autumn leaves (robert aldrich, usa 1956)

Veröffentlicht: April 12, 2013 in Film
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Millicent Wetherby (Joan Crawford) hat sich fast damit abgefunden, ohne einen Mann in ihrem Leben alt zu werden. Mit ihrer Arbeit versucht sie sich von ihrer Einsamkeit abzulenken so gut es geht, doch immer wieder wird sie von dem Gefühl eingeholt, dass etwas fehlt. Als ihr der attraktive und deutlich jüngere Burt Hanson (Cliff Robertson) begegnet und ihr sofort Avancen macht, reagiert Millicent schon aus Gewohnheit misstrauisch. Doch nach anfänglicher Skepsis lässt sie sich von seinem Enthusiasmus anstecken, wirft dann schließlich alle Zweifel über Bord und nimmt seinen Heiratsantrag an. Das Liebesglück scheint perfekt, bis plötzlich eine Dame (Vera Miles) vor Millicents Tür steht und sich als Ex-Frau Burts ausgibt. Bei Millicents Gatten handelt es sich angeblich um einen pathologischen Lügner. Millicent steht nach dieser Offenbarung kurz vor dem Zusammenbruch …

Aldrich wird meist als typischer Männerregisseur wahrgenommen. Tatsächlich kommen viele seiner Filme ohne starke Frauenfiguren aus, wohl nicht zuletzt, weil er oft in „Männergenres“ wie Kriegs-, Crime- oder Westernfilmen gearbeitet hat. Ein Film wie AUTUMN LEAVES belegt, dass das weniger auf eine persönliche Vorliebe (resp. Abneigung) zurückzuführen ist, sondern eben darauf, dass Aldrich sehr genau um die spezifischen Anforderungen verschiedener Genres wusste. In dieser „classy soap opera“, wie Aldrich den Film selbst beschrieb, steht demzufolge eine Frau im Mittelpunkt des Interesses und in ihrer charakterlichen Disposotion zeigt sich, dass Aldrich sie als Protagonisten genauso ernst nimmt wie seine männlichen Helden. Die zu Beginn labile Millicent reift im Verlauf zur eigentlichen starken Persönlichkeit des Films heran, die nicht nur ihre eigenen Ängste besiegt, sondern auch ihren Mann gegen alle Widerstände und Zweifel wieder aufrichtet. Dabei kommen ihr gerade jene Eigenschaften zugute, die der Zuschauer zu Beginn als ihre Schwächen ausgemacht zu haben glaubt. Oder vielmehr: Sie wendet diese Schwächen und interpretiert sie zu Stärken um. Ihre mangelnde Flexibilität, ihr Unwillen, Risiken einzugehen, die Angst, enttäuscht zu werden, haben sie stets davon abgehalten, sich zu verlieben. Doch anstatt die Brocken nach dem Besuch von Burts Ex-Frau hinzuschmeißen und in ihre Rolle als alte Jungfer zurückzukehren, beschließt sie, ebenso hartnäckig an ihrem Glück festzuhalten wie zuvor an ihrer Einsamkeit. In ihrem anfänglichen Misstrauen gegenüber Burt fühlt sie sich nicht etwa bestätigt, sie zwingt sich stattdessen, seiner ehemaligen Gattin gegenüber skeptisch zu sein, ihrem Mann den benefit of the doubt zu gewähren. Und sie wird dafür belohnt, überwindet die Einsamkeit, in die sie zu Beginn des Films doch immer mehr hineinzuwachsen schien.

Aber AUTUMN LEAVES ist noch viel mehr als nur ein Film über den Triumph einer Liebe gegen jede Wahrscheinlichkeit: Im letzten Drittel verwandelt er sich dazu noch in ein ergreifendes und niederschmetterndes Psychodrama, mit dem Aldrich ein wichtiges Plädoyer für die in den Fünfzigerjahren noch mit allerlei Vorurteilen behaftete Psychotherapie und gegen die Wahrnehmung psychisch Kranker als „Irre“ und „Wahnsinnige“ ablegt. Denn Burt, der selbstsichere junge Mann, ist nur halb so stark wie es zunächst den Anschein hatte. Seine Probleme – über die ich hier nichts weiter sagen werde – weiten sich zu einer handfesten psychischen Krankheit aus, der nur noch medizinisch beigekommen werden kann. Millicent entscheidet sich gegen die herrschende Wahrnehmung für eine Behandlung ihres Mannes, nicht wissend, ob der danach noch derselbe sein wird. Und diese finalen Szenen wirken nach dem insgesamt doch eher ruhigen Film wie ein beherzter Schlag in die Magengrube. Aldrichs Talent für die grafische, nahegehende und beinahe schmerzhafte Darstellung körperlicher und seelischer Pein findet sehr unerwarteten Ausdruck. Wenn man AUTUMN LEAVES überhaupt einen Vorwurf machen möchte, dann den, dass das abschließende Happy-End nach den vorangegangenen, heftigen Minuten etwas plötzlich kommt und in dieser Form nicht ganz glaubwürdig ist. Aber man muss Aldrichs Film wohl als Diskurs-Starter begreifen, dem zur Erreichung seines hehren Ziels auch eine Abkürzung recht war. AUTUMN LEAVES ist ein überaus bemerkenswerter Film und hinsichtlich seiner Hauptdarstellerin außerdem ein interessanter Teaser für Aldrichs späteren großen Erfolg mit WHATEVER HAPPENED TO BABY JANE?

Kommentare
  1. Wer Aldrich für einen Männerregisseur hält, der muss sich ja auch nur THE KILLING OF SISTER GEORGE ansehen. Drei weibliche Hauptfiguren, und kein wirklich nennenswerter Mann. Und das war Aldrichs vielleicht persönlichster Film, der erste, den er mit seiner eigenen Firma produziert hatte.

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