La Siréne du Mississippi (François Truffaut, Frankreich 1969)

Veröffentlicht: Februar 21, 2008 in Film
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Der auf der Insel La Réunion ansässige reiche Zigarettenfabrikant Louis Mahé (Jean-Paul Belmondo) hat eine Heiratsannonce aufgegeben und wartet nun auf die Ankunft seiner Braut Julie Roussel. Doch statt der erwarteten Brünetten steht eine attraktive Blondine vor ihm (Catherine Deneuve). Sie habe ein falsches Bild geschickt, weil sie sich geschämt habe, beteuert sie. Louis ist sofort fasziniert von der bildschönen Frau und bereit, alle Anzeichen dafür, dass diese eine Hochstaplerin ist – der nicht passende Hochzeitsring, die merkwürdigen Lügen, die nach und nach ans Licht kommen –, zu übersehen. Irgendwann jedoch ist seine Gattin verschwunden und mit ihr sein ganzes Vermögen. Zusammen mit der Schwester der verschollenen Roussel engagiert Louis einen Privatdetektiv. Doch dann macht er sich selbst auf die Suche nach seiner Braut – und verfällt erneut ihren Reizen …

414-6eujhwl_ss500_.jpgTruffauts Verfilmung eines Bestsellers von Cornell Woolrich beginnt zunächst wie ein Hitchcock-Thriller, verwandelt sich dann jedoch immer mehr in ein Traktat über das Wesen der Liebe. Es ist kaum nachvollziehbar, was mit Louis passiert, als er Marion (wie seine Julie tatsächlich heißt) gegenübersteht, genauso wie es von außen nicht zu begreifen ist, warum er nicht sehen will, was doch auf der Hand liegt. Louis vollführt den kierkegaardschen Sprung, allerdings nicht in den Glauben, sondern in die Liebe. „Ich liebe Sie“, beteuert Marion am Schluss, nachdem sie erneut versucht hat, Louis loszuwerden. „Ich glaube dir“, antwortet Louis und fasst damit sowohl das Dilemma des Liebenden als auch das Wunder der Liebe zusammen. Wer den Beweis sucht, dem entgeht die Essenz: Liebe ist blindes Vertrauen, ein Kampf, der jeden Tag ausgetragen und gewonnen werden will. Truffaut findet ein wunderschönes Bild für das Liebesbekenntnis: Als Louis unterwegs ist, bespricht Marion eine Schallplatte mit einem Liebesschwur für ihren Mann. Doch die Platte zerbricht, ohne dass er sie hören konnte. Machen fallende Bäume auch dann ein Geräusch, wenn niemand da ist, es zu hören? Von der Tropeninsel La Réunion führt LA SIRÉNE DU MISSISSIPPI erst nach Nizza, von dort aus nach Antibes, in eine rustikale Villa in Aix-en-Provence, eine karge Mietwohnung in Lyon (man möchte am liebsten kurz den Uhrmacher Michel Descombes aus Taverniers L’HORLOGER besuchen) und schließlich in eine kleine Berghütte nahe der schweizerischen Grenze. Am Schluss verschwinden Louis und Marion im Schnee, sie haben alles hinter sich gelassen, Louis ist zum Mörder geworden. „Ich lebe außerhalb der Gesellschaft“, sagt Louis zu einem Freund. Er hat den Detektiv umgebracht, der Marion auf den Fersen war. Aber es ist nicht sein Verbrechen, dass ihn zum Außenseiter macht, es ist seine Liebe, deren hilfloses Opfer er ist, die ihn in einen Narren und einen Clown verwandelt. Aber das ist ihm egal. Hinter die Erkenntnis seiner Liebe kann er nicht mehr zurückfallen.

Truffauts Film ist so reich an Eindrücken, dass man ihn in einer Sichtung gar nicht erfassen kann. Er ist wie die Liebe selbst, die den, der von ihr infiziert ist, in ein Wechselbad der Gefühle stürzt. Zwischen der tropischen Hitze von La Réunion und der Kälte der französischen Alpen liegen Welten, die Louis und Marion durchschreiten, mal lachend, mal streitend, immer leidenschaftlich liebend. Und so mäandert auch LA SIRÉNE DU MISSISSIPPI zielsicher auf seinen Irrwegen entlang. Und in die Liebe seiner Protagonisten schreibt sich immer Truffauts eigene amouröse Infektion mit dem Kino ein: der Ausschnitt aus Renoirs LA MARSELLAISE, die in Kinderhandschrift geschriebene Widmung an den großen französischen Regisseur, die Erwähnung von Nicholas Rays JOHNNY GUITAR, die Entfremdungstechniken der Nouvelle Vague, die immer wieder verdeutlichen: Dies hier ist ein Film. Man ist geneigt ein „nur“ in diesen Satz einzufügen, aber das würde diesem Werk nicht gerecht, dass doch eine ganze Welt in sich enthält. „Ich sehe dich an und es ist wie Schmerz.“ Fin.

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