rampage (phil karlson, usa 1963)

Veröffentlicht: August 28, 2015 in Film
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Ich bin beim Durchforsten der Titel der Warner Archive Collection auf den mir zuvor völlig unbekannten RAMPAGE (deutscher Titel: BRING SIE LEBEND HEIM oder auch IM BANNE DER ROTEN TIGERIN) gestoßen, dessen Covermotiv und Inhaltsangabe mich sofort für ihn eingenommen haben. Es geht um den Fallensteller Harry Stanton (Robert Mitchum), der von einem deutschen Zoo (eigentlich ist es der Zoo von San Diego) den Auftrag erhält, im Urwald von Malaysia „The Enchantress“, eine mythenumwobene Raubkatze, halb Leopard, halb Tiger, einzufangen. Ich versprach mir davon einen farbenfrohen – noch dazu vergessenen – Abenteuerfilm mit Fantasy-Einschlag, den man als Freund des abseitigen Films nur ins Herz schließen kann. Und dass auf dem Regiestuhl Phil Karlson saß, der u. a. den tollen Redneck-Actioner WALKING TALL und den rohen Rachefilm FRAMED zu verantworten hat, schadete auch nicht. RAMPAGE stammt noch aus einer Zeit, als auch den großen Filmstudios mal ein gnadenloser Heuler entfleuchte, den sie sich heutzutage längst nicht mehr erlauben würden – oder zumindest mit so viel Knete aufmotzen, bis er wie eines ihrer typischen Hochglanzprodukte aussieht. Karlsons Film fährt neben der namhaften Besetzung einiges an Schauwerten auf – gedreht wurde auf Hawaii –, kann aber zu keiner Sekunde verbergen, dass seine Wurzeln in der Groschenheft-Literatur liegen, das Drehbuch eilig auf einen Bierfilz gekritzelt wurde und das Budget auch eher karg war. Ich habe mich wirklich angestrengt, RAMPAGE zu mögen, aber es ist mir bis zum Schluss nicht gelungen.

Erzählt werden im Grunde zwei Geschichten, die sich gegenseitig spiegeln sollen, sich aber letztlich nur gegenseitig die Zeit wegnehmen. Hauptplot ist die Jagd auf „The Enchantress“ und zwei Tiger, auf die sich Harry zusammen mit dem reichen Großwildjäger Otto Abbot (Jack Hawkins) und dessen Jahrzehnte jüngerer Geliebte Anna (Elsa Martinelli) begibt. Harry ist der Meinung, dass es falsch ist, Tiere aus purer Lust zu töten, Otto hingegen vertritt die Ansicht, dass erst ein konserviertes, ausgestopftes Tier wahre, unvergängliche Schönheit verkörpert. Ihre beiden unterschiedlichen Haltungen treten auch in ihrer Stellung zu Anna zu Tage, die Harry sofort gefällt. Otto lernte die Frau als 14-jähriges Waisenkind kennen, nahm sie sofort zu sich und gab ihr einen neuen Namen, weil ihm der Klang ihres echten Geburtsnamens nicht gefiel – der Film verschleiert nicht die unangenehmen Implikationen, die mit dieser Geschichte einhergehen. Es ist klar: Auch sie ist nur ein Trophäe für ihn, mit deren Fang er sich brüstet. Dass Harry ihm gegenüber keinen Hehl daraus macht, dass er sie für sich gewinnen möchte, betrachtet er nicht als Affront, sondern als Bestätigung für seinen exzepttionellen Geschmack und als sportliche Herausforderung. Das ändert sich jedoch, als Anna ihm am Ende tatsächlich den Laufpass gibt und sich für Harry entscheidet: Da rastet Otto aus, lässt „The Enchantress“ frei und geht auf die titelgebende „Rampage“.

Der Film krankt vor allem an einem elendig umständlichen Drehbuch, das den Zuschauer mit einer halben Stunde Dialogexposition befrachtet, bevor er endlich im Urwald ankommt. Doch auch dann wird RAMPAGE nur geringfügig interessanter. Dass Harry und Anna zusammenfinden werden, ist schon früh beschlossene Sache, und auch die kleinen Konflikte, die ihnen in den Weg gelegt werden, sind stets als Klischees zu erkennen, die keine Folgen nach sich ziehen werden. Die Jagd auf die Tiger ist ebenso schnell abgefrühstückt wie die Suche nach „The Enchantress“, die sich leider als nur etwas angemalter Leopard entpuppt. Augenfällig ist auch, dass für aufwändige Tieraufnahmen oder Stunts, wie man sie etwa aus HATARI! kennt, kein Geld da war. Erst zum Finale hin kommt in Harrys Auseinandersetzung mit dem Fabeltier in einer Höhle und dem Schlusskampf gegen Otto auf nächtlichen Häuserdächern etwas Spannung auf, aber zu diesem Zeitpunkt hat man auch schon über eine Stunde darauf gewartet, dass irgendwas passiert. Auch die Charaktere sind flach und eindimensional, die Schauspieler bekommen fast nichts zu tun. Mitchum ist MItchum, Hawkins ein Ekel und die schöne Elsa Martinelli, die in LA RISAIA noch mit burschikoser Aufmüpfigkeit erotisierte, erinnert als vornehme Society-Dame mit weißemTeint tatsächlich an eine Mumie. Geradezu schmerzhaft ist es aber, wie mit Sabu umgegangen wird: Als 12-Jähriger für den Film ELEPHANT BOY entdeckt, bestätigte der gebürtige Inder seinen Publikums-Appeal in Zoltan Kordas THE DRUM, bevor er mit den Klassikern THE THIEF OF BAGDAD und JUNGLEBOOK zum Star avancierte. Es ist ein Beispiel für den damals vorherrschenden Alltagsrassimus, dass man mit ihm nicht mehr anzufangen wusste, als ihn immer wieder in Nebenrollen als agilen „Eingeborenen“ oder „Ausländer“ zu besetzen, und er ist gewiss auch nicht der erste Kinderstar, dessen Ruhm an der Schwelle zum Erwachsenwerden verblasste. Aber ihn hier, im Jahr seines tragischen Todes im Alter von nur 39 Jahren (posthum erschien noch A TIGER WALKS), in einer absolut unwürdigen Rolle als rassistisches Klischee des stets gutmütig grinsenden, den weißen Herrenmenschen sklavisch ergebenen, seine Ehefrau andienenden, lendenbeschürzten Urwaldbewohner zu sehen, erstickt noch den letzten Funken von goodwill, den man für RAMPAGE hatte.

Kommentare
  1. Ghijath Naddaf sagt:

    Von Karlson kann ich Phenix City Story, 99 River Street und Gunman´s Walk absolut empfehlen.
    Gerade Phenix City Story ist eine ungeheuer brutale Granate.

    • Oliver sagt:

      Wir hatten das Thema irgendwo schon einmal, glaube ich. 🙂 Lukas Foerster, der meines Wissens irgendwo mal ne Karlson-Retro verfolgt hat, schrieb mir eben, dass die Sechzigerjahre wohl ein eher problematisches Jahrzehnt für den Regisseur waren. RAMPAGE ist echt … schwierig.

  2. Marcos sagt:

    Karlson wurde mal zu den „angry men“ gezählt wie Aldrich, Siegel, Fuller, Sturges… war da für mich zwar der Schwächste, aber irgendwie auch interessant-geheimnisvoll. Ich kenne wenig von ihm. Ghijaths Empfehlungen nehme ich auch mal gleich für mich in Anspruch. DER VIERTE MANN (KANSAS CITY CONFIDENTIAL) gefiel mir vor 20 Jahren sehr gut. DAS WESPENNEST war kurios. Ebenso sein Elvis-Vehikel KID GALAHAD (genau wie Siegel musste er auch eins machen), oder sein Matt-Helm-Film ROLLKOMMANDO. Die hatten alle einen schrägen Touch. Als ich RAMPAGE las, dachte ich zuerst, es ginge um den Friedkin-Film, der vielelicht endlich irgendwo ne vernünftige Veröffentlichung erfahren hat.

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