la notte dei diavoli (giorgio ferroni, italien/spanien 1972)

Veröffentlicht: Februar 15, 2014 in Film
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Ein bewusstloser, verwundeter Mann (Gianni Garko) wird in eine Klinik eingeliefert. Davon abgesehen, dass er sich an nichts erinnern kann, auch nicht an seinen Namen, und er nachts am Fenster seines Zimmers steht und furchterfüllt ins Dunkel starrt, scheint mit ihm alles normal. Als ihn eine junge Frau (Agostina Belli) aufsucht, die behauptet, eine Freundin von ihm zu sein, reagiert er hysterisch. Kein Wunder: Die Frau gehört zu jener jugoslawischen Familie, bei der er nach einer Autopanne mitten im Nirgendwo Unterschlupf gesucht hatte und dabei mitten in einer Horrorgeschichte gelandet war …

Tolstois Geschichte um den Wurdalak (voller Titel „Die Familie des Wurdalak – Unveröffentlichtes Fragment eines Unbekannten“) gilt als eine der berühmtesten europäischen Schauergeschichten, ist zudem überaus einflussreich für die weitere literarische Entwicklung des Vampirmythos. In seinem Klassiker I TRE VOLTI DELLA PAURA hatte sich schon Mario Bava an einer Adaption versucht, allerdings in einer sehr komprimierten Fassung. Knapp zehn Jahre später widmete sich Giorgio Ferroni dem Stoff, blieb ihm bis auf wenige Variationen – statt in Moldawien spielt die Geschichte nun etwa in Jugoslawien – weitestgehend treu und schuf ein leider nur wenig bekanntes Meisterwerk des europäischen Horrorfilms, das Freunde des Genres und des italienischen Kinos sich in Form der exzellenten DVD von Raro Video unbedingt zulegen sollten.

LA NOTTE DEI DIAVOLI zeichnet sich durch seine bedrohliche, unheimliche, suggestive Atmosphäre und den langsamen, geduldigen Spannungsaufbau sowie die dunklen, herbstlichen Bilder aus. Von Beginn an scheint Nicola, der Held des Films, nicht nur in einem fremden Land, sondern in einer ganz anderen Zeit gelandet zu sein. Sein Auto ist das einzige Zeichen dafür, dass er sich nicht im Mittelalter befindet. Die Stimmung im Haus seiner unwilligen Gastgeber ist gedrückt, unfreundlich, belastet, aber niemand will mit der Sprache herausrücken. Das, wovor sie alle Angst haben, wird beinahe wie eine persönliche Schande betrachte, für die die Isolation die gerechte Strafe ist, und so ist Nicola gleich in mehrererlei Hinsicht ein Eindringling: Zum einen, weil seine Anwesenheit alle in Gefahr bringt, zum anderen, weil man vermeiden möchte, dass die eigene „Schande“ außerhalb der engsten Kreise bekannt wird. Ferroni fängt diese Stimmung der Schuld ebenso gut ein wie den Einbruch des Unerklärlichen in das fest gefügte Weltbild seiner mit beiden Beinen im Leben stehenden Hauptfigur. Der sieht sich, aufgeklärter Stadtmensch der er ist, lange Zeit dazu berufen, den Helden für die seiner Meinung nach eingesperrte Schönheit Sdenka zu spielen, muss diese Überheblichkeit jedoch mit dem vollständigen psychischen Zusammenbruch bezahlen, als er merkt, dass das Gerede von einem Fluch keine Erfindung eines strengen Patriarchen ist.

Bildschirmfoto 2014-02-15 um 16.23.56Giorgio Ferroni war zum Zeitpunkt der Entstehung von LA NOTTE DEI DIAVOLI bereits über 60 und seit über 30 Jahren im Filmgeschäft. Die Verfilmung von Tolstois Geschichte sollte seine vorletzte Regiearbeit sein. Ausgesprochenes Geschick für düstere, schauerromantische Stoffe hatte er 1960 mit dem wunderbaren IL MULINO DELLE DONNE DI PIETRA unter Beweis gestellt, der über eine ganz ähnliche Atmosphäre verfügt: Neben jenen Szenen, in denen dem Zuschauer das Eis in den Nacken kriecht (und LA NOTTE DEI DIAVOLI hat einige davon), gelingt es ihm in beiden Filmen eine tieftraurige Stimmung zu kreieren, die für die verheerende emotionale Wirkung hauptverantwortlich ist. Die Wurdalak-Verfilmung ist dabei, seinem Entstehungszeitpunkt entsprechend, noch wesentlich düsterer und auch „härter“ als der doch vergleichsweise gemütliche IL MULINO. Anders als ein Riccardo Freda, der in den Siebzigerjahren keine Heimat mehr fand, nicht verbergen konnte, dass er aus einer anderen, vergangenen Zeit kam, wirkt LA NOTTE DEI DIAVOLI erstaunlich frisch und konzentriert. Nichts deutet darauf hin, es mit dem Spätwerk eines Veteranen zu tun zu haben. Es half gewiss, dass Carlo Rambaldi für die überzeugenden Spezialeffekte zur Verfügung stand. Seine Arbeit gibt dem Film den nötigen grafischen Kick, der ihn neben den eine härtere Gangart einschlagenden zeitgenössischen Filmen bestehen ließ. Kongenial abgerundet durch den fantastischen Score von Giorgio Gaslini, bei dem auch die engelsgleiche Stimme von Edda Dell’Orso zum Einsatz kam, bescherte mir LA NOTTE DEI DIAVOLI gestern einen wunderbar schaurigen und affektreichen Abend. Es fiel mir erst später auf, dass es eine ziemliche Scheißidee war, den Film völlig allein zu schauen.

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Kommentare
  1. Philipp Hinz sagt:

    Genialer Film

  2. […] hat Deutschland noch einiges an Nachholbedarf. Ich wünschte mir auch Releases von Gorgio Ferronis Night of the Devils/La notte dei diavoli, Riccardo Fredas Tragic Ceremony/Estratto dagli archivi segreti della polizia di una capitale […]

  3. […] Er schuf damit auch den ersten italienischen Horrorfilm in Farbe. Sein zweiter Horrorfilm heißt Night of the Devils/La notte dei diavoli (1972) und erzählt eine Vampirgeschichte. Es ist die Verfilmung eines Schauerromans des Russen […]

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