Mit ‘Science Fictiion’ getaggte Beiträge

ANT-MAN stellte zusammen mit GUARDIANS OF THE GALAXY einen Außenseiter im Rahmen des MCU dar. Nicht nur, dass er sich mit seinem Helden einer Figur der zweiten oder sogar dritten Reihe widmete (Hank Pym/Ant-Man gehörte zwar zur Erstbesetzung der Avengers, spielte in den Comics aber über viele Jahre keinerlei Rolle), er wartete auch nicht mit dem Ernst, der Epik oder dem Heldenpathos der Filme seiner berühmteren Kollegen auf, sondern bemühte die Form einer mit Elementen des Science-Fiction-Films der Fünfzigerjahre gespickten Außenseiterkomödie. Aufregung gab es, als der beliebte Regisseur Edgar Wright, der auch das Drehbuch geschrieben hatte, während der Dreharbeiten hinwarf, frustriert von der Einmischung der Produzenten, und an den weitestgehend unbekannten Peyton Reed übergab. Der Wechsel auf den Regiestuhl tat dem Erfolg aber keinen Abbruch: Marvel konnte offensichtlich nichts falsch machen.

ANT-MAN AND THE WASP schließt inhaltlich an CAPTAIN AMERICA: CIVIL WAR an und ihm kommt die angesichts seiner konzeptionellen Leichtfüßigkeit etwas überraschende Rolle zu, zusammen mit CAPTAIN MARVEL das Feld für den großen AVENGERS: ENDGAME zu bereiten. Letztlich – und hier komme ich zum ersten und auch letzten Mal in diesem Text zur Kritik am MCU – beschränkt sich diese Funktion auf die berühmte Post-Credit-Szene, ansonsten könnte ANT-MAN AND THE WASP auch ganz für sich allein stehen. Und das ist auch ganz gut so, denn er profitiert erheblich davon, dass er sich eine Ecke weniger Ernst nimmt als seine großen Kollegen und die Stärken Rudds, die nun einmal nicht in der Ausübung von Martial-Arts-Fights, in seiner Furchtlosigkeit bei diversen Stunts oder im Schwingen wortreicher Ansprachen liegt, sondern in seinem charmanten Durchschnittlichkeit und der Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, ohne dabei zur Witzfigur zu geraten. Die Handlung von ANT-MAN AND THE WASP passt wieder einmal auf einen Bierdeckel: Scott Lang hilft Hank Pym (Michael Douglas) und dessen Tochter Hope (Evangeline Lilly) dabei, Ehefrau respektive Mutter Janet (Michelle Pfeiffer) aus der Quantensphäre zurückzuholen, in der sie vor Jahrzehnten bei einer Mission verloren ging. Das Vorhaben wird durch das Eingreifen des kriminellen Sonny Burch (Walton Goggins) sowie das FBI erschwert, das Scott seit seinem Einsatz in CIVIL WAR unter Hausarrest gestellt hat. Die Action-Set-Pieces sind recht ökonomisch über den Film verteilt, stattdessen konzentriert ich Reed auf humorige Verwicklungen, bei denen besonders Sidekick Michael Peña hervorsticht. Der war schon im Vorgänger der heimliche Star und hat auch hier wieder die meisten Lacher auf seiner Seite. Sein beste Szene aus dem Vorgänger, in dem er als aufgeregter Voice-over-Erzähler eine Sequenz quasi synchronisieren durfte, wird hier noch einmal wiederholt und dabei sogar noch getoppt. Es ist nur eine von vielen guten Ideen, die hier einfach mit dem nötigen Händchen umgesetzt werden.

Wenn es mal turbulent wird, kommen dem Film die vielen Möglichkeiten, die die Vergrößerung bzw. Verkleinerung bei der Choreografie bieten, sehr zugute. Da werden diesmal Ameisen auf Hundeformat vergrößert, kommen in einer Verfolgungsjagd Miniautos zum Einsatz, die andere Fahrzeuge „wegboxen“, indem sie plötzlich auf Normalgröße geschaltet werden, gibt es einen Ant-Man-Anzug mit Fehlfunktion sowie ein Haus, das als Trolley mitgeführt werden kann. Im Finale schlägt der Film die Brücke um Kaiju Eiga, ein Laptop verwandelt sich für die verkleinerten Protagonisten in ein Drive-in-Kino (das natürlich den Ameisenfilmklassiker THEM! zeigt) und die Schlusscredits erwärmen das Herz mit ihren Spielzeugnachstellungen der spektakulärsten Szenen des Films. Man kann ANT-MAN AND THE WASP ganz gewiss vorwerfen, nur wenig mehr als kurzweilige Zerstreuung zu bieten, die kaum Langzeitwirkung entfaltet, aber mir gefällt das zumindest für eine Sichtung sehr gut. Wo der „Hauptstrang“ des MCU für mich oft daran krankt, sich und seine Geschichten viel zu Ernst zu nehmen, kommt Reeds Film den Wurzeln des zugrundeliegenden Printmediums im unschuldigen Pulp sehr viel näher. Ich mag das.

escape-from-new-york-posterIch beginne mit einer fürchterlich ketzerischen Aussage: Gemessen an dem, was ESCAPE FROM NEW YORK in den ersten Sekunden für eine Prämisse aufbaut, ist der Film eine fürchterliche Enttäuschung. Das Gefängnis Manhattan, laut Vorspann ein Kriegsgebiet, in dem sich der Abschaum der USA gegenseitig die Köpfe einschlägt, ist bis auf ein paar verdreckte Penner nahezu völlig entvölkert und Ghetto-Zaren wie der Duke laufen in den Blaxploitation-Filmen der Siebziger eigentlich in jeder amerikanischen Stadt herum. Carpenters hätte streng genommen ein deutlich größeres Budget gebraucht, um seine Vision adäqaut zum Leben zu erwecken. So konnte er es sich noch nicht einmal leisten, tatsächlich in New York zu drehen: Bis auf ganz wenige Szenen diente St. Louis als Stand-in für die Ostküstenmetropole. ESCAPE FROM NEW YORK wirkt klein und beengt, eine Low-Budget-Affäre, die deutlich mehr abbeißt, als sie kauen kann, wenn man so will.

Bevor ich jetzt aber vom aufgebrachten Internetmob zur Schlachtung freigegeben werde, sei gesagt, dass diese Mängel dem Film kein bisschen schaden.Im Gegenteil. ESCAPE FROM NEW YORK ist natürlich super, einer der besten Filme aller Zeiten, und er schafft das fast ausschließlich über die Etablierung einer schwer zu beschreibenden Atmosphäre und seines glorios abgefuckten Helden. Carpenter hat gleich in mehrerer Hinsicht einen ziemlich zynischen Kommentar zur präapokalyptischen Welt der Achtzigerjahre abgegeben: Der Staat hat vor dem amoklaufenden Verbrechen vollends kapituliert, eine seiner größten Städte aufgegeben, nun macht er das Schicksal der Menscheit auch noch von einem Mann abhängig, dem alles scheißegal ist. Lee van Cleef stattet seinen Hauk mit der adleräugigen Selbstsicherheit eines ehemaligen Revolverhelden aus, aber im Grunde genommen ist dieser Mann eine lame duck: Er kann noch so sehr den autoritären Macker raushängen lassen, er ist voll und ganz auf das commitment eines Mannes angewiesen, dem Loyalität rein gar nichts bedeutet.

Carpenter lässt nur wenig Zweifel daran, dass das Leben auf der Gefängnisinsel Manhattan dem da draußen eigentlich vorzuziehen ist. Es ist nicht zwingend besser, genau genommen sogar ziemlich jämmerlich, aber immerhin weiß man dort, was man zu erwarten hat. Wenn Hauk in einer eisigen Morgendämmerung auf der Mauer steht und nach Manhattan hinüberschaut, kann man fast Neid in seinen Blick hineinlesen. Die Welt da draußen, zumindest das, was man von ihr mitbekommt, macht in der Tat nur wenig Hoffnung: Der Präsident, der die Geschicke des Landes lenken soll, ist ein rückgratloser Wurm, es wird verraten und manipuliert, die Bevölkerung von oben herab in zwei Klassen geteilt, einer quasi das Lebensrecht abgesprochen. Snake Plissken passt eigentlich weder in die eine noch die andere: Das Leben als Knecht ist lohischerweise nichts für ihn, aber die albernen Spielchen, die da draußen gespielt werdem, noch viel weniger. Nun muss er bei einem dieser Spielchen mitmachen und der Missmut und Widerwille, mit der er seiner Mission nachgeht, trägt den Film. Über der Düsternis des Films vergisst man manchmal, dass er eigentlich saukomisch ist. Genauso wichtig ist Carpenters Geschick, eine Welt im Kopf des Betrachters entstehen zu lassen, mehr als im Bild. ESCAPE FROM NEW YORK verdankt seinen anhaltenden Kultstatus nicht nur Russells Snake, sondern vor allem der Tatsache, dass dieser Film wie nur wenige andere die Fantasie anregen. Dass das New York, das man hier sieht, vergleichsweise unspektakulär rüberkommt, gehört zwingend dazu. Bei aller Abgefucktheit: Es steckt eine Art kindlicher Naivität, Freude und Neugier in diesem Film, die in dieser Reinheit absolut einzigartig sind. ESCAPE FROM NEW YORK ist ein einziger Glücksfall, über den man entweder stundenlang sprechen muss oder aber genießerisch schweigen kann. Paradoxe Perfektion.

Ich glaube übrigens, unser damaliger Himmelhunde-Text war einer unserer besten.