Niemanden ließ er so dicht an sich heran wie diese Frau, mit der er ein Pärchen bildete, das mit dem Hollywood-Jetset nur wenig zu tun hatte. Doch für die beiden Schauspieler hielt das Leben Besseres bereit als für Chino und Catherine, die sich den Gegebenheiten beugen müssen. VALDEZ, IL MEZZOSANGUE ist unendlich traurig, gerade weil sein Ende ohne den ganz großen Paukenschlag auskommen muss. Chino erkennt seine Niederlage und geht, das Glück, das er gefunden hatte, hat sich als nur flüchtig herausgestellt. Es gibt noch nicht einmal die Gelegenheit für die Liebenden, sich Lebewohl zu sagen.

VALDEZ, IL MEZZOSANGUE wurde seinerzeit in Deutschland Duilio Coletti zugeschrieben, mit Sturges als Produzenten, in den USA war es genau umgekehrt. Wer nun für was verantworlich war, ist spontan schwer zu sagen, zumal Coletti außerhalb Italiens nie besonders aufgefallen und 1973 schon am Ende seiner Karriere angelangt war. Hinter der tollen Fotografie und der sicheren Inszenierung könnte also durchaus auch Sturges stehen, so wie es die IMDb und neue Auflagen des Films besagen (in denen Coletti totgeschwiegen wird). Der Score der De-Angelis-Brüder mit seinen süßen Melodien lässt an die Sternstunden ihrer Italo-Scores denken und unterstreicht die Grundstimmung dieses Films perfekt. Ein toller Film!

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..