winnetou 2. teil (harald reinl, deutschland/frankreich/italien/jugoslawien 1964)

Veröffentlicht: April 5, 2014 in Film
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Im Text zum Vorgänger schrieb ich, dass Winnetou „messianische Züge“ trage, seine Geschichte, wie sie in der Trilogie erzählt wird, gewissermaßen eine Messias-Geschichte ist. Wenn man diese These annehmen möchte, dann markiert der zweite Film den Moment in Winnetous Biografie, in dem er endgültig erkennt, dass er eine größere Aufgabe auf der Welt hat, dass seine eigenen persönlichen Interessen und Wünsche hinter dieser zurückstehen müssen, dass er im Dienste eines größeren Ganzen agiert. WINNETOU 2. TEIL ist ein trauriger Film, und bei aller in dieser Traurigkeit noch zum Ausdruck kommenden Romantik ist er schon von einer Ahnung des kommenden Unheils durchzogen. Man spürt, dass diese Geschichte nicht nur gut ausgehen wird, dass es nur ein mögliches Ende gibt. Und auch Winnetou spürt das. Er bereitet sich hier auf den Gedanken vor, für seine Sache sterben zu müssen. Mehr noch, er trifft hier den Entschluss, sich für seine Sache zu opfern. Man sieht es in seinem Blick: die Erkenntnis, dass sein Leben nicht ihm allein gehört.

Old Shatterhand weiß von all dem nichts. Mit großem Eifer wirft er sich für die gute Sache ins Zeug, aber letztlich ist er nur ein Abenteurer, ein aktiver Zuschauer. Welche Tragweite die Ereignisse des zweiten Teils haben, welche unausweichlichen Folgen mit seinen und Winnetous Handlungen verbunden sind, welche Gewalt die Lawine entwickelt, die sie lostreten, davon hat er vielleicht eine leise Ahnung: Wirklich betreffen, im Innersten treffen, tut ihn das alles nicht. Wie auch: Er ist ein Zugereister und nichts hindert ihn daran, in ein Schiff zu steigen und in seine Heimat zurückzukehren. Selbst wenn er das nicht vorhat: Diese Möglichkeit ist immer da und sie ist das, was ihn von seinem Indianerbruder unterscheidet. Er ist nur Zeitzeuge, Besucher, Protokollant. Die Freundschaft zwischen beiden, die ja eine Blutsbrüderschaft ist, gründet im gegenseitigen Vertrauen, vor allem aber in Winnetous politischer Weitsicht – er weiß, dass er den Weißen gut gebrauchen kann: Aber eine tiefe seelische Verbindung zwischen beiden gibt es nicht. Auch wenn das suggeriert wird, um den weißen Zuschauer bei Laune zu halten. Es ist unerlässlich, dass Shatterhand „draußen“ bleibt. Und so hält Winnetou ihn immer auch ein Stück auf Distanz.

In WINNETOU 2. TEIL droht der Konflikt zwischen den Weißen und den Indianern zu eskalieren: Diesmal ist es die Bande von Forrester (Anthony Steel), die einen Konflikt zwischen den Parteien provozieren will, um das Indianerland und die darin verborgenen Ölvorkommen in ihren Besitz zu bringen. Der Plan scheint aufzugehen, der drohende Krieg wird erst verhindert, als der junge Lieutenant Merrill (Terence Hill), Sohn des Befehlshabers von Fort Niobara, mit der Heirat von Ribanna (Karin Dor), ihres Zeichens Tochter des Häuptlings der Assiniboin, ein Signal der Einheit von Weißen und Indianern setzt. Für Winnetou (aber auch Ribanna) bedeutet dies ein großes Opfer, sind beide doch in Liebe verbunden: Stillschweigend erbringt Winnetou dieses Opfer, wissend, dass es die letzte Chance ist, den Frieden zu bewahren. Der Kampf gegen Forrester eskaliert noch einmal, als der Schurke das junge Ehepaar in seine Gewalt bringt.

Der finale Shootout, von Reinl für beide Konfliktparteien wieder überaus verlustreich in Szene gesetzt, steht dann auch deutlich im Schatten von Winnetous innerem Tumult, der das dramatische Herz des Films ist. Es ist, als betrachte man ihn durch einen Tränenschleier. Und wenn er dann – meines Wissens zum einzigen, in jedem Fall aber zum ersten Mal in den Karl-May-Filmen – seine ikonisch gewordene Bekleidung ablegt, mit freiem Oberkörper in die Grotte taucht, in der sich Forrester mit seinen Männern und Ribanna verschanzt hat, wie ein Rachegeist auftaucht, um die Geliebte, mit der er nicht mehr sein darf, zu retten, dann gewinnt er für einen kurzen Augenblick jene Körperlichkeit, die er ihm bis zu seinem Tod im finalen dritten Teil sonst vollkommen abgeht (die Szene erinnert fast ein bisschen an RAMBO: FIRST BLOOD PART II). Der Moment markiert auch eine Zäsur: Es ist gewissermaßen Winnetous Abschiedsgruß, bevor er sich endgültig auf den Status des Propheten und Heilsbringers verlegt.

 

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