hud (martin ritt, usa 1963)

Veröffentlicht: März 24, 2011 in Film
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Irgendwo in Texas: Hud Bannon (Paul Newman) ist ein Zyniker vor dem Herrn, der säuft, sich prügelt, rumhurt und seine Mitmenschen ausnahmslos mit kaltschnäuziger Herablassung behandelt. Sein Vater, der Rinderfarmer Homer (Melvyn Douglas), hat seinen missratenen Sohn schon lange abgeschrieben, spätestens seit dieser bei einer nächtlichen Alkoholfahrt einen Unfall verursachte, bei dem sein älterer Bruder ums Leben kam. Nun gilt seine Hoffnung dem Enkelsohn Lonnie (Brandon de Wilde), der an dem ungezügelten Onkel jedoch mehr und mehr Gefallen findet. Als Homers Rinderherde wie aus dem Nichts von einer gefährlichen Seuche befallen wird und er vor den Trümmern seiner Existenz steht, kommt es zur Konfrontation zwischen ihm und seinem Sohn … 

Martin Ritts erster wirklich großer Film baut auf einem Familienunglück auf, dem schon sein Debüt EDGE OF THE CITY einen handfesten Vater-Sohn-Konflikt zu verdanken hatte, den er nun aber vor der endlosen kargen Weite der texanischen Wüste ausbreitet, die der Zuschauer sofort mit dem Western assoziiert. Kamen Ritts vorangegangene Filme noch etwas pädagogisch daher, weil es ihm noch nicht recht gelungen war, seine gesellschaftskritischen Beobachtungen in die Handlung zu integrieren, er seine Protagonisten stattdessen in Dialogszenen zu aus dem homogenen Gesamtbild herausfallenden Reden anheben ließ, so löst in HUD allein die fantastische (und Oscar-prämierte) Kamerarbeit von James Wong Howe all die Assoziationen aus, die Worte nahezu überflüssig machen.

HUD ist ein Spät-Spätwestern, ein Zivilisationswestern, dessen einsamer Cowboy Homer die Welt um ihn herum, deren unnachgiebigster Vertreter sein eigener Sohn ist, nicht mehr versteht. Die Maul- und Klauenseuche, die seine Herde – darunter auch zwei der selten gewordenen Longhorns – befällt und ihre Tötung unumgänglich macht, ist ja nur ein ganz besonders teuflischer Bote des Niedergangs, der sich sowieso überall abzeichnet und dem sich auch ein alter Haudegen wie Homer nicht mehr länger entziehen kann. Billig aus Mexiko eingekaufte Rinder sind Schuld daran, dass er sein Hab und Gut verliert; ein Hab und Gut, auf dass auch Hud berechtigte Hoffnungen hatte und deshalb – ganz im Kapitalismus angekommen – versucht, seine Besitztümer zu wahren. Erst, indem er den Vater versucht, davon zu überzeugen, die kranken Rinder an nichtsahnende Bauern zu verscherbeln, die Verbreitung der Seuche billigend in Kauf nehmend, dann, als der Bankrott unabwendbar ist, indem er droht. den Vater für unmündig erklären zu lassen und dessen Land an eine Ölfirma zu verkaufen. Hud weiß, dass das unmoralisch ist: Aber er hat sich damit abgefunden, dass es einen Paradigmenwechsel gegeben hat. Richtig ist nicht mehr, was gut ist, sondern was Gewinn einbringt. Keine Zeit für falsche Sentimentalitäten.

Hud ist ein gebrochener Mann; nicht, weil ihn die Schuld am Tod seines Bruders zermürbt hätte, sondern weil seine Verdrängungs- und Rationalisierungsprozesse im Gegenteil viel zu gut funktioniert haben. Er ist ein Mann ohne Ideale, für die er sich einsetzen würde, ohne Träume, auf deren Erfüllung er hinarbeiten könnte. Er nimmt sich, was er will, und was er nicht bekommen kann, interessiert ihn nicht mehr. Die Auswirkungen seiner Taten sind ihm egal, weil er weiß: „Nobody gets out of life alive.“ Aber diese brutale Nüchternheit, so zweckmäßig sei sein mag, sie isoliert ihn: „You live just for yourself. And that makes you not fit to live with.“, wie es Homer sagt. Und dann wird auch klar, dass dieses Land, das sich von Horizont bis Horizont in unerbittlicher Kargheit erstreckt und die Menschen einst dazu inspirierte, eine Zivilisation aufzubauen, in den Bildern von James Wong Howe eine andere Qualität erhält: Es ist die Seelenlandschaft eines Mannes, der alle vertrieben hat, dem die Sensibilität für Zwischentöne abhanden gekommen ist, der nur die Erde unter seinen Füßen und den Himmel über seinem Kopf als gegeben annimmt.

Das Ende ist niederschmetternd: Nachdem Homer gestorben ist und Lonnie seinem Onkel enttäuscht und angewidert den Rücken zugekehrt hat, betritt Hud das Haus, das nun ihm allein gehört. Er nimmt sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank, trinkt einen Schluck, tritt an das Fenster und blickt seinem Neffen nach. Man meint für einen Augenblick, nun müsse die Selbsterkenntnis Einzug halten und wenn schon nicht zu einem Umdenken, so doch wenigstens zu einem sichtbaren Ausdruck des Bedauerns führen. Doch dann lacht Hud in sich hinein und wischt diesen Gedanken mit einer wegwerfenden Geste weg, als sei er von einem hoffnungslosen Träumer erdacht worden und nicht eine Sekunde seiner kostbaren Zeit wert. Hud wird seinen Weg machen. Aber wir müssen ihm dabei zum Glück nicht mehr zusehen.

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