buffalo bill & the indians or sitting bull’s history lesson (robert altman, usa 1976)

Veröffentlicht: Mai 16, 2011 in Film
Schlagwörter:, , , , , , , , , , ,

William F. Cody (Paul Newman), besser bekannt unter dem Namen „Buffalo Bill“, begeistert die Menschen mit seiner Wildwest-Show, in der er seine eigenen angeblichen Heldentaten nachstellt und die Mytholgisierung des Wilden Westens betreibt. Sein neuester Coup ist der Vertragsabschluss mit dem legendären Sioux-Häuptling Sitting Bull (Frank Kaquitts), mit dem Cody in seiner Show eine große Schlacht nachspielen will. Doch die chauvinistische Herablassung, mit der Cody und seine Leute den Indianer behandeln, prallt auf stoischen Widerstand: Die Indianer denken gar nicht daran, bei der Verzerrung ihrer Geschichte mitzumachen …

Schon zu Beginn weiß man gleich wieder, wo man ist: Die bekannte Stimme aus dem Off kündigt den neuen Film von Altman an und wünscht viel Vergnügen, bevor zu karnevalesker Musik die Credits  zu laufen beginnen. Die Indianer und Cowboys, die sich eben noch bekämpft haben, raffen sich wieder auf und ordnen sich neu, es war alles nur Show – und nach diesem Vorspann weiß man als Zuschauer: Es wird auch in den nächsten 120 Minuten alles nur Show sein und unter anderem um die Frage gehen, wie diese die Realität abbildet und in welchem Wechselverhältnis beide zu einander stehen. BUFFALO BILL AND THE INDIANS ist also wie der Vorgänger NASHVILLE eine Showbiz-Satire, wobei diese – trotz des historischen Rahmens – hier insgesamt deutlich „kleiner“ ausfällt: Die Zeltstadt der Wildwest-Show erinnert sogar ein wenig an das Lazarett aus M*A*S*H, der Kreis der Figuren ist übersichtlich und es gibt einen klaren, wenn auch nur lose strukturierten Plot statt einer Vielzahl kleiner Geschichten. Buffalo Bill ist der Prototyp des modernen Superstars, eine Figur, an der nichts real, sondern höchstens authentisch ist, deren Biografie einzig zu dem Zweck erfunden wurde, dem Publikum den Helden zu liefern, den es verlangt. Erschaffen hat ihn „The Legendmaker“ Ned Buntline (Burt Lancaster) und dass der seine Aufgabe mit Bravour gemeistert hat, erkennt man daran, wie sich die Legende Buffalo Bills fortschreibt und ausbreitet: Buffalo Bill ist schon zu Lebzeiten zur mythischen Figur gereift, über die unzählige Geschichten kursieren. Der Name Buffalo Bill ist größer als sein Träger: William F. Cody kann gar nicht anders, als auf sein Image hereinzufallen. Wenn er einmal gewusst hat, dass seine Biografie eine Erfindung ist, dann hat er das erfolgreich verdrängt. Paul Newman spielt Buffalo Bill als aufgeblasenen Popanz, der gerade deshalb so erfolgreich ist, weil er gar nicht merkt, dass er nur ein Schauspieler ist.

Ebenfalls über ein überlebensgroßes Image verfügt Sitting Bull, der als „größter Mörder von Weißen“ im ganzen Land gefürchtet ist. Er fungiert in Codys Wildwest-Show als eine Art King Kong: für das Publikum auf der einen Seite als Inbegriff einer wilden und fremden Kultur, auf der anderen gleichzeitig als gebändigte und unmehr ungefährliche Bestie als Beweis für die weiße Vormachtstellung aufzutreten. Doch dem Indianer kommt stattdessen die Aufgabe zu, das gut funktionierende System der Show auszuhebeln und zur Aufklärung der ignoranten Weißen beizutragen: Erst, indem er deren Rassismus entsprechend offensiv begegnet, sich seine Teilnahme schließlich gut bezahlen lässt und dann schließlich die Erwartungen des Publikums gezielt unterläuft. Als Sitting Bull nach einer sensationsheischenden Ankündigung gemächlich in die Arena reitet, auf wildes Kriegsgeschrei verzichtet und nur ganz ruhig ins Rund blickt, bevor er schließlich – als strebe er den Vergleich absichtlich an – vor einer Werbetafel stehenbleibt, die ihn als stolzen, martialischen Krieger darstellt, macht sich Enttäuschung unter den Zuschauern breit, die einen ganz anderen Indianerhäuptling zu sehen bekommen, als den, der ihnen versprochen wurde.

BUFFALO BILL AND THE INDIANS OR SITTING BULL’S HISTORY LESSON ist ein oszillierender Film, der sein Thema aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und sich schließlich auch noch selbst kommentiert. Das beginnt schon beim Titel, der sowohl Buffalo Bill als auch Sitting Bull zu gleichberechtigten Protagonisten ihrer jeweiligen Geschichten erklärt, und setzt sich in der selbstreflexiven Haltung des Films fort, die deutlich macht, dass „Authentizität“ ein ganz zartes Pflänzchen ist und dem Showbiz im Allgemeinen und Hollywood im Besonderen nicht zu trauen ist. So wenden sich die Indianer um Sitting Bull intradiegetisch zwar gegen ihre Darstellung durch die Weißen, doch ist ja auch diese Auflehnung wieder nur „weiße“ Projektion und kein historisch verbürgtes Faktum. So wie Cody Sitting Bull für seine Zwecke einspannt, so spannt Altman ihn für seine ein: Dass diese Zwecke denen Codys diametral entgegengesetzt sind, ändert ja nichts an der Tatsache. Diese Konstruktion führt dazu, dass man es sich als Zuschauer niemals bequem in eine Betrachterposition einrichten kann, sondern durch Kontextverschiebungen immer wieder dazu gezwungen wird, diese zu hinterfragen: So kann man Sitting Bull und seine Hartnäckigkeit, mit der immer neue Zuwendungen von Cody fordert, nicht nur als edlen Krieger betrachten, der eben genau weiß, was er will und was er seinen Vertragspartnern wert ist, sondern auch als Exemplar jener Gattung von Schauspieler, die man gemeinhin als „Diva“ bezeichnet. Und Cody erscheint aus diesem Blickwinkel nicht mehr länger als der rassistische und eingebildete Chauvinist, sondern als der Regisseur, der verzweifelt versucht, alle Teilnehmer seiner Show zusammenzuhalten.  

To make a long story short: BUFFALO BILL mag neben NASHVILLE marginal erscheinen, doch steht ihm diese etwas leichtere Ausrichtung sehr gut zu Gesicht. Und ausgesprochen witzig ist Altmans Film außerdem: Meinen Lieblingsgag gibt es kurz vor Schluss, als Präsident Grover Cleveland (Pat McCormick) der Show beiwohnt. Nach einer flammenden Begrüßungsrede von Buffalo Bill höchstselbst wendet sich Codys Manager Nate Salisbury (Joel Grey) an den Präsidenten und teilt diesem voller Stolz mit, dass Cody alle seine Reden selbst schreibe. Der Präsident dreht sich daraufhin kurz zu seinem Assistenten, der ihm etwas ins Ohr flüstert, und erwidert dann: „Wie alle großen Männer.“

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..