Mit ‘John C. McGinley’ getaggte Beiträge

Oliver Stone war früher, während meiner Teenagerzeit und auch noch später, während meines Studiums, einer meiner absoluten Lieblingsregisseure, NATURAL BORN KILLERS ein Film, der die Art und Weise, wie ich Film wahrgenommen habe, komplett veränderte. In den letzten zehn, fünfzehn Jahren fand dann aber eine zunehmende Entfremdung statt: Stones aufklärerischer, pädagogisch-didaktischer Impetus stößt mir heute eher sauer auf. Oder vielmehr: Er langweilt mich ein bisschen. Ich finde, dass zahlreiche der schöpferischen Möglichkeiten, die Film bietet, ungenutzt bleiben, wenn man ihn lediglich als Vehikel zum Transport einer wie auch immer gearteten Botschaft begreift. Es gibt nicht viel Bewegungsmöglichkeit in Stones Filmen, keine Zwischenräume und kein Zwielicht, nur Ja und Nein, Zustimmung oder totalen Widerspruch. WALL STREET ist demzufolge der erste Film von Stone, den ich nach SAVAGES gesehen habe, dem ebenfalls schon eine langjährige Abstinenz vorausging, die bis ins Jahr 2009 zurückreicht, als mal wieder NIXON dran gewesen war. Und was soll ich sagen: Es war schön.

WALL STREET stammt aus einer Zeit, als Stone ja noch den „jungen Wilden“ zugerechnet werden konnte. Mit PLATOON hatte er eben erst seinen großen Durchbruch gefeiert und das Bild, das man von ihm und seinen Filmen hatte, war längst noch nicht so scharf konturiert, wie es dann wenige Jahre später der Fall sein sollte. Auch WALL STREET hat natürlich ein Thema, lässt keinen Zweifel daran, wo Stones Sympathien liegen, dennoch geht der Regisseur meines Erachtens deutlich spielerischer und entspannter mit seinem Sujet um, als man es einem Mann mit Mission gemeinhin zubilligt. Der Film ist spannend, witzig und schlagfertig und für jemanden mit einem derart ausgeprägten Achtzigerjahre-Fetisch, wie ich ihn habe, eine Offenbarung. Das Tempo, das Stone anschlägt, um eine erzählerische Entsprechung zur Hektik der Börsenwelt mit ihren im Sekundenrhythmus reinrauschenden Gewinn- und Verlustmeldungen, enthemmt durcheinander schreienden Brokern und klappernden Tastaturen zu finden, erinnert fast schon an Billy Wilder oder Howard Hawks. In deren Gesellschaft ist WALL STREET eh gut aufgehoben, wenngleich Stone sich von den beiden Genannten durch seinen ungebrochenen Idealismus abhebt: Bei ihm bekommt der böse Spekulant Gordon Gekko (Michael Douglas) am Ende sein Fett weg und der reuige Held Bud Fox (Charlie Sheen) muss immerhin Buße tun, um für seine Taten zu bezahlen.

Auch der Auftakt erinnert etwas an die überdrehten Screwball-Komödien der Dreißigerjahre: Sinatra trällert „Fly me to the Moon“ (OK, ol‘ blue eyes sang seine Lieber erst etwas später), während Impressionen des erwachenden Manhattans über die Leinwand flimmern. Doch statt des sentimental aufgeladenen Sepiatons alter Fotografien ist es ein Eighties-typischer Farbfilter, der alles in ein bronze glänzendes Braun taucht. Auch die Bilder der im Anzug auf die Straßen und in die Bürotürme eilenden Menschen sind nicht mehr von jener enthusiastischen Lebendigkeit geprägt, keine ermutigende Vision des Realität gewordenen amerikanischen Traums, sondern erinnern fatal an die Visionen Romeros, der in DAWN OF THE DEAD amerikanische Bürger zeigte, die als Zombies in einer ewig währdenden Simulation ihres vergangenen Alltags gefangen sind. Das „geschäftige Treiben“ hat in WALL STREET kannibalistische Züge angenommen und darum geht es ja dann auch: um das survival of the fittest an der Börse, das als „Überleben der Stärksten“ nur unzureichend übersetzt ist. Denn nicht  der stärkste gewinnt, sondern der gierigste, abgebrühteste, skrupelloseste, der, der Moral und abendländische Werte verwirft und nur noch dem Paradigma des Kapitals folgt, nach dem eben der im Recht ist, der am meisten hat.

Der Film ist auch ein Duell seiner beiden Hauptdarsteller. Michael Douglas legte hier den Grundstein für seine Karriere als Arschloch vom Dienst und spricht die grandiosen, geschliffenen Mono- und Dialoge von Oliver Stone mit gespaltener, aber rasender Zunge. Es macht Freude ihm zuzusehen, weil er sich vom Tempo des Films mitreißen lässt und es in seinen Szenen selbst noch forciert. Charlie Sheen hat den uninteressanteren Part als staunender Grünschnabel und die Freude an seiner Darbietung resultiert nicht zuletzt an der Kluft zwischen diesem „unschuldigen“ Jungerwachsenen von einst, der erst durch die Versuchung durch einen mephistophelischen Bösewicht abfällt, und dem Wissen um sein heutiges drogenfressendes, nuttenverschleißendes Ich. Diese klare Figurenkonstellation ist aber auch die Crux des Films: Stone sieht die Probleme nicht so sehr im Kapitalismus an sich, sondern erst im Missbrauch durch schurkische Brutalkapitalisten vom Schlage Gekkos. Während ein Lou Mannheim (Hal Holbrook) als Generator altersweiser, humanistischer Aphorismen den traditionsbewussten Kaufmann alter Schule verkörpert, zitiert Gekko die kriegsstrategischen Leitsätze Sun Tzus. Es schwingt schon auch ein bisschen Bewunderung für die Abgewichstheit der Gekkos dieser Welt mit. Aber das trägt ja eigentlich nur dazu bei, WALL STREET zu einem der quintessenziellen Filme der Achtzigerjahre zu machen.

Marvin Mange (Rob Schneider) ist ein freundlicher Versager. Allzu gern würde er seinem verstorbenen Vater, einem ehemaligen, mehrfach geehrten Polizisten, nacheifern, doch Jahr für Jahr scheitert er aufgrund mangelnder Fitness an der Aufnahmeprüfung. So fristet er ein trauriges Dasein in der Asservatenkammer, wo er dem Spott kleiner Kinder auf Berufserkundung und Sergeant Sisk (John C. McGinley) ausgesetzt ist. Alles ändert sich, als Marvin einen schweren Unfall erleidet und von einem freundlichen Mad Scientist (Michael Caton) mit Tierorganen zusammengeflickt wird. Plötzlich hat er einen unerschöpfliche Ausdauer, immense Kraft sowie geschärfte Geruchs- und Gehörsinne – leider aber auch einen unkontrollierbaren Hunger und Sexualtrieb. Das erschwert nicht nur seine Annäherungsversuche an die Tierpflegerin Rianna (Colleen Haskell), sondern scheint ihn des Nachts auch in eine reißende Bestie zu verwandeln. Bald wird ein Mob auf ihn angesetzt …

Man verzeihe mir meinen derzeitigen Hang zum Klamauk, aber für meine derzeitige Verfassung sind solche leichten Filme einfach ideal. Bei denen ist es auch nicht so schlimm, wenn die Müdigkeit zuschlägt und ich nach einer Stunde abbrechen und am nächsten Tag weitergucken muss. Dass ich ein Faible für Klamauk habe, ist Lesern meines Blogs wahrscheinlich auch nicht entgangen. Und Rob Schneider, ein viel geschmähter Komiker aus dem Sandler- und SNL-Umfeld, ist tatsächlich sehr viel lustiger als sein Ruf. Für diese etwas seltsamen, tolpatschigen Underdogs, die unermüdlich davon träumen, einmal auf der Siegerseite des Schicksals zu stehen, ist er wie gemacht. Auch der ihm auf den Leib geschriebene THE ANIMAL, sein zweiter „großer“ Film nach etlichen Nebenrollen, nutzt Schneiders glubschäugiges Gesicht, seine störrische Wuschelmähne und seine linkische Verletzlichkeit zu größtmöglichem Effekt. Das Drehbuch von Tom Brady und Schneider himself etabliert den bemitleidenswerten Sonderling als tragisches Stehaufmännchen, bevor es ihm seine Triumphe gönnt und melkt die absurde Prämisse dabei bis auf den letzten Tropfen. Marvin erliegt einem Fressrausch in einer Metzgerei, Marvin wiehert beim Anblick einer schönen Frau wie ein Pferd und vergeht sich schnaufend an einem Briefkasten, Marvin markiert sein Revier, Marvin verführt eine läufige Ziege, Marvin prügelt sich mit einem Orang-Utan, Marvin leckt sich den eigenen Schritt. Es sind erwartbare Zoten, die der Film mit Gusto reißt, aber weil das Timing stimmt und Schneider so wunderbar den gedemütigten Trottel geben kann, funktionieren sie fast alle. Es gibt außerdem noch einen schönen Subplot um Marvins schwarzen Kumpel Miles (Guy Torry), der überall, wo man freundlich und zuvorkommend zu ihm ist, Reverse Racism vermutet – und was zunächst eine paranoide Marotte zu sein scheint, erweist sich bald als zutreffend. Es ist ein für die eigentliche Handlung unwichtiger Nebenstrang, aber er wertet THE ANIMAL gehörig auf, weil er jene Intelligenz erkennen lässt, die man angesichts der Vielzahl an ordinären Herrenwitzen eher nicht vermuten würde.

Dass THE ANIMAL dennoch kein vergessener Klassiker der Low-Brow-Comedy, sondern nur ein guter Vertreter dieser verfemten Gattung ist, liegt vor allem daran, dass der Übergang von der reinen Gagparade zum eher dramatischen, erzählerischen Teil des Films nicht funktioniert bzw. reichlich holprig vonstatten geht. Der Konflikt des Films wirkt reichlich aufgesetzt, wird dann in Windeseile zwischen Tür und Angel aufgelöst. Die Idee, Marvin auf Werwolf-artige nächtliche Raubzüge zu schicken, ist ja eigentlich sehr naheliegend und komisch, aber das Drehbuch etabliert diesen Strang erst überaus nachlässig, lässt die Auflösung dann schlagartig vom Himmel fallen. Man merkt, dass sich niemand wirklich für diesen Teil des Films interessiert hat und das Hauptaugenmerk der Autoren darauf lag, sich lustige Situationen für den tierischen Helden auszudenken. Durchaus verständlich, wie ich finde. Aber es ist ja ein bekanntes Problem, dass moderne Komödien sich schwer damit tun, eine Geschichte zu erzählen, die nicht wie ein notwendiges Übel erscheint. Und nicht alle Filmemacher haben den Mut, konsequenterweise ganz auf einen Plot zu verzichten – so wie Dennis Dugan das in GROWN UPS erfolgreich exerziert hat. Und die genretypische Love Story von THE ANIMAL kommt nicht zuletzt daher so schrecklich schematisch rüber, weil Marvins Love Interest fürchterlich gesichtslos bleibt und ihre Darstellerin mit ihrem zuckersüßen Mauselächeln vor allem Aggressionen weckt. Die Liebe, die sich in THE HOT CHICK zwischen den beiden besten Freundinnen anbahnt, ist um ein Vielfaches lebendiger, echter und sympathischer, als die Spießerliebe, die sich in THE ANIMAL anbahnt. Aber wie ich schon sagte: Der Schwerpunkt des Films liegt woanders und wer Spaß an wildem Klamauk hat, der wird hier durchaus fündig werden. Meine Frau und ich haben jedenfalls herzhaft gelacht. Nuff said.