the angry hills (robert aldrich, großbritannien 1959)

Veröffentlicht: April 22, 2013 in Film
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Die Nazis dringen unter der Führung von Gestapo-Mann Heisler (Stanley Baker) in ein griechisches Bergdorf ein, dessen Bewohner – einfache Bauern und Arbeiter – zum Teil der Widerstandsbewegung angehören. Bei einem missglückten Überfall der Partisanen auf ein Waffenlager der Nazis sind bereits etliche von ihnen gefallen. Nun wollen die Deutschen ein weiteres Exempel statuieren. Aus der Schar der übrig gebliebenen Männer sollen zehn hingerichtet werden. Der erste Name wird aufgerufen. Der Mann beteuert, nicht dem Widerstand anzugehören, ein Kollaborateur zu sein. Doch das hilft ihm nicht. „Da siehst du, was du angerichtet hast“, sagt einer der Dorfbewohner. „Wir mögen dich nicht und sie mögen dich auch nicht.“ Eine Gewehrsalve zerreißt den Mann, er fällt tot zu Boden. Der nächste Name wird aufgerufen. Der nächste tödliche Schuss hallt durch die Nacht. Eleftheria (Gia Scala), eine junge Frau aus dem Dorf und Schwester eines der Widerstandskämpfer, wendet sich weinend und voller seelischer Qual ab. Der nächste Name, der nächste Schuss …

Es ist diese Szene, in der es Aldrich gelingt, die Unbarmherzigkeit, zu der Menschen im Krieg fähig sind, das Leid, das sie anderen zufügen, ohne auch nur das geringste Zeichen von Mitgefühl oder Gnade – Menschlichkeit eben – bloßzulegen. Sie erinnert sofort an seine großen Schmerzdarstellungen: Nalinles zerschundene Füße in APACHE, eine Vielzahl von Verletzungen und schmerzverzerrter Gesichter in KISS ME DEADLY, Burt Hansons sich unter der Elektroschocktherapie aufbäumender Körper in AUTUMN LEAVES, die Schreie von Joe Costa in ATTACK!, als ihm ein Panzer über den Arm  rollt. Bei Aldrich verbergen sich hinter äußeren Narben immer auch seelische Wunden: Im Schmerz ist der Mensch bei Aldrich als Ganzes erfasst, man kann sich nicht mehr an ihm versündigen, als ihn zu foltern – die Schäden sind irreparabel. Aber Aldrichs Schmerzensbilder sind auch die grafische Kulmination des inneren Ringkampfs, den seine Protagonisten austragen; ein Ringkampf, der seinerseits Ausdruck sozialer und historischer Verwerfungen ist. Da fällt einem dann auf, wie viele von Aldrichs Filmen zu Zeiten der Krise und der Unsicherheit spielen, vor dem Hintergrund von kriegerischen Auseinandersetzungen und großer sozialer Umbrüche. Die äußeren Umstände erfassen den Menschen, zerreißen ihn, perpetuieren den Status quo oder schaffen die Zäsur, die zur Überwindung führt. Aldrichs Protagonisten stehen vor der Wahl: Weitermachen wie bisher, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren und materiell davon zu profitieren, aber dabei moralisch zu verarmen, oder aber sich aufzulehnen, auch auf die Gefahr hin, dabei unterzugehen.

In THE ANGRY HILLS ist es der amerikanische Kriegsberichterstatter Mike Morrison (Robert Mitchum), der sich entscheiden muss: Will er nur der unbeteiligte Mitläufer sein, der den Krieg, in dem Millionen von Menschen ihr Leben lassen, zum Anlass nimmt, herumzureisen, sich zu betrinken und Frauen unterschiedlichster Herkunft kennenzulernen? Oder will er tatsächlich etwas dazu beitragen, Menschenleben zu schützen und dem Guten – oder zumindest dem, was er dafür hält – zum Sieg zu verhelfen? Zu Beginn ist er kaum mehr als ein Tourist, der die Orte des Sterbens besucht. Als er einen alten Bekannten trifft und diesem lapidar vom Tod eines gemeinsamen Freundes erzählt, steht er dessen sichtlichem Schock geradezu ratlos gegenüber. Schließlich ist Krieg, da sterben nunmal Menschen – so einfach ist das für ihn. Eigentlich will er nur schnellstmöglich in eine Taverne und eine hübsche Griechin auftun, doch dann wird ihm gegen seinen Willen eine Liste zugespielt, die die Namen von 16 griechischen Nazi-Kollaborateuren enthält. Seine Aufgabe besteht darin, die Liste nach England und damit aus der Reichweite der Nazis und ihrer griechischen Helfer zu bringen, die sich ihm sofort an die Fersen heften. Auf der Flucht landet Morrison in einem kleinen Dorf in den Bergen, wo eine Gruppe unerschrockener, aber chancenloser Partisanen den Widerstand probt. Für ihn ist der Überfall auf das Waffenlager zuerst ein Abenteuer, und um sich den Hauch von Autorität und Kompetenz zu verleihen, gibt er sich als Soldat aus. In Wahrheit gehört er nicht dazu, es ist nicht sein Land, dessen Autonomie bedroht ist. Wenn der Krieg vorbei ist, wird er zurück nach Amerika reisen. Eleftheria ist schockiert davon, wie er den Überfall mitplant und über das Leben der Männer verfügt, die ihm doch völlig fremd sind. Wie er plötzlich auftritt, als habe man nur auf ihn gewartet, und sich ganz selbstverständlich in die Rolle des Messias aus dem gelobten Land einfindet, obwohl er doch ein blutiger Amateur ist (was sie nicht weiß). Als es Ernst wird, erkennt er, was es bedeutet, mit Haut und Haaren involviert zu sein. Er hat Angst. Dieses Eingeständnis Mitchums dürfte eine ziemlich ungewöhnliche Dialogzeile für einen amerikanischen Helden in einem Kriegsfilm der Fünfzigerjahre gewesen sein. Mir hat es sich sofort eingebrannt, fast genauso wie das leidende Gesicht der trauernden Eleftheria, als ihre Mitbürger hingerichtet werden. Ein Robert Mitchum, der seine Angst eingesteht: Könnte es etwas geben, was den Wahnsinn des Krieges pointierter darstellt?

Nach dem vereitelten Überfall gibt es einen Bruch in THE ANGRY HILLS. Die „wütenden Berge“ werden verlassen, das Geschehen verlagert sich zurück in die Stadt, die Partisanen und Eleftheria, Morrisons Love Interest, werden zurückgelassen. Nun rückt eine andere Frau in den Mittelpunkt: Lisa Kyriakides (Elisabeth Müller), die Morrison helfen soll, in Wahrheit aber im Auftrag von Heisler handelt. Er ist ihr ehemaliger Ehemann und hat mit ihr zwei Kinder, die er als Druckmittel gegen sie einsetzt: Wenn sie Morrison nicht ausliefert, will er ihre gemeinsamen Kinder töten. Lisa weiß nicht, was sie erschrekcender finden soll: Die Tatsache, dass das Leben ihrer Kinder von einer Entscheidung abhängt, die sie nicht treffen will, oder davon, dass Heisler sein eigen Fleisch und Blut so völlig skrupellos einsetzt wie Chips in einem Kartenspiel. Lisa bleibt eigentlich keine Wahl. Man könnte es ihr nicht übelnehmen, ließe sie Morrison über die Klinge springen. Doch sie ist nicht in der Lage, ein Leben im Austausch für zwei andere zu opfern, auch nicht, wenn es um das Leben ihrer Kinder geht und das Opfer ein Fremder ist. Sie bricht das Spiel ab, schafft die Zäsur. Bevor Morrison unwissend in die Falle tappt, warnt sie ihn. Damit verändert sie die ganze Situation, zwingt die Involvierten zum Innehalten. Morrison ist nun längst nicht mehr nur der unfreiwillig Hineingezogene, der lediglich bemüht ist, seine Haut in Sicherheit zu bringen. Er will Lisas Kinder um jeden Preis retten und die Liste  nach England bringen. Was erstaunlich ist: Je mehr er zum aktiv Handelnden wird, umso mehr verlagert Aldrich sein Interesse zugunsten Heislers. Denn nun ist es an diesem, einen Gesinnungswandel zu vollführen. Ist er wirklich bereit, für den „Endsieg“ seine eigenen Kinder zu opfern?

THE ANGRY HILLS, der auf einem Roman von Leon Uris basiert, ist ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswerter Film. Zum oben erwähnten ängstlichen Mitchum gesellt sich am Schluss auch noch der menschliche Nazi, der in den Fünfzigerjahren wohl eher selten gesehen war und es ja auch heute noch ist. Aldrich glaubt nicht an apriorische Gut-Böse-Zuschreibungen. Der Mensch zeichnet sich durch das aus, was er tut, durch die Entscheidungen, die er trifft. Und jeder hat zu jeder Sekunde die Gelegenheit, sein Handeln zu überdenken, und den Kurs zu wechseln. Wie Sartre das einmal treffend formulierte: Man hat immer die Wahl. Und wenn es der Selbstmord ist. Leider ist THE ANGRY HILLS aber auch sehr zerfahren. Das ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass das Studio diverse Schnitte auferlegte, die den zweistündigen Film auf knapp 105 Minuten herunterkürzten. Welche Passagen und Szenen tatsächlich der Schere zum Opfer fielen, kann ich nicht nachhalten, aber einige Handlungssprünge muten tatsächlich viel zu ungelenk an, als man sie Aldrichs Regie zuschreiben wollen würde. Lisa tritt ohne echte Einführung in den Film (sie wird nur einmal in einem Gespräch erwähnt), wird von Morrison aber schon erwartet. Der Schauplatzwechsel überrascht nicht nur, weil der Film doch THE ANGRY HILLS heißt. Und später erfährt Morrison dann noch sehr beiläufig vom Tod Eleftherias: Auch diese Entscheidung mutet angesichts der Bedeutung, die dieser Figur zuvor beigemessen wurde, rätselhaft an. Diese Sprünge machen es mitunter schwer, dem Geschehen zu folgen. Und so vermute ich, dass man in der Postproduction kurzerhand einige „Bindeglieder“ entfernte, die einen weicheren Übergang zwischen dem ersten und dem zweiten Teil des Films geschaffen hätten. THE ANGRY HILLS ist daher nicht ganz einfach – und schon gar nicht fair – zu bewerten. Was man sieht, zeugt von der Meisterschaft und dem Humanismus Aldrichs. Das große erzählerische Talent, das etwa aus VERA CRUZ einen so meisterhaft strukturierten und konstruierten Western machte, scheint hier jedoch zumindest streckenweise ausgehebelt.

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