the fog (john carpenter, usa 1980)

Veröffentlicht: August 26, 2015 in Film
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Ein Klassiker, von dem meine Eltern mir schon berichteten, lange bevor ich den Film selbst zum ersten Mal sah. Wahrscheinlich habe ich ihn bislang vier-, fünfmal geschaut, aber mal davon abgesehen, dass mir die Storyline und einzelne Details natürlich vertraut sind, sehe ich THE FOG auch immer wieder neu. Ein Vorteil, wenn man Filme meist erst dann „wiederholt“, wenn die neue Generation Heimkino-Trägermedien ins Haus steht. Dass Jamie Lee Curtis hier zum zweiten Mal nach HALLOWEEN in einem Carpenter-Film mitmischt, hatte ich z. B.  total vergessen. Sie wirkt aber auch ein wenig wie ein Bonus, als hätte man der Zugkraft von Adrienne Barbeau (Carpenters damaliger Gattin) und Janet Leigh allein (zu Recht) nicht vertraut. Weil THE FOG so etwas wie ein „Ensemblefilm“ ist, der viele Figuren braucht, um den Eindruck einer unter der Bedrohung zitternden Gemeinschaft zu erzeugen, fällt das nicht weiter negativ auf, aber auch durch den Charakter der Curtis als von außen hinzukommende Tramperin wirkt sie ein bisschen aufgepfropft. Sie bekommt dann auch nicht wirklich viel zu tun, fügt sich eher ein, als hervorzustechen.

Inhaltlich kann man THE FOG direkt nach Carpenters Durchbruch mit dem Megaerfolg von HALLOWEEN gleichermaßen als Weiterentwicklung wie auch als bewussten Rückschritt oder eher als „Rückbesinnung“ betrachten. Die Idee des Nebels, der in das Küstenstädtchen wabert, greift das Bild der bösen allgegenwärtigen Präsenz aus dem Vorgänger auf – es gibt zu Beginn eine Abfolge von statischen Stadtimpressionen, die sehr an die Schlussmontage von HALLOWEEN erinnert –, treibt sie auf die Spitze, indem sie sie nun gänzlich entpersonalisiert. Das heißt: nicht ganz. Hier hier kommt nämlich der „traditionalistische“ Aspekt des Films zum Tragen, der das grundlose Morden eines Michael Myers‘ wieder mit einer Motivation auflädt. THE FOG erzählt eine Geschichte, wie man sie auch in den EC-Comics lesen konnte: Ein in der Vergangenheit liegendes Verbrechen wird in der Gegenwart bitter bestraft, es gibt eine „Moral“, die man mitnehmen und vielleicht sogar auf die USA insgesamt übertragen kann. Die Menschen im Städtchen Antonio Bay, in dem der Film spielt, müssen nämlich anlässlich der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des Ortes feststellen, dass ihr verehrter Gründervater ein skrupelloser Mörder war,  der die Errichtung der Stadt mit blutigem Geld bezahlte. Leicht lässt sich hier die Brücke zu den Erkenntnissen des Westerns schlagen, der in seinen pessimistischeren (oder besser: realistischeren) Vertretern auch immer wieder betont hat, dass die stolze Nation auf Leichen errichtet wurde.

THE FOG ist ein „kleiner“, nur unwesentlich teurerer Film als HALLOWEEN, sieht zwar nicht zuletzt dank des Scope-Formats wesentlich größer aus, fühlt sich aber insgesamt auch „harmloser“, weniger raffiniert und konzeptstark an. Schon der stimmungsvolle Auftakt mit Mr. Machen (John Houseman), der ein paar Kindern am Lagerfeuer eine Gruselgeschichte erzählt, enthüllt seine Wurzeln: THE FOG ist ein klassischer „scare flick“, dem der Abstraktionstrieb eines HALLOWEEN vordergründig eher fremd ist. Es liegt am Regisseur selbst, dass THE FOG dann aber doch nicht so gemütlich reinläuft, sondern aller revisionistischen Impulse zum Trotz modern anmutet. Wie Carpenter die Geschichte langsam und geduldig aufbaut, in einer frühen Sequenz die Technik im Ort verrückt spielen lässt, wie er die säuselnde Stimme der lokalen Radiomoderatorin Stevie (Adrienne Barbeau) und die Fahrstuhlmusik, die sie mit Vorliebe spielt, kontrapunktisch zur steigenden Spannung einsetzt, wie er den Nebel inszeniert – eben nicht als gemütlich-nostalgische Reminiszenz an die alten Hammerfilme, sondern als bizarres, nicht greif- oder beschreibbares Phänomen, das in seiner Kälte schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Jahrzehnts absolut „achtzigertypisch“ scheint –, und, wie am Ende bei Stevies Kampf auf dem Leuchtturmdach, immer wieder überraschende Perspektiven findet, enthüllt den Innovator mit den klassischen Wurzeln. THE FOG ist so etwas wie the best of both worlds, ein Film, bei dem die Tücke im Detail liegt und der nie ganz das ist, was er zu sein scheint.

Kommentare
  1. Marcos sagt:

    Diese „Fahrstuhlmusik“, wenn ich mich noch recht entsinne, stellt die größten Jazz- und Big-Band-Klassiker der US-Amerikanischen Musikgeschichte dar. Höchstes Kulturgut in diesem Land. Aber stimmt natürlich. Das war auch die Easy Listening Musik der 1930er und 40er Jahre und durch das Spielen in Fahrstühlen wurde sie ihrer Identität beraubt.

    • Oliver sagt:

      Ich mag die Musik auch, wollte sie nicht diffamieren. Aber es ist eben so eine schwofige Entspannungsmusik, die dem Geschehen des Films zuwiderläuft. Oder natürlich diesen Ruhe-vor-dem-STurm-Charakter unterstreicht. Ganz wie man will.

  2. lance sagt:

    THE FOG ist einer dieser Filme, dem die Ehre zu teil wurde, damals in der Reihe DER PHANTASTISCHE FILM auf ZDF gefeatured zu werden (neben FROGS, UNTERGANG DER POSEIDON, TANZ DER VAMPIRE, … glaube ich mich noch zu erinnern. Jedenfalls -); der scherenschnittartige Trailer zu dieser Reihe war spukiger und furchteinflössender, als die Filme selbst! Tolles Moment, mit dieser Rezi das Gefühl, das einen damals erschaudern ließ, nochmals abrufen zu können. Danke!

    • LoxoL sagt:

      Kleine Info am Rande: der wundervolle Trailer zu der „Der phantastische Film“ stammt vom großen Illustrator Heinz Edelmann… welcher auch für den Beatles-Streifen „Yellow Submarine“ verantwortlich zeichnete. Buchstäblich. 😉

  3. Marcos sagt:

    Der Trailer zum Phantastischen Film auf dem ZDF hatte es wirklich in sich. Der hat mir manch schlaflose Nacht bereitet. Allerdings nicht so viele wie THE FOG selbst, der bei mir als Kind die Wirkung von einer Oktillionen ZDF-Phantastischer-Film-Vorspänne hatte. TEH FOG lief auch nicht auf dem ZDF, sondern auf der ARD, erstmals 1983 in einer Reihe, die „Das Film-Festival“ hieß. In dem Ausschnitt mit THE FOG war auch ein Ausschnitt, wo Paul Muni in eine Glasscheibe haut (SCARFACE). Das war tatsächlich von allem das Schrecklichste. Das ist leider nicht der Trailer mit THE FOG und Muni, aber die bekannte Musik von John Barry aus den 80ern, die in allen Trailern verwendet wurde.

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