the big easy (jim mcbride, usa 1987)

Veröffentlicht: August 6, 2015 in Film
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Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich in THE BIG EASY eingegroovt hatte (dass der deutsche Verleih keine Untertitel für die teilweise doch recht akzentlastige Originaltonspur anbietet, ist im Jahr 2015 einfach nur noch ärgerlich), und ich schätze, dass der Film sein volles Potenzial erst bei weiteren Sichtungen offenbart. Er passt perfekt in die Lücke zwischen McBrides BREATHLESS und GREAT BALLS OF FIRE! und bedient sich eines ganz ähnlichen Tonfalls. THE BIG EASY ist zuvorderst, also auf Handlungsebene, ein noiristisch angehauchter Polizeifilm. Sein Protagonist ist Remy McSwain (Dennis Quaid), aus einer langen Polizistentradition stammend und in seinem Revier New Orleans so zu Hause wie ein Fisch im Wasser. Dass er bekannt ist wie ein bunter Hund genießt er genauso offensichtlich wie die zahlreichen Annehmlichkeiten, die der Job so mit sich bringt: Er muss auch vor den angesagtesten Restaurants nicht in der Schlange stehen, jedes Menü geht auf Rechnung des Hauses, und hin und wieder effektreich mit der Knarre rumzuwedeln und kleine Straßendiebe festzunehmen, ist auch nicht das Schlechteste, um das eigene Ego aufzupusten. McSwain benimmt sich nicht so sehr wie ein Diener seiner Gemeinde, sondern wie ihr heimlicher König. Das ändert sich auch nicht, als die junge Staatsanwältin Anne Osborne (Ellen Barkin) auftaucht, die in Sachen Korruption ermittelt. McSwain lässt sich von ihrer Gegenwart nicht beirren, beginnt gleich damit, seinen Charme spielen zu lassen und der jungen Frau einen Blick in seine glamouröse Welt zu gewähren. Die beiden beginnen eine hitzige Affäre, die zunächst endet, als McSwain dabei erwischt wird, wie er Schutzgeld von einem Kneipenbesitzer annimmt. Ausgerechnet Anne tritt vor Gericht an, ihn zu überführen.

Diese Geschichte ist, von kleineren, ausschmückenden Details einmal abgesehen, Noir- und Polizeifilm-Standard und weicht von diesem auch bis zum Schluss nicht ab. Anne zwingt McSwain dazu, seine Fehler zu erkennen und ein besserer Cop zu werden, er hilft ihr dabei, die schmutzigen Kollegen zu überführen, und sie können am Ende sogar eine wahrscheinlich glückliche Ehe starten. Nichts daran ist neu. Dennoch ist THE BIG EASY ein höchst eigenständiger, origineller, bisweilen verwirrender Vertreter seines Genres, und das liegt vor allem an McBrides Humor und der Art, wie er seine Darsteller agieren lässt. Und genau das ist es auch, was mir den Einstieg gestern so erschwerte. Quaids McSwain lässt schon seinen zwei Jahre später interpretierten Jerry Lee Lewis erahnen: Er ist genauso selbstverliebt, arrogant und unverschämt, stolziert wie der Rock ’n‘ Roller wie ein Pfau in schicken Anzügen durch die Straßen, ist sich seiner umwerfenden Wirkung auf das weibliche Geschlecht absolut gewiss und schert sich nicht allzu sehr darum, was die seine Polizisten-Blase umgebende Welt von ihm denkt. Aber er hat auch etwas von Richard Geres fröhlichem Ganoven Jesse Lujack abbekommen, etwa dessen ansteckendes Lachen, diese Energie, mit der er sein Leben zelebriert wie ein ihn zu Ehren organisiertes Fest, die Lust an sinnlichen Reizen, sei es ein gutes Cajun-Essen, Sex oder Zydeco-Musik, das Talent, immer nur das zu sehen, was ihm gefällt, das Glas immer als halbvoll zu betrachten. Er ist ein Gewinner, weil er sich selbst so sieht. Nun sind selbstsichere, mit Stilbewusstsein ausgestattete Cops keineswegs ein Erfindung von McBride, aber außergewöhnlich ist die Zuneigung, ja Bewunderung, die der Regisseur ihm angedeihen lässt. Anne wirft ihm einmal vor, seine Vergehen für ein kleines Spielchen zu halten, gar nicht zu erkennen, wie er seine Profession damit verrät. Das Ding ist: Auch McBride betrachtet Remy nicht wie einen Kriminellen, sondern wie das Schlitzohr, dessen Gerissenheit man insgeheim oder gar ganz offen bewundert. Er mag vom richtigen Weg abgekommen sein, aber eigentlich ist er ein guter Kerl und deswegen ist man bereit, ihm zu verzeihen. Er ist kein BAD LIEUTENANT. Und Anne, von Ellen Barkin gegeben, die im Anschluss eine kurze Hochzeit als Femme fatale erlebte, wird hier nicht als die mit eiskaltem Kalkül und ohne Skrupel ihren Weg gehende Karrierefrau gezeichnet, sondern fungiert beinahe als Comic Relief, weil sie der offensiven Art Remy kaum etwas entgegenzusetzen weiß und alle weibliche Souveränität dabei einbüßt. Nichtsdestotrotz sitzt sie am längeren Hebel, einfach deshalb, weil sie Recht hat.

Die Beziehung der beiden hat dann auch viel von der heißen Affäre, die Jesse Lujack und Monica in BREATHLESS unterhielten. Die Ratio wird ausgeschaltet, die Gefühle übermannen beide, nur stellt THE BIG EASY das nie wirklich als Problem dar. Natürlich steht Anne später vor einem inneren Konflikt, als sie ihren Lover vor Gericht zerren muss, aber der ganze Prozess, die aufgesetzte Aggression, die sie ihm gegenüber plötzlich an den Tag legt, haben etwas entschieden Screwballhaftes. Alle Emotionen werden komisch überhöht und deswegen fällt es schwer, McBrides Film wirklich als Beitrag zum Polizeifilm zu akzeptieren, der ja meist um Authentizität und Realismus bemüht ist. Wenn ich jetzt an THE BIG HEAT denke, habe ich einen Cartoon vor Augen, das wölfische Grinsen Quaids, die an Betty Boop erinnernde Naivität von Ellen Barkin, Ned Beattys Schweinchen-Dick-Gesicht und John Goodman als Kater Karlo. Die fantastische Fotografie von Alfonso Beato ist das perfekte Bindeglied, indem sie die schwüle Dekadenz von New Orleans einfängt und gleichzeitig in kühle Neonfarben hüllt.

 

Kommentare
  1. Ghijath Naddaf sagt:

    Immerhin verdanke ich dem Film die Entdeckung der Neville Brothers.

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