the return of captain invincible (philippe mora, australien 1984)

Veröffentlicht: Juni 6, 2011 in Film
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Der Superheld Captain Invincible (Alan Arkin) bekämpfte in den Dreißigerjahren das organisierte Verbrechen und im Zweiten Weltkrieg die Nazis, bevor er der Kommunistenhetze der Fünfzigerjahre zum Opfer und in der Folge dem Alkohol anheim fiel. Heruntergekommen und volltrunken fristet er sein Dasein in Sidney, ohne dass sich jemand an ihn erinnern oder ihn erkennen würde. Als sein alter Erzfeind Mr. Midnight (Christopher Lee) den „Hypno Ray“ entwendet, eine Waffe, mit der man jeden Menschen zum willenlosen Befehlsempfänger degradieren kann, erinnert sich der Präsident der Vereinigten Staaten an sein einstiges Kindheitsidol und holt ihn mit Unterstützung der australischen Polizistin Patty (Kate Fitzpatrick) zurück aus der Versenkung …

Auf Philippe Mora (u. a. HOWLING II: YOUR SISTER IS A WEREWOLF, HOWLING III: THE MARSUPIALS, COMMUNION, MAD DOG MORGAN, THE BEAST WITHIN) ist Verlass: Dass ein Genrestoff von ihm einfach mal so runtergekurbelt würde, kommt eher nicht vor. Und so ist THE RETURN OF CAPTAIN INVINCIBLE, aus dem ein Mainstreamregisseur wahrscheinlich ein straightes Actionabenteuer mit leisen melancholischen Untertönen gemacht hätte, ein absurdes Comicmusical geworden, das seinen übergeordneten Handlungsbogen etwa zur Hälfte völlig zugunsten einzelner mehr oder weniger überdrehter Episoden vernachlässigt. Das gereicht ihm nicht immer zum Vorteil und manchesmal drohen die entfachten Fliehkräfte den Film fast zu zerreißen, aber dann gibt es wieder einen schlicht wunderbaren Einfall, der alles bis zum nächsten Ausbruch in geordnete Bahnen zurückführt.

THE RETURN OF CAPTAIN INVINCIBLE beginnt schon wunderbar mit liebevoll nachgestellten Wochenschau-Ausschnitten, die die oben erwähnten Höhe- und Tiefpunkte im Leben des Superhelden dokumentieren und kommentieren. Diese Ausschnitte liefern nicht nur die Exposition des Films, sie etablieren auch seine von Nostalgie und Wehmut geprägte Stimmung, die von ganz zentraler Bedeutung ist, denn Mora kehrt – wie das bei einem Musical halt so üblich ist –  innere Zustände konsequent nach außen, lässt seine Charaktere immer wieder unvermittelt in (zum Teil von Richard O’Brien geschriebene) Gesangsnummern einstimmen und findet so die dem emotionalen Ursprung des Superhelden- und Superschurkenkonzepts angemessene Form. Wenn Captain Invincible sich in die Lüfte erhebt, vor Bluescreen-Sonnenaufgängen, Landschafts- oder Stadtpanoramen herumfliegt, ist das weniger Ausdruck seiner superheldischen Fähigkeiten, als eines unstillbaren menschlichen Verlangens nach Größe. Das technokratische Gefasel, das so viele der groß produzierten Superheldenfilme zu einer so tristen und im Grunde herzlosen Angelegenheit macht, interessiert Mora nicht die Bohne, wie er sich sowieso nicht lang mit der Origin-Story seines Helden befasst: In THE RETURN OF CAPTAIN INVINCIBLE geht es um den Wandel der Zeit, den Schmerz des vergessenenen Helden und darum, wie wichtig es ist, seinen Platz in der Welt zu kennen und einzunehmen. Kein Wunder, dass die Anwesenheit Mr. Midnights eher der Konvention und der dramaturgischen Notwendigkeit geschuldet ist. Er ist mit Lee, vielleicht DEM ikonischen Schurken der Filmgeschichte, demzufolge ideal offensichtlich besetzt.

Alan Arkin, optisch alles andere als ein geborener Held, trägt den Film mit seiner lakonischen Art und seinem überkommen wirkenden Fünfzigerjahre-Idealismus, interpretiert den Superhelden als Ritter von der eher traurigen Gestalt: Auch wenn er von der Natur mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet wurde, so ist es eher sein ungebrochener Glaube ans Gute, der ihn zum Heldentum befähigt. Er ist der ideale Schauspieler für Moras bescheuerte Einfälle, etwa jenen, wenn der Held auf einen Spruch Einsteins verweist und diese in unverständlichem Fantasiedeutsch zum Besten gibt: Es muss Dutzende von Takes gedauert haben, bis er und seine Partnerin diese Szene ohne Lachanfall hinter sich gebracht hatten. Aber der Film ist voll von solchen Momenten, in denen die leise Melancholie in brüllenden Schwachsinn umkippt: Bei einer Krisensitzung des US-Präsidenten (Michael Pate) und diverser Militärs intoniert ersterer angesichts der schwachsinnigen Vorschläge seiner Ratgeber – ein alter General mit Eisenhand vermutet reflexhaft die Russen hinter dem Raub der Waffe und fordert immer wieder dazu auf, kurzerhand die Bombe zu werfen – spontan einen Song, der ausschließlich aus dem Wort „Bullshit“ besteht, das über einen repetitiven Beat gebrüllt wird; während der Trocken-Flugübungen, die Captain Invincible absolvieren muss, als er seine Superheldentätigkeit wieder aufnimmt, muss er sich ständig übergeben und als er seine Magnetkräfte ausprobiert, resultiert das darin, dass hinterher zahlreiche Gebrauchsgegenstände an ihm kleben; in einem Staubsaugergeschäft werden Captain Invincible und Patty schließlich von lebendig gewordenen Staubsaugern attackiert; einer von Mr. Midnights Schergen hat die Aufgabe, die Stadt mit einer Hundehaufenmaschine zu verschmutzen; in einem jüdischen Deli in Manhattan ist der Eingang zum Reich Midnights versteckt, der vom Ladenbesitzer mit einem Maschinengewehr bewacht wird, das aussieht wie ein riesiger Fisch; ganz am Schluss stellt Mr. Midnight seinen Kontrahenten, einen trockenen Alkoholiker, auf die Probe, indem er ihm eine Riesenauswahl an alkoholischen Getränken mit dem Song „Choose your Poison“ anbietet, und wenn mein Gedächtnis mich jetzt nicht im Stich ließe, ich könnte sicherlich noch einige weitere Beispiele aufzählen.

THE RETURN OF CAPTAIN INVINCIBLE mag aussehen wie ein Trashfilm, aber es darf vermutet werden, dass hier alles so ist, wie es sein sollte. Dennoch teilt mit den besten unter ihnen eine freigeistige Haltung zur Form, einen spielerischen Umgang mit den eigenen Defiziten (die wohl vor allem auf das Budget zurückzuführen sein dürften) und eine Bevorzugung des brillanten Details gegenüber dem Gesamten. Er ist nicht Moras bester Film, aber wer dessen Dekonstruktion längst abgegriffener Stoffe zu schätzen weiß, wird auch diesen in sein Herz schließen. Und besser als die letzten hirntoten Marvel-Großereignisse ist er sowieso.

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