Mit ‘Jennifer Grey’ getaggte Beiträge

Während sich Ferris Bueller (Matthew Broderick) während des gemeinsam blaugemachten Schultags auf dem Festwagen einer Parade durch die Straßen Chicagos vergnügt, haben sein bester Freund Cameron (Alan Ruck) und Ferris‘ Freundin Sloane (Mia Sara) einen Moment zu zweit, in dem sie über ihre Zukunft – die Zeit nach der Highschool – und über die Bedeutung ihrer Freundschaft zu Ferris sprechen. Es ist dieser Moment – und einige weitere, in denen sich Ferris, nun seinerseits  isoliert von seinen beiden Freunden, an den Zuschauer wendet –, die den Schlüssel zum Verständnis des Films liefern und den Film im Film erkennbar machen, der  FERRIS BUELLER’S DAY OFF von der „nur“ witzigen Teeniekomödie zu etwas größerem, nämlich m. E. zur Gottwerdung des Teeniefilms und damit natürlich auch zum mit weitem Abstand besten Film John Hughes‘ macht.

Im Grunde genommen hat Hughes‘ Film zwei gleichberechtigte Protagonisten und je nachdem, welchen von beiden man auswählt, erzählt er zwei Geschichten – beziehungsweise eine Geschichte aus zwei denkbar unterschiedlichen Perspektiven: Die eine ist die Geschichte des supersympathischen, supercleveren Wunderknaben Ferris, den alle lieben, dem alles gelingt und der deshalb auch mit allem, was er tut – etwa seinem chronischen Schulschwänzen – durchkommt, ohne je Sanktionen befürchten zu müssen. In dieser Geschichte ist Ferris der Erzähler, der sich direkt an den Zuschauer wendet und ihn so an seinen Tricks und seiner Lebensphilosophie – das Leben ist schnell, deswegen muss man manchmal anhalten und sich umschauen, um es nicht zu verpassen – teilhaben lässt. Doch sein süßes Leben ist in Gefahr, weil zum einen der manisch-obsessive Direktor Ed Rooney (Jeffrey Jones) ihm endgültig das Handwerk legen will, zum anderen Ferris‘ Schwester Jean (Jennifer Grey) aus Eifersucht in Versuchung geführt wird, ihn zu verraten. Hughes bezieht die Spannung hier vor allem aus der Frage, ob Ferris auch am Ende seines spektakulären Tages noch weitermachen kann mit seinem Lotterleben oder ob er als Betrüger enttarnt werden wird. Das I-Tüpfelchen auf dieser von ihrem grandiosen Timing lebenden Geschichte ist die Darbietung von Jeffrey Jones, der sich als eifriger, aber glückloser Rooney an Ferris die Zähne ausbeißt und im Verlauf der 90 Minuten eine Demütigung nach der anderen erfährt. Jean fungiert als Spiegel für Rooney: Auch sie sagt immer wieder, wie sehr sie ihren Bruder hasse, doch erkennt sie schließlich, dass sie selbst das Zentrum ihrer Probleme ist: Sie ist unzufrieden mit der eigenen Mittelmäßig- und Mutlosigkeit. Rooney ist von dieser Selbsterkenntnis ausgenommen. Er hat die verhängnisvolle Abfahrt zum Durchschnitt schon vor Jahren genommen, eine Kurskorrektur ist für ihn nicht mehr möglich.

Die andere Geschichte erzählt von Ferris‘ bestem Freund Cameron, einem neurotischen Jungen aus wohlhabendem Hause, der unter dem Materialismus seiner Eltern zu leiden hat. Der ganze Stolz seines Vaters ist der seltene Ferrari, den dieser hütet wie seinen Augapfel, während er für seinen Sohn nie Zeit und noch weniger Zuneigung übrig hat. (Bezeichnenderweise bekommt man weder den Vater noch die Mutter zu Gesicht.) Cameron – der zu Beginn des Films im Gegensatz zu Ferris tatsächlich krank im Bett liegt – wird nun von seinem Freund dazu überredet, mit ihm den Tag zu verbringen. Gemeinsam tricksen sie Rooney aus, sodass Freundin Sloane ebenfalls von der Schule befreit wird, und begeben sich ausgerechnet in des Vaters Ferrari auf Vergnügungstour durch Chicago, die sie auf die Aussichtsplattform des mittlerweile nur noch zweithöchsten Gebäudes der Welt, des Willis Towers, zu einem Spiel der Chicago Cubs, in ein teures Restaurant, ein Kunstmuseum und einen Straßenumzug führt. Der Tag endet für Cameron mit einem traumatischen Schock, als er erkennt, dass sich die Spritztour vor dem Vater kaum verheimlichen lassen wird. Er zerstört (aus Versehen) das Auto und beschließt, seinen Vater offen zu konfrontieren, zum ersten Mal in seinem Leben nicht den Kopf einzuziehen, sondern seine Probleme auszusprechen und anzugehen. Es ist vor allem der Abgleich mit seinem Freund Ferris, der auf jedes Problem eine Antwort hat, weil er furchtlos ist und deshalb stets handlungsfähig bleibt, der ihn – parallel zu Jean im anderen Handlungsstrang – zur Selbsterkenntnis führt. Aber Hughes geht noch weiter: Der Film bietet durchaus die Möglichkeit, Ferris als rein imaginären Freund Camerons zu interpretieren, weil Ferris so überzeichnet und idealisiert gezeichnet wird, dass er gegenüber Cameron kaum noch als realistische Figur wahrgenommen werden kann. Ferris steht über den Dingen und er kann als einziger die Grenze zum Zuschauer überwinden, so als sei er nicht an die dargestellte Welt gebunden. Demzufolge kann er auch die Grenzen von Zeit und Raum überwinden: Die Sightseeingtour der drei Freunde ließe sich unmöglich an einem einzigen Tag absolvieren. Weil Camerons Entwicklung vor allem ein innerer Prozess ist – angezeigt durch die katatonische Schockstarre, in die er kurz vor Ende fällt –, sich nicht in Slapstick und Action entäußert wie im Falle Jeans und Rooneys, muss sich Cameron am Schluss wie bei THE BREAKFAST CLUB in einem überdeutlichen Monolog erklären und seinen Entschluss äußern, dem Vater die Stirn zu bieten und somit seine Geschichte verbal beenden. Doch anders als bei Hughes‘ Vorgängerfilm bricht dies dem Film nicht das Genick: Zum einen, weil es das passende Ende für den eher kopfgesteuerten Cameron ist, zum anderen, weil es den aktionsgeladenen zweiten Strang als Kontrast gibt.

FERRIS BUELLER’S DAY OFF ist ein Film voller solcher Gegenüberstellungen und Dualismen. Ferris und Cameron, Jean und Rooney, Jean und Ferris, Ferris und Rooney, Freiheit und Zwang, Leben und Angst, Schule oder Blaumachen. Und eben um Längen besser als der meist bevorzugte THE BREAKFAST CLUB.