doctor dolittle (richard fleischer, usa 1967)

Veröffentlicht: Oktober 6, 2011 in Film
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Ende 1967 erschien BONNIE & CLYDE, der nach Peter Biskinds „Easy Riders, Raging Bulls“ die Initialzündung für das Phänomen namens „New Hollywood“ war. Der Film machte ein aus einfachen Verhältnissen kommendes Bankräuberpärchen, dessen männliche Hälfte an Impotenz litt, zu Helden, besetzte sie mit unbekannten, aber aufstrebenden Darstellern, ließ sie und ihren Traum am Ende in einem Kugelhagel ebenso zerplatzen wie die starren und überkommenen Regeln, nach denen Hollywood seine Filme bis zu diesem Zeitpunkt weitestgehend fertigte. BONNIE & CLYDE war eine Absage an langweilige, aufgeplusterte Studio-Prestigeprodukte, in denen müde Stars in pompösen Kulissen und lebensfernen Geschichten umherirrten und melodramatische Dialogzeilen aufsagten. Eigentlich sollte Truffaut, einer der Köpfe der Nouvelle Vague, die das französische Kino umgekrempelt hatte, ihn drehen, doch der war der Meinung, dass ein Amerikaner diesen Stoff inszenieren müsse. Arthur Penn sprang ein und veränderte das Kino. BONNIE & CLYDE kostete etwas mehr als 2 Millionen Dollar und spielte weltweit 70 Millionen ein.

Am anderen Ende des Spektrums, das auf einer Seite von eben BONNIE & CLYDE flankiert wird, steht DOCTOR DOLITTLE, der alles das in Reinkultur verkörpert, wogegen Penn und sein Hauptdarsteller Warren Beatty sich aufgelehnt hatten. Die Verfilmung der Kinderbücher von Hugh Lofting als Musical – eines der typischen Genres des „alten“ Hollywood – wurde um MY FAIR LADY-Star Rex Harrison herumgestrickt, ob der nun in die Rolle des pummeligen Tierarztes passte oder nicht. Aus den Büchern filterte Drehbuchautor Leslie Bricusse die prägnantesten Episoden heraus und reihte sie ohne Sinn für eine innere Dramaturgie zu einem 140-minütigen Film aneinander. Set Designer, Spezialeffektleute und Location Scouts leisteten schließlich ganze Arbeit und DoP Robert Surtees fing ihr Werk in opulenten und quietschbunten Bildern ein, die zwar das Beste an DOCTOR DOLITTLE sind, aber trotzdem nicht verhindern können, dass sich die Langeweile bleiern auf den Betrachter herabsenkt. Was eigentlich märchenhaft, fantasievoll, lebendig, turbulent und liebenswert daherkommen soll, mutet einfach nur leer und leblos an. Die Songs, obwohl keinesfalls schlecht, verschwimmen zu einem gleichförmigen Brei, wohl auch, weil Rex Harrison kein echter Sänger war, sondern einen Sprechgesang perfektioniert hatte, der den Melodien auf ihrem Weg ins Ohr hier permanent im Wege steht. Und obwohl ich ihn keinesfalls so schlecht finde, wie viele der Kritiker, die ihn als Fehlbesetzung bezeichnen, ist er doch so unnahbar in seiner Rolle, dass zwischen den drei Protagonisten – Doctor Dolittle, seinem Freund und Gehilfen Matthew Mugg (Anthony Newley) und seinem (unglaubwürdigen) Love Interest Emma Fairfax (Samantha Eggar) – keinerlei Bindung entsteht. Allen Talents, das hier in die Wagschale geworfen wurde, zum Trotz, mutet DOCTOR DOLITTLE an wie Schülertheater: Schauspieler stehen orientierungslos in Kulissen rum und sagen Textzeilen auf. Und wenn man nicht mit einem von ihnen verwandt und deshalb befangen ist, geht einem das meilenweit am Arsch vorbei.

Aber auch sonst trägt DOCTOR DOLITTLE alle Zeichen des Hollywood-Bullshits: Der mit 6 Millionen Dollar budgetierte Film kostete schließlich das Dreifache und trieb die Fox fast in den Konkurs. Schuld daran waren etliche Pannen, die auf Inkompetenz – man vergaß solche Kleinigkeiten wie jene, dass Tiere bei der Einfuhr nach Großbritannien sechs Wochen in Quarantäne müssen und das Wetter auf der Insel in der Regel alles andere als sonnig ist –, die Prahlsucht des Studios und den Größenwahn des alkoholsüchtigen Stars zurückzuführen waren, der zwischendurch einfach mal für ein paar Wochen ausstieg und durch Christopher Plummer ersetzt wurde, bis man ihn auf Knien anbettelte, zurückzukommen. Fleischer war wohl von vornherein nicht der richtige Mann für diesen freundlich-verspielten Stoff, doch man darf vermuten, dass er seine Regiearbeit aufgrund der sich stellenden Schwierigkeiten bald nur noch als Krisenmanagement interpretierte und sich auf das reine Abfotografieren beschränkte. Natürlich blieben die Zuschauer scharenweise zu Hause, das ausufernde Merchandising verstaubte in den Regalen (und hatte damit bis zu STAR WARS den Ruf des Kostenrisikos weg) und der Film spielte nur einen Bruchteil seiner horrenden Produktionskosten wieder ein. Immerhin gelang es der Fox durch unermüdliche Lobbyarbeit, immerhin neun Oscar-Nominierungen für ihre Totgeburt zu erkaufen, von denen zwei dann auch noch zu Auszeichnungen führten (in den Kategorien „Beste Spezialeffekte“ sowie „Beste Musik, Bester Song“): absurder- wie bezeichnenderweise genauso viele wie BONNIE & CLYDE. Aber diesen Missstand hat die Geschichte ja mittlerweile gerade gerückt: DOCTOR DOLITTLE ist allerhöchstens noch als Megaflop im Gedächtnis und damit gut bedient.

Kommentare
  1. Whoknows sagt:

    Einer der wenigen Musicalfilme, den ich als Fan des Genres schlicht nicht durchgehalten habe. Das alte Hollywood wollte einfach nicht erkennen, dass die klassische Form des Genres mit „The Sound of Music“ (1965), meines Erachtens sogar schon vorher, ihren Endpunkt erreicht hatte und neue Impulse benötigte. Es folgte 1969 zwar noch „Hello Dolly!“. Der war jedoch bereits so fulminant dekadent und sich selber aufs Korn nehmend, dass man ihn bereits wieder geniessen konnte (ist einer meiner Lieblingsfilme). Aber „Doctor Dolittle“: Ich hätte sein peinliches Dasein nicht besser in Worte fassen können. Danke! 🙂

    • Oliver sagt:

      Oh, das ist aber nett! Vielen Dank!

      Ob ich DOLITTLE wirklich „peinlich“ finde, weiß ich nicht. Das trifft es irgendwie nicht: Er ist ja eher zu „solide“; so sehr, dass er dabei förmlich still steht. Wäre er eine Fußballmannschaft, würde man sein Versagen zum Beleg dafür nehmen, dass Geld keine Tore schießt. Das trifft es am ehesten: Man sieht in jeder Szene, was möglich gewesen wäre, aber es passiert einfach NICHTS. Wenn man sich wenigstens über ihn kaputtlachen könnte, das wäre ja wenigstens noch etwas.

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