polizeirevier davidswache (jürgen roland, deutschland 1964)

Veröffentlicht: August 7, 2015 in Film
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$T2eC16ZHJF0E9nmFSs4-BQNQ4NBnnw~~60_57Mit POLIZEIREVIER DAVIDSWACHE gelang Jürgen Roland so etwas wie die Wiedergeburt des St.-Pauli-Films. Das Subgenre war seit den Tagen von Hans Albers etwas in Vergessenheit geraten, sollte das deutsche Kino und sein Publikum dank Rolands Geniestreich aber nun für die nächsten ca. zehn Jahre mit seiner bunten Mischung aus Sex, Crime, Komödie und Tragödie  weiter in Bann schlagen. Es folgten neben Rolands eigenen Beiträgen – DIE ENGEL VON ST. PAULI und JÜRGEN ROLAND’S ST. PAULI-REPORT – vor allem die Filme von Rolf Olsen – WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEPERBAHN, DER ARZT VON ST. PAULI, AUF DER REEPERBAHN NACHTS UM HALB EINS, DAS STUNDENHOTEL VON ST. PAULI, DER PFARRER VON ST. PAULI, KÄPT’N RAUBEIN AUS ST. PAULI – sowie weitere, von denen hier exemplarisch nur Staudtes FLUCHTWEG ST. PAULI, Bénazérafs ST. PAULI ZWISCHEN NACHT UND MORGEN oder Alfred Weidenmanns UNTER DEN DÄCHERN VON ST. PAULI genannt seien. Alle gehen sie auf POLIZEIREVIER DAVIDSWACHE zurück, der aber nicht nur als St.-Pauli-Film überzeugt, sondern als Meisterstück des deutschen Crime- und Polizeifilms angesehen werden muss.

Jürgen Rolands Fähigkeit, Inspirationen aus der Realität in griffige Filmbilder und -handlungen zu übersetzen und die Sprache der „einfachen Leute“ einzufangen sowie seine Kenntnis des Kiezes und des Polizeidienstes sind in POLIZEIREVIER DAVIDSWACHE ebenso augenfällig wie seine Filmbildung, die wesentlich amerikanisch geprägt ist. Wenn er den Voice-over-Kommentator schon zu Beginn vorausschicken lässt, dass der eben eingeführte Protagonist, Hauptwachtmeister Glantz (Wolfgang Kieling), am Ende des kommenden Tages tot sein wird, liefert er nicht nur den äußeren Rahmen für seine kolportagehaft erzählte Geschichte, er holt auch den Zuschauer mit ins Boot, der den Fortgang des Unausweichlichen nun gebannt verfolgt. Glantz hatte vor einigen Jahren den Berufsverbrecher Bruno Kapp (Günther Ungeheuer) ins Gefängnis gebracht, der nun kurz vor der Entlassung steht. Dessen naive Lebensgefährtin, die Arbeiterin Margot (Hannelore Schroth) warnt Glantz, dass Bruno ihn umbringen wolle, doch der vertraut auf die Intelligenz des Ganoven: Schließlich war Bruno damals schuldig gewesen, warum sollte er sich also rächen? Roland verfolgt in der verbleibenden Spielzeit den fiesen Bruno, der mit dem jungen Manfred (Jürgen Draeger) den nächsten Coup plant und dazu die ahnungslose, gutmütige Margot für seine Zwecke missbraucht. Indessen gehen Glantz und sein Kollege Schriever (Günther Neutze) ihrer Arbeit nach. Sie machen ihre Kontrollgänge über die Reeperbahn oder fertigen die „Kunden“ ab, die in die Davidswache kommen: Meist sind es Freier, die sich geprellt fühlen und für die nötige Komik sorgen. Besonders toll ist der Auftritt von Hanns Lothar als betrunkener Geschäftsmann, der sein Taxi nicht bezahlen kann und nun äußerst indigniert immer wieder betont, aus welch feinem Hause er komme. „Wir haben Hühnerbraten gegessen. MIt Spargel. Da können sie mal sehen, was für ein Mensch ich bin.“ Göttlich! Sehr schön ist auch eine Szene mit dem jungen Ernst H. Hilbich, dessen Charakter in einem Amüsierbetrieb nach Strich und Faden ausgenommen wurde und nun vor dem strengen Richter (Dieter Borsche) aussagen muss. Aber es ist ungerecht, einzelne Episoden herauszupicken, weil eigentlich jede Szene für sich ein kleines Wunder ist.

Was POLIZEIREVIER DAVIDSWACHE (aber auch ST. PAULI ZWISCHEN NACHT UND MORGEN, for that matter) den späteren St.-Pauli-Filmen voraus hat, ist diese umwerfende Schwarzweiß-Fotografie (hier von Kameramann Günther Haase). Sie verleiht dem Film eine Noir-artige Schicksalsschwere einerseits, eine gewisse Trockenheit andererseits. Wo später bei Olsen Sleaze und Kintopp regieren (was freilich auch eine Schau ist), ist Roland eher daran gelegen, ein deutsches Äquivalent zum amerikanischen Copfilm oder zur Schwarzen Serie hinzulegen. Die einleitende schriftliche Erinnerung, dass sich POLIZEIREVIER DAVIDSWACHE an wahren Begebenheiten orientiert, und der auktoriale Voice-over-Kommentar, der das Ende des Films bereits vorwegnimmt (das dann trotzdem ganz anders aussieht, als man es erwartet), verleihen dem Film Dringlichkeit und Authentizität. Man ist hautnah dabei, wie das Schicksal zuschlägt, und staunt nur über die Haken, die es schlägt. Wie Roland (nach einem Drehbuch des großen Wolfgang Menge) die vielen handelnden Personen hier miteinander verbindet und bei größter erzählerischer Lockerheit dennoch höchst stringent auf sein Ende zuläuft, ist nicht weniger als meisterhaft. Glantz und Margot werden einem noch lange im Gedächtnis bleiben. POLZEIREVIER DAVIDSWACHE ist ein moderner Klassiker, der den Vergleich mit den großen deutschen Meisterwerken nicht zu scheuen braucht. Und genau genommen auch nicht mit den viel gerühmten französischen oder amerikanischen Genrevertretern. Ein wunderbarer Film, voller Leben und Geheimnisse, fantastisch gespielt und traumhaft anzuschauen. Dazu noch urdeutsch, aber eben kein Stück spießig.

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