jigoku (nobuo nakagawa, japan 1960)

Veröffentlicht: März 31, 2016 in Film
Schlagwörter:, , , ,

jigWie schon Teruo Ishiis HORRORS OF MALFORMED MEN hat mich das magnum opus von Horrorspezialist Nobuo Nakagawa zunächst ein klein wenig enttäuscht – nur um dann in den auf die Sichtung folgenden Stunden in meinem Kopf unablässig weiter zu wirken und zu arbeiten. Ich bin mir immer noch nicht so ganz klar darüber, was JIGOKU mir eigentlich sagen will, aber abseits solcher Fragen entfaltet der Film eine faszinierende Sogwirkung, für die längst nicht nur seine bildgewaltige Höllendarstellung der letzten 45 Minuten verantwortlich ist, die den Film zum einflussreichen und oft imitierten (oder neu aufgelegten) Klassiker des fantastischen japanischen Kinos machte.

Bevor der Film dort hingelangt, entwirft er aber ein zunehmend klaustrophobisches und merkwürdig verschrobenes Erdenszenario, in dem es unmöglich scheint, der Anhäufung von Schuld und der damit unausweichlich einhergehenden Verdammnis zu entkommen, und das die Frage aufwirft, ob die Hölle nicht eigentlich schon im Diesseits beginnt. Nakagawa versammelt einen sich stetig ausdehnenden Kreis von zunächst sehr freundlichen Charakteren, die sich dann einer nach dem anderen als allerdings eher bemitleidenswerte Verbrecher offenbaren und auch noch über mehrere Labyrinth-Ecken in Sünde miteinander verbunden sind. Shirô (Shigeru Amachi), der Protagonist, ein argloser, vielleicht etwas leichtgläubiger und willensschwacher, aber keineswegs böser Student, wird allein über die Verbindung zu diesen Leuten und eine unglückliche Zusammenkunft von Zufällen zum Kandidaten fürs Höllenfeuer und scheint die ganze Zeit über ein ohnmächtiger, in Schockstarre und Unglauben gefangener Zuschauer in seinem eigenen, ihm durch die Finger gleitenden Leben. Und was hat es eigentlich mit seinem teuflischen Kommilitonen Tamura (Yôichi Numata) auf sich, der sich stets wie aus dem Nichts zu materialisieren pflegt, Shirô mit intriganter Perfidie und schadenfrohem Grinsen auf den falschen Weg führt und von Nakagawa gern von unten gefilmt sowie mit expressiv ausgeleuchtetem Gesicht in Szene gesetzt wird? Ich kenne mich nicht genug (eigentlich gar nicht) im Buddhismus und seiner Bedeutung der Hölle aus, um mir eine Deutung von Nakagawas Film anmaßen zu können, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich der Regisseur über den fatalistischen Glauben an im Leben auf sich geladene und im Jenseits zu sühnende Schuld ein wenig lustig macht. In JIGOKU ist am Ende einfach jeder fällig und die Sünder treten sich in der Unendlichkeit des Höllenschlunds mit ungläubigem Gesicht gegenseitig auf die Füße. Das nimmt schon kafkaeske Züge an.

Seinen unsterblichen Ruf und seine filmische Bedeutung genießt JIGOKU aber zweifellos vor allem für die visuell bahnbrechende Darstellung der Hölle und der dort äußert grafisch ausgeteilten Qualen. Fraglich, welchen Einfluss Nakagawas Film außerhalb Japans wirklich ausübte, aber wenn man sich die entsprechenden Bilder aus so unterschiedlichen Werken wie Fulcis L’ALDILA, Barkers HELLRAISER oder Randels HELLBOUND: HELLRAISER 2 anschaut, zudem in Betracht zieht, dass JIGOKU auf seine Zuschauer im Jahr 1960 nicht weniger als bahnbrechend und revolutionär gewirkt haben muss, ist seine filmhistorische Bedeutung kaum zu leugnen. Ein faszinierender, bildgewaltiger Film, der mit ausgesprochener Grazie und Eleganz auf dem schmalen Grat zwischen humanistischem Horror und erlösender Komik tanzt.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..