Mit ‘Tom Sizemore’ getaggte Beiträge

Der nächste Eintrag in meiner kleinen Reihe „Filme, die auf meiner Amazon-Prime-Watchlist landeten, weil sie nach Action aussahen, sich dann aber als etwas anderes entpuppten“: BAD FRANK ist ein kleiner, für gerade einmal 80.000 Dollar in New Jersey produzierter Crime-Film, um den titelgebenden Frank (Kevin Interdonato), den vorbestraften Sohn eines Polizeibeamten (Ray Mancini), der seit einigen Jahren versucht, sein Leben in den Griff zu bekommen, dann aber wieder mitten hineinrutscht ins Milieu, weil er seinem Kumpel Travis (Brandon Heitkamp) einen Gefallen tut. Bei dem Drogendeal, bei dem Frank eigentlich nur im Hintergrund rumsteht, ist zunächst mal sein alter Komplize Mickey (Tom Sizemore) involviert, ein skrupelloser Gewaltverbrecher, dessen Sidekick Niko (Russ Russo) dann auch gleich zur Waffe greift und die Geschäftspartner kaltblütig erschießt. Frank kann es nicht fassen und weil er keine Lust hat, sein neues, cleanes, alkoholfreies Leben mit Ehefrau und Haus wegen eines Verbrechens aufs Spiel zu setzen, mit dem er rein gar nichts zu tun hatte, beschließt er, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Doch dann bekommen Mickey und Niko von seinem Vorhaben Wind und entführen seine Gattin Gina (Amanda Clayton), um ihn ruhigzustellen. Und Frank, der seine inneren Impulse seit Jahren mit größter Anstrengung zurückgehalten hat, explodiert förmlich.

Es ist gewiss keine neue Geschichte, die Regisseur Tony Germinario erzählt, aber sie wird durch das aufopferungsvolle Spiel seines Hauptdarstellers und die Direktheit der Inszenierung mit Leben gefüllt. Ein bisschen erinnerte mich BAD FRANK an BRAWL IN CELL BLOCK 99 und DRAGGED ACROSS CONCRETE, die beiden letzten Filme von Craig R. Zahler, gegenüber denen er aber noch einmal eine ganze Ecke kleiner und schmuckloser wirkt, zudem Zahlers Hang zum Absurden vermissen lässt. Was er aber mit ihnen teilt, ist die Ruhe der Inszenierung, die Gewöhnlichkeit und Mittelmäßigkeit der Welt, in der er angesiedelt ist, und ein Protagonist, der zwischen den zwei Welten, zwischen denen er gefangen ist, förmlich zerrissen wird. Kevin Interdonato ist die eigentliche Entdeckung des Films: Muskulös, ohne aufgepumpt zu wirken, und mit einem ebenso kantig-virilen wie etwas dumpfen Gesicht, entspricht er jenem Typ Schauspieler, der in einer großen Produktion bestenfalls mal den im Hintergrund herumstehenden „Bad Guy #3“ spielen darf, aber hier die Gelegenheit bekommt, zu zeigen, was er kann. Und das ist eine Menge. Sein Frank trägt ein enorm (selbst)zerstörerisches Potenzial in sich, das er mit äußerster Anstrengung in einem täglichen Kampf immer wieder aufs Neue niederringen muss – und diese Anstrengung zeichnet sich ebenso in seinem Gesicht ab wie in seinem Körper, der ständig kurz vor der Explosion steht. Dass er einen kriminellen und darüber hinaus einen Suchthintergrund hat, wird explizit gesagt, aber welcher Verbrechen genau er sich schuldig gemacht hat, darüber schweigt sich der Film andeutungsreich aus und das trägt enorm zu seiner inneren Spannung bei. Franks Vergangenheit ist der sprichwörtliche Elefant im Raum, über den aber niemand sprechen will, auch wenn er unübersehbar ist. Sein Vater, der Cop, hat den Kontakt zu ihm abgebrochen, in drei emotional enorm aufgeladenen Szenen begegnet er ihm wieder und es wird klar, dass der Vater auch deshalb auf Distanz gegangen ist, weil er mit seinem Sohn mehr gemein hat, als ihm lieb ist. Welche Last er mit sich herumschleppt, wird aber ebenfalls niemals ausformuliert. Und die Tatsache, dass es da auch noch eine Mutter gibt, die mit beiden Männern nichts mehr zu tun haben will, ist nur ein weiteres Indiz, das auf eine Familientragödie schließen lässt.

Aber neben Interdonato agiert ja auch noch ein sichtlich abgemagerter Tom Sizemore, ein Relikt der tarantinoesken Neunzigerjahre, dem Drogen und ein unglückliches Händchen bei der Rollenwahl die gut laufende Karriere versauten: IMDb weist ihn als ausgesprochen produktiv aus, nur wirklich große Projekte sucht man in seiner Filmografie vergebens. Egal, denn als gewalttätiger Mickey liefert er er eine Spitzenleistung ab: Wie er den armen, jämmerlich heulenden Travis foltert, ihm Handyfotos von der Vergewaltigung seiner Freundin zeigt und ihm droht, die Gliedmaßen abzuschneiden, dann wieder ruhig wird und sich beinahe entschuldigt, nur um gleich wieder vollkommen auszurasten, ist schon ziemlich einmalig. Er hat nicht viele Szenen, aber er nutzt seine Screentime und schafft es in der Zeit, die ihm zur Verfügung steht, den Gegenpol zum Protagonisten aufzubauen, den der Film benötigt – was angesichts der schon erwähnten Leistung Interdonatos nicht die einfachste Aufgabe gewesen sein dürfte.

Makellos ist BAD FRANK nicht, das wäre angesichts seines semiprofessionellen Hintergrunds aber auch zu viel verlangt: Im letzten Akt kommt der Film ein bisschen ins Trudeln und manche Inszenierungsidee geht nicht ganz so auf, wie sich Germinario das vorgestellt hat, aber am Ende bin ich geneigt, diese Mängel als „Schönheitsfehler“ abzuhaken. Vielleicht wäre BAD FRANK besser gefahren, hätte er einen konventionelleren Weg gewählt, aber ich finden, man sollte den Mut Germinarios, die Dinge anders zu machen, zu honorieren. Ich musste danach noch eine Weile über den Film nachdenken – auch weil er nicht rundum zufriedenstellend ist, Ecken und Kanten aufweist und hier und da etwas ungelenk und ungeschliffen wirkt. Gutes Teil!

Eigentlich könnte HARLEY DAVIDSON AND THE MARLBORO MAN ein richtig schöner Film sein: Er stammt aus jener wunderbaren Phase, in der die Neunziger noch mit einem Fuß in den Achtzigern standen. Die Fotografie ist herrlich crisp mit kräftigen Farben, der Schnitt erinnert einen daran, dass der Begriff „Videoclip-Optik“ tatsächlich mal nicht ausschloss, dass man die Dinge erkennen konnte, weil sie länger als eine halbe Sekunde zu sehen waren. Der Soundtrack ist mit Hardrock-Songs vollgestopft, denen man noch nicht anhört, dass Nirvana und Grunge schon vor der Tür standen. Außerdem ist der Film toll besetzt: Neben den beiden Stars agieren Tom Sizemore, Giancarlo Esposito, Daniel Baldwin, Chelsea Field, Robert Ginty, Tia Carrere, Vanessa Williams und Julius Harris (teilweise allerdings in kläglichen Minirollen). In einer Keilerei gleich zu Beginn tritt dazu noch Branscombe Richmond auf, ein heavy, der in zahllosen Actionfilmen jener Tage in knackigen Nebenrollen agierte. Und Mickey Rourke und Don Johnson sind wenn nicht absolute Top-Stars, so doch zwei Darsteller, deren Paarung auf dem Papier nicht ohne Verlockung ist. Die Story um zwei Antihelden, die eigentlich nichts weiter wollen, als ihre Lieblingskneipe zu retten, ist der Stoff, aus dem Spencer und Hill einst Jahrhundertkomödien schufen und Wincers Regie ist wenn auch nicht hoch inspiriert, so doch stets kompetent. Trotzdem muss konstatiert werden, dass HARLEY DAVIDSON AND THE MARLBORO MAN einfach nicht funktioniert, der Funke will nicht überspringen, alles wirkt irgendwie falsch und leblos.

Warum, das ist indessen nicht so einfach zu sagen. Der Film macht keine schwerwiegenden Fehler, aber er versäumt es leider auch, wirklich etwas richtig zu machen. Das Hauptproblem scheint das Drehbuch von Don Michael Paul zu sein, das sich bei der Charakterisierung seiner beiden Protagonisten mit der „Erfindung“ ihrer Namen begnügt. Was die beiden zu Kumpels macht, warum sie zusammen rumhängen und wer sie eigentlich sind, erfährt man nie. Sie bleiben blass bis auf die Tatsache, dass der eine eben ein Biker ist und der andere ein Cowboy. Es gibt einfach keinen echten Grund, zu ihnen zu halten und mit ihnen mitzufiebern: Weder sind sie besonders charismatisch noch wirklich witzig. Wenn man von einem müden Spruch wie „It’s better to be dead and cool than alive and uncool“ so überzeugt ist, dass man ihn gleich zweimal bringt, hat man definitiv etwas falsch gemacht. Rourke und Johnson haben es gewiss nicht leicht, dieses undankbaren Material zu erhöhen, aber sie verfügen leider auch nicht über die Präsenz, über all diese Schwächen hinwegtrösten zu können.

Rourke befand sich in einer eher problematischen Phase seiner Karriere, er ist zu detached, um die Sympathien durch bloße Anwesenheit auf sich zu ziehen, zu sehr darauf bedacht, möglichst cool zu wirken, aber er wirkt dabei nur abweisend, müde und desinteressiert. Und Johnson, der die herzlichere Figur abbekommen hat, zeigt sehr deutlich, warum es bei ihm nicht zur Filmkarriere gereicht hat. HARLEY DAVIDSON AND THE MARLOBORO MAN bräuchte zwei überlebensgroße Protagonisten und dafür zwei Schauspielertypen, die ihre uramerikanischen Klischeefiguren mit Verve und Mut zur mythischen Überhöhung interpretieren, stattdessen machen Rourke und Johnson sie klein und mittelmäßig. Wincers Film will einerseits ein großer Actionfilm sein, das sieht man in seinem (halbwegs gelungenen) Showdown und etwa in der Zeichnung der Schurken, die mit ihren kugelsicheren Ledermänteln wie Cenobiten-Cosplayer aussehen, andererseits dreht er sich um zwei Typen, die sich nichts anderes wünschen, als in ihrer Lieblingspinte in Ruhe ein Bier zu trinken. Das ist für sich genommen keine falsche Idee, aber sie in ein 50-Millionen-Dollar-Vehikel zu verpacken, ist einfach nur fehlgeleitet.

Das sahen wohl auch die Zuschauer so, die überwiegend zu Hause blieben und dem Film mit dieser Entscheidung zu einem krachenden Flop machten, der in den USA noch nicht einmal ein Fünftel seiner Produktionskosten einspielte. Was bleibt, ist ein Relikt einer vergangenen Kinoepoche, ein Film, bei dem man über die verschenkten Chancen trauern kann, der es einem aber insgesamt doch recht leicht macht, ihn zu vergessen. Klassischer Fall von „Kann man mal gucken, muss man aber nicht“.

black-hawk-down_poster_goldposter_com_28BLACK HAWK DOWN ist die kontroverse Verfilmung des gleichnamigen Sachbuches von Mark Bowden, das sich mit den Bemühungen des US-Militärs im Jahr 1993 beschäftigte, den somalischen Warlord Mohamed Farrah Aidid dingfest zu machen. Aidid war einer der Fraktionsführer während des Bürgerkriegs in Somalia und zog den Zorn der Vereinten Nationen auf sich, als er sich gegen die im Land stationierten Hilfskräfte wendete und 23 pakistanische Blauhelme tötete. Der Versuch seiner Festnahme mündete schließlich in der Schlacht von Mogadischu, einer blutigen Auseinandersetzung, bei der 18 US-Soldaten und schätzungsweise 1.000 Somalis (die Zahlen gehen weit auseinander) ihr Leben ließen.

Ridley Scotts Verfilmung ist, wie bei solchen Filmen üblich, Anlass für heftige Kontroversen gewesen. Newsweek-Journalist Evan Thomas bezeichnete BLACK HAWK DOWN als „one of the most culturally significant films of the George W. Bush presidency“ und warf ihm vor, dass sich hinter seiner Antikriegsgesinnung in Warheit einer Pro-Kriegs-Haltung verberge. Auch dass die Somalis als „schwarze Bestien“ gezeichnet sowie die Realität hier und da zugunsten der Dramaturgie gebeugt wurde, wurde mitunter stark kritisiert. Die Kritikpunkte sind alle nicht so einfach wegzuwischen, wie auch beim ganz ähnlich gelagerten 13 HOURS nicht: Wie jener nimmt BLACK HAWK DOWN die eingeengte Perspektive der US-Streitkräfte ein, lässt grundsätzliche Kritik an der Interventionspolitik eher am Rand verklingen und singt am Ende das Heldenlied von Kameradschaft und Zusammenhalt, während die somalische Perspektive kaum eine Rolle spielt. Sein Kinostart kurz nach dem 9/11-Anschlag spielte der Regierung in ihrem Bemühen, den „war on terror“ zu legitimieren, zudem gewiss in die Karten.Trotzdem ist BLACK HAWK DOWN für mich einer von Scotts besten Filmen und als pures Affektkino auch heute noch eine ziemliche Dampfwalze.

Einige Jahre zuvor hatte Steven Spielberg mit SAVING PRIVATE RYAN und der Inszenierung der Landung in der Normandie neue Maßstäbe hinsichtlich des „Realismus“ des Kriegsfilms gesetzt. Scott setzte die Vorarbeit begeistert fort und noch einen oben drauf, indem er seine ausufernden Schlachten nicht auf offenem Gelände, sondern inmitten unübersichtlicher Straßenzüge in Szene setzte. Nach der Exposition begibt sich BLACK HAWK DOWN ins brodelnde, staubige, feindselige Mogadischu (gedreht wurde in den marokkanischen Städten Rabat und Salé) – und bleibt dort für die kommenden überaus blei- und explosionshaltigen 100 Minuten. Wenn er auch kein besonders differenziertes politisches Bild abgibt – recht früh wird einmal angedeutet, dass die Idee der militärischen Intervention möglicherweise gründlich überdacht werden sollte, aber BLACK HAWK DOWN mag sich nicht wirklich mit diesem Gedanken aufhalten -, so macht der Film doch ziemlich eindrucksvoll klar, was für ein Albtraum ein „Häuserkampf“ generell ist, was für eine unmenschliche Veranstaltung die „Schlacht von Mogadischu“ für alle Beteiligten im Besonderen war. Kugeln und Geschosse schlagen aus allen Richtungen ein, die gesamte Bevölkerung ist ein potenzieller Feind, die als halbstündiger Einsatz geplante Mission wird zum nervenzerrenden Himmelfahrtskommando, bei dem Körper zerfetzt und zerrissen werden. Dass die Somalikrieger als fanatischer Mob gezeichnet werden, mag aus humanistischer Perspektive untragbar sein, aber ich schätze, so muss ein in den Straßen von Mogadischu festgesetzter amerikanischer Soldat sie gesehen haben. (Und auch wenn ich weiß, dass meine Aussage unpopulär ist: Über die „Zivilisiertheit“ afrikanischer Milizen und der von ihr augehetzten Zivilbevölkerung möchte ich mir tatsächlich lieber keine Illusionen machen.) Der Fuß bleibt während dieser Schlachtinszenierung nahezu durchghend auf dem Gaspedal und wenn der Lärm dann doch einmal kurzfristig verstummt, ist die Spannung doch mit den Händen greifbar. BLACK HAWK DOWN ist eine der intensivsten filmischen Erfahrungen, die der moderne Kriegsfilm bietet, man fühlt sich danach platt und ausgelaugt.

Besondere Aufmerksamkeit verdient auch die ziemlich unglaubliche Besetzung: Als Hauptfiguren, so man denn solche wirklich herausheben möchte, fungieren Josh Hartnett als junger Einsatzleiter Eversmann, Ewan McGregor als durch einen Zufall zum Kampfeinsatz verpflichteter Bürohengst Grimes (der Name wurde geändert, da das reale Vorbild zwei Jahre vor dem Filmstart wegen sexuellen Missbrauchs verklagt worden war), Tom Sizemore als grimmiger Veteran McKnight, Eric Bana als cooler Loner Hoot und Sam Shepard als Einsatzleiter Garrison. Neben diesen agieren gern gesehene Charakterdarsteller wie William Fichtner, Jeremy Piven, Kim Coates, Ron Eldard, Jason Isaacs, Zeljko Ivanek sowie damals aufstrebende Jungdarsteller wie Ewen Bremner, Tom Hardy, Orlando Bloom oder Ioan Gruffudd, um nur einige zu nennen. Die Kameraarbeit von Slawomir Idziak gewährt wunderbare Übersicht, versetzt den Betrachter aber trotzdem mitten zwischen die Schusslinien. Lediglich der Score von Hans Zimmer nervt mit klischeehaftem Ethnogesäusel, das bei Filmen, die in Afrika spielen, anscheinend immer zum Einsatz kommt.

Ich mag BLACK HAWK DOWN immer noch sehr, wobei mir wahrscheinlich entgegen kommt, dass ich mir über das Wesen der Menschheit nicht mehr allzu viele Illusionen mache und außerdem selber aus einer Familie mit Militärtradition stamme. Ich kann die auch von Scott ptopagierte Kameradschaftsidee durchaus nachvollziehen, auch wenn ich aus Überzeugung den Wehrdienst verweigert habe und das auch heute noch so tun würde. Der einzelne Soldat ist ein armer Tropf, der einem Leid tun kann: Filmen wie diesen kommt der zweifelhafte Verdienst zu, das einerseits erkannt zu haben, andererseits aber auch dazu beizutragen, dass der Nachschub nicht endet. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich diese Filme immer bewegen. Damit muss man klar kommen oder man muss es lassen. Ich wünschte mir jedenfalls, BLACK HAWK DOWN damals im Kino gesehen zu haben, wo er sicherlich reihenweise für in die Hosen gerutschte Herzen sorgte. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit irgendwann mal, wobei die Chance gewiss eher gering ist.