im stahlnetz des dr. mabuse (harald reinl, deutschland/frankreich/italien1961)

Veröffentlicht: Mai 5, 2014 in Film
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Zwei FBI-Agenten werden in Deutschland unter mysteriösen Umständen ermordet: Wie Kommissar Lohmann (Gert Fröbe) weiß, versuchten beide etwas über die anstehende Kooperation des Gangstersyndikats von Chicago mit einem deutschen Verbrecherring herauszufinden. Bei den Ermittlungen bekommt Lohmann Unterstützung von Maria Sabrehm (Daliah Lavi), einer Journalistin, die auf der Suche nach ihrem verschwundene Vater, einem Wissenschaftler, ist, und von Joe Como (Lex Barker), der sich ebenfalls als FBI-Beamter ausgibt, aber eine rätselhafte Doppelidentität pflegt. Die Spuren führen in das Gefängnis von Direktor Wolf (Fausto Tozzi), dessen Gefangenen – allen voran der hünenhafte Alberto Sandro (Ady Berber) – seltsamerweise kommen und gehen wie sie wollen, um draußen wie unter Hypnose Auftragsmorde zu begehen. Steckt hinter allem der angeblich verstorbene Dr. Mabuse?

Mit dem zweiten Teil der neuen Dr. Mabuse-Reihe engagierte Artur Brauner den bereits erprobten Harald Reinl für die Regie, nachdem Fritz Lang sich mit dem Vorgänger aus dem Filmgeschäft zurückgezogen hatte. Mit diesem Besetzungswechsel näherte sich die Reihe unweigerlich den parallel von Horst Wendlandt gestarteten Edgar-Wallace-Filmen an, für deren erste Installationen Reinl stilprägend und maßgeblich war. Der Auftritt von Gruselkrimi-erprobten Darstellern wie Werner Peters, Rudolf Fernau, Ady Berber und Albert Bessler trug ebenfalls dazu bei, die beim Vorgänger von den Kritikern noch festgestellten Unterschiede einzuebnen: Notierten diese anlässlich Langs DIE 1.000 AUGEN DES DR. MABUSE noch einen gewissen Ernst gegenüber den von Anfang an selbstironisch zwinkernden Wallace-Filmen, erkannten sie die deutlichen Bezüge zur aufkeimenden Realität des Kalten Krieges, gerade im geteilten Berlin, so mussten sie bei IM STAHLNETZ DES DR. MABUSE nun die Kursänderung hin zum mit absurden Einfällen gespickten Pulpspektakel konstatieren. Die in DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE noch furchteinflößende, die Fantasie anregende Figur, war schon im Aufguss von 1960 zum weitestgehend austauschbaren Superschurken deformiert worden und das wird hier hier noch weitergtrieben: Gleich zu Beginn wird der Superverbrecher als Inkarnartion des Teufels höchstselbst in eine Reihe mit Vampiren und Werwölfen gestellt, und wenn er am Ende mit breitkrempigem Hut, Gesichtstuch und Cape durch die Dunkelheit flüchtet, fühlt man sich nicht wenig an die Serials der 1930er-Jahre erinnert. Durchaus doppelbödig zu thematisierende Ideen wie jene einer Übernahme fremder Individuen durch die Verabreichung einer Droge verkommen vor diesem Hintergrund zu reinem Kintopp, frei von jeglicher Relevanz. Aber sich daran aufzuhängen bedeutet ja auch den Witz, Schwung und die Fabulierfreude des Films zu verkennen, die er im Übermaß anbietet, und zu übersehen, was IM STAHLNETZ DES DR. MABUSE dennoch von Wendlandts Konkurrenzfilmen unterscheidet. Während sich die Londoner Beamten auf altehrwürdigen Schlössern mit der Gier etwas überkreativer Meuchelmörder herumschlagen mussten, deren Opfer eh kurz vor Überschreitung des Haltbarkeitsdatums waren, tobt in den Mabuse-Filmen ein noch unbemerkter Krieg, der jedoch unübersehbare Folgen für alle haben wird.

Gert Fröbe erdet den Film als Kommissar Lohmann (der dem Zuschauer schon in Langs M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER und DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE als Identifikationsfigur zur Seite stand), liefert gewissermaßen den gutbürgerlichen Gegenpart zum Hollywood-Beau Lex Barker und lässt den kriminellen Einfallsreichtum Mabuses noch visionärer, abseitiger und teuflischer erscheinen als er es ohnehin schon ist. Wenn er zum ersten Mal auftritt, freut er sich wie ein kleiner Junge auf einen Angelausflug und lässt sich von seinem Sohn die dafür angeschafften Bierkisten ins Auto laden: Undenkbar in einem Wallace-Film und absolut prägend dafür, wie man diese Figur im weiteren Verlauf wahrnehmen wird. Das folgende bunte Treiben – Auftragsmorde auf offener Straße, ferngesteuerte „Zombies“, die sich auf Befehl hin in den Tod stürzen, Zeugen, die im entscheidenden Moment verschwinden oder zum Schweigen gebracht werden, das Wechselspiel verschiedener Identitäten und Motivationen – nimmt er als bundesdeutscher Ottonormalverbraucher wahr, den nichts mehr erschüttern kann, weil er es nach zwei Weltkriegen gewohnt ist, mit dem schlimmsten zu rechnen. Das ist ebenso bundesdeutsche Realität des Jahres 1961 wie der Blick auf deutliche Kriegsschäden zeigende Straßenzüge, und daran kann auch der bei Fausthieben geradezu perfekt aus der Form geratene Scheitel von Lex Barker nichts ändern. Hier wird die Ohnmacht des Bürgers gegenüber dem Treiben von „denen da oben“ illustriert. Das wird natürlich am deutlichsten im Finale, wenn Mabuses willenlos gemachte Privatarmee zur über Lautsprecher wiederholten Beschwörungsformel gegen das Militäraufgebot marschieren, seinerseits lediglich Vollstreckungsgewalt eines Befehls von oben. Man meint die aufkeimenden Zweifel an der Richtigkeit der eigenen Mission, das Erkennen der Ähnlichkeit des Anderen in den Augen der Soldaten erkennen zu können. Es ist ein ungemein kraftvolles, vielsagendes Bild, das IM STAHLNETZ DES DR. MABUSE in den letzten Minuten noch einmal gehörig aufwertet und ihn in mehr als guter Erinnerung behalten lässt.

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