zielfahnder: flucht in die karpaten (dominik graf, deutschland 2016)

Veröffentlicht: November 20, 2016 in Film
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die-zielfahnder-flucht-in-die-karpatenNormalerweise kann ich mich nur selten dazu aufraffen, mein eigenes Heimkino-Angebot links liegen zu lassen, um mich dem Fernsehprogramm zu widmen. Für Dominik Grafs ZIELFAHNDER: FLUCHT IN DIE KARPATEN habe ich gestern eine Ausnahme gemacht, die sich gelohnt hat. Der Film lässt seinen Autoren unschwer erkennen in den kleinen Details der Inszenierung, vor allem in der Art, wie die Figuren miteinander sprechen, wie Räume und Orte erkundet werden und die kleinen Exkurse, die sich die Handlung erlaubt, nie bloße Ablenkungsmanöver sind.

Graf kehrt für seinen neuesten Film zunächst in meine Heimat des Herzens Düsseldorf zurück, wo auch schon DIE KATZE und DIE SIEGER gespielt hatten: Aus dem Gefängnis in Solingen ist der rumänische Schwerverbrecher Caramitru (Dragos Bucur) ausgebrochen, dem die Fahndungsbeamtin Hanna Landauer (Ulrike C. Tscharre) ein handfestes Trauma zu erdanken hat. Sein Fluchtziel ist Rumänien, Landauer und ihr Kollege Sven Schröder (Ronald Zehrfeld) heften sich an seine Fersen, müssen ihn aber an der Grenze ziehen lassen. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen in Bukarest erweist sich anschließend als etwas schwierig, doch dann gibt es einen Hinweis, dass Caramitru die Hochzeit seiner Schwester in einem Dorf am Fuß der Karpaten aufsuchen wolle …

ZIELFAHNDER: FLUCHT IN DIE KARPATEN ist ein geradliniger Actionfilm, was bedeutet, dass der Zuschauer nicht allzu viele Überraschungen hinsichtlich des Handlungsverlaufs erwarten darf, wohl aber einen ereignisreichen Weg dahin. Highlights waren für mich die Szenen im Besprechungsraum des LKA, weil Graf es wie kein zweiter in Deutschland versteht, diese in anderen Filmen lustlos hingeworfenen Momente so zu inszenieren, dass sie nicht bloß lästige Exposition sind, sondern ein Gefühl für die Welt schaffen, der seine Protagonisten entstammen. Wunderbar ist das Zusammentreffen der deutschen und rumänischen Kriminalbeamten: Letztere betrachten die „Eindringlinge“  natürlich mit kaum verhohlenem Spott und Ablehnung, aber die Annäherung funktioniert dann doch – ein Standard des Polizeifilms natürlich, aber es fühlt sich hier trotzdem echter an als üblich. Bukarest, das man aus zahlreichen DTV-Actionern der letzten 15 Jahre kennt, erstrahlt hier in einem ganz anderen Licht und in den bunten Farben eines rauschhaften Nachtlebens, in das sich auch die beiden Helden stürzen. Richtig toll wird es dann aber im Karpatendorf, wo Landauer und Schröder erst eine peinliche Niederlage einstecken, dann in die Feierlichkeiten mithineingezogen werden, mit dem Fund einer gestohlenen Kirchenglocke zu Lokalhelden avancieren und dann schließlich in einem Showdown auf Caramitru treffen, der mich im positivsten Sinne an die alten Karl-May-Filme erinnert hat. Auch wenn ZIELFAHNDER: FLUCHT IN DIE KARPATEN das Rad keineswegs neu erfindet: Es gibt hier einfach Sachen zu sehen, die man so im deutschen Fernsehen noch nicht gesehen hat und die deutlich machen, dass Graf eigentlich auf die große Leinwand gehört. Allein wie am Ende die Schatten der Wolken über die grünen Gebirgswiesen ziehen, hat das Einschalten gelohnt …

Kommentare
  1. Raoul Walsh sagt:

    Schöne Kritik! Danke.

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