der meineidbauer (rudolf jugert, deutschland 1956)

Veröffentlicht: Juli 27, 2014 in Film
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Weil Paula (Heidemarie Hatheyer) mit dem Hofbesitzer Jacob Ferner zwei uneheliche Kinder hat, wird sie von den Einwohnern ihres Alpendorfs als „Zigeunerin“ beschimpft und gemieden. Als Jacob stirbt, soll sein Testament sie zumindest materiell für die erlittenen Demütigungen entschädigen und sie zur Hofbesitzerin machen. Doch Matthias (Carl Wery), der Bruder des Verstorbenen, nimmt das Testament an sich und versteckt es. Nur ein im ersten Zorn geschriebener Brief an den Bruder bezeugt seine Kenntnis des Testaments, und dieser Brief liegt in den Händen eines kleinen Beamten (Josef Offenbach), der ahnt, dass er ihm noch von Nutzen sein wird, als Matthias vor Gericht einen Meineid schwört. Um den ihr rechtmäßig zustehenden Besitz geprellt, zieht sich Paula mit ihren beiden Kindern in einen kleinen Gasthof in den Bergen zurück. Zehn Jahre später nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung …

DER MEINEIDBAUER basiert auf einem Theaterstück des österreichischen Volksdichters Ludwig Anzengruber und wurde bis heute etliche Male verfilmt, zuletzt 2012 von Joseph Vilsmaier. Auch wenn Jugerts Film zahlreiche Merkmale des in den Fünfzigerjahren so populären Heimatfilms aufweist – die beeindruckende Alpenkulisse, die einfachen, bodenständigen Charaktere, eine herzzerreißende Liebesgeschichte, Tragik und Dramatik –, so ist er doch aus anderem Holz geschnitzt als die typischen, oft nationalistischen, zumindest aber rückwärtsgewandten Erbauungsfilme. Postkartenkitsch und Naturverklärung sucht man hier vergebens, stattdessen zeichnet Jugert ein Leben voller Entbehrungen und eine Gesellschaft, die an verknöcherten Normen festhält. DER MEINEIDBAUER „feministisch“ zu nennen, ginge zu weit, aber das ganze Drama hat seinen Ursprung recht eindeutig in der überkommenen Rollenzuweisung der Gesellschaft. Paula – und mit ihr ihre beiden Kinder – ist weniger als ein Niemand, eine Aussätzige, Ehrlose, weil ihr die Legitimation der Ehe fehlt, die der Partner versäumt hat, ihr zu erteilen. Sie zu Erbin zu machen, was ihr endlich einen gewissen Status verliehe, wird wiederum von Matthias als Affront betrachtet. Nicht nur, dass ihm eine Frau vorgezogen wird: Auch noch eine solche? Die Logik, mit der er vorgeht, ist frappierend: Erst betrügt er Paula um ihren Besitz, dann will er seine Schuld gutmachen und sie ruhigstellen, indem er ihr vorschlägt, ihn zu heiraten. Um ihren Stolz zu wahren, bleibt ihr da nur übrig, ins Exil zu gehen. Aber auch dieser Matthias ist ein armer Tropf. Gebeutelt von seinem männlichen Anspruchsdenken und seiner Selbstherrlichkeit, wird er zum Betrüger und Kriminellen, lebt ganz allein auf seinem Hof, wird zum Opfer einer über Jahre gehenden Erpressung und entfremdet von seinem Sohn Franz (Hans von Borsody), nur um schließlich doch enttarnt zu werden. Am Ende, wenn er vor den Trümmern seiner Existenz steht, bleibt ihm, der doch immer so genau wusste, was sich gehört, nur der Freitod. Die Last des Betrugs ist immer ur schwerer geworden.

DER MEINEIDBAUER lässt die formale und narrative Leichtigkeit von Jugerts DER SATAN LOCKT MIT LIEBE gänzlich vermissen, lebt ganz von der Schicksalsschwere der Geschichte und dieser Kulisse: Die Gipfel der Berge illustrieren die Last, die alle zu tragen haben, die Begrenztheit dieser Gesellschaft, in der sie leben und die für sie unüberwindbar ist. Diese schwelgerischen Panoramablicke, mit denen der Heimatfilm die Schönheit der Natur besingt, sie fehlen hier. Der Horizont ist verbaut, Freiheit ist in dieser Welt nicht zu erreichen. Als Franz auf Wanderschaft ist, wird er von zwei Polizisten kontrolliert (Wolfgang Völz und Robert Freitag), Paulas Sohn, der mit Schmuggeleien versucht, das Leben seiner Familie erträglicher zu machen, schließlich von ihnen erschossen. Auch die Liebe zwischen Franz und Marei Roth (Christiane Hörbiger) steht unter einem schlechten Stern, belastet von der Vergangenheit ihrer beider Familien. Hier erinnert DER MEINEIDBAUER an den im letzten Jahr gelaufenen DAS FINSTERE TAL: Die Ignoranz und Engstirnigkeit pflanzt sich auch in denen unweigerlich fort, die unter ihr am meisten zu leiden hatten. Der Mensch ist seines eigenen Glückes Schmied, mehr aber noch seines Unglücks.

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