Der Übergang von den Sechzigern- zu den Siebzigerjahren war in Hollywood eine komplizierte Phase. Hat sich auch die Geschichte vom Siegeszug des New Hollywoods etabliert, das die alten Studiobosse mit neuen Ideen und Konzepten auf ihren Stühlen kräftig durchschüttelte und schließlich stürzte, sieht die Wahrheit wie immer etwas weniger romantisch aus. Neben den auch heute noch kultisch verehrten Werken von jungen Gipfelstürmern wie Friedkin, Ashby, Rafelson, Beatty, Hopper oder Altman sowie den ganz neue Aufmerksamkeit erlangenden Veteranen und Mavericks wie Siegel, Peckinpah oder Penn (um mal nur ein paar zu nennen, die mir spontan einfallen), gab es da nämlich nach wie vor die willigen, routinierten Handwerker, die auf Geheiß greiser Produzenten so weitermachten als sei nichts passiert. Abenteuer- und Katastrophenfilme, Romanzen oder Western aus jener Phase sehen heute besonders altbacken aus, nicht zuletzt, weil sie meist mit Stars aufwarteten, die nun neben den neuen Gesichtern noch mehr wie Relikte aus einer vergangenen Zeit wirkten.

CANDY ist ein solcher Film, ohne Zweifel gut gemeint, aber auch hoffnungslos hin- und hergerissen zwischen falsch oder nur halb verstandenden Ideen der damals an Boden gewinnenden Gegenkultur sowie der männlich geprägten Macht- und Machokultur, die Hollywood immer noch dominierte. Betrachtet man den Film – Christian Marquands letzte Regiearbeit, die überhaupt nur zustande kam, weil er Marlon Brando gewinnen konnte und plötzlich alles, was Rang und Namen hatte, sich zur Mitarbeit bereit erklärte -, kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass eine Menge Drogen im Spiel waren. Wahrscheinlich schon in den späten Fünfzigerjahren, als Terry Southern den zugrunde liegenden Roman zusammen mit Mason Hoffenberg in Greenwich Village und in Frankreich verfasste, später dann bei der Adaption durch Buck Henry und vermutlich auch beim Dreh, denn anders ist dieses Tohuwabohu kaum zu erklären, das von der deutschen Synchro auch noch eine dem Zeitgeist entsprechende derbe Spaßsynchro verpasst bekam, die den Film endgültig aus dem Ruder laufen lässt.

CANDY verfolgt das titelgebende kulleräugige, puppenhaft-naive Schulmädchen (Ewa Aulin) durch eine Reihe von Vignetten, die durch eine Art losen Roadmovie- und Coming-of-Age-Plot verbunden sind: Vom exzentrischen alkoholabhängigen Dichter McPhisto (Richard Burton) wird das junge sexuell unerfahrene Mädchen verführt und schließlich vom mexikanischen Gärtner der Familie (Ringo Starr) entjungfert, was das konservative Elternhaus um den Vater (John Astin) in eine existenzielle Krise stürzt. Das Mädchen soll zu Verwandten ausgerechnet nach New York geschickt werden, um sie auf den Pfad der Tugend zurückzuführen, doch auf dem Weg zum Flughafen tauchen drei motorradfahrenden Hexen auf (darunter Florinda Bolkan), die Schwestern des gefeuerten Gärtners, und es beginnt eine wilde Verfolgungsjagd, die an Bord eines Flugzeugs der amerikanischen Luftwaffe endet. An Bord verliert General Smight (Walter Matthau), der Anführer der Spezialeinheit, die seit sechs Jahren in Wartestellung durch die Luft kreist und nur zum Tanken oder zum Einholen von Proviant landen darf, beim Anblick der jungen Schönen die Beherrschung. Beim folgenden Handgemenge wird Candys Vater schwer verletzt und nach der Notlandung vom Starchirurgen Dr. Krankeit (James Coburn) operiert. Auch der kann seine Libido nicht im Zaum halten. So geht der Film weiter: Weitere Episödchen drehen sich um einen durchgeknallten Regisseur (Enrico Maria Salerno), dessen Film „Gumbo“ zwei Stunden lang Aufnahmen von Suppen aneinanderreiht, einen buckligen Vagabunden (Charles Aznavour), der an Wänden hochlaufen kann, sowie schließlich um einen Guru (Marlon Brando), dessen Ashram sich im Anhänger eines Lkw befindet und der es mit der gepredigten Askese selbst nicht so ernst nimmt.

Alle diese Geschichten laufen darauf hinaus, dass die Männer diverse Vorwände suchen, das Mädchen ins Bett zu zerren, und dank ihrer Sorglosigkeit damit auch meist erfolgreich sind. Es handelt sich bei den Kerlen fast ausnahmslos um Autoritätsfiguren, die ihre Stellung missbrauchen, um sich in das Höschen der jungen Schönen zu mogeln. Das soll satirisch gemeint sein und ist mitunter auch ziemlich amüsant, da die Superstars sich mit Verve in die ihnen auf den Leib geschriebenen Karikaturen hineinwerfen. Allerdings stellen sich in der zweiten Hälfte doch auch einige Ermüdungs- und Erschöpfungserscheinungen ein: Zum einen grenzt das atemlose Tempo des Films an Hysterie, sind alle Figuren so gnadenlos überzeichnet, dass man sich manchmal eine Pause wünscht, zum anderen hat CANDY kein echtes Ziel. Und so stellt sich das Gefühl ein, dass auch diese latente geäußerte Kritik an geilen Männern, die ihre Macht missbrauchen, nur Vorwand für eine wüste Sexkomödie ist, zumal jede sich bietende Gelegenheit genutzt wird, die Reize seiner Hauptdarstellerin ins rechte Licht zu rücken. Man könnte sagen, dass der vordergründig mit jeder Menge Hippie-, Psychedelia- und Gegenkultur-Schnickschnack vollgestopfte Film eigentlich eine Altherrenfantasie bedient – und dabei ziemlich spießig ist. Das spiegelt auch die deutsche Synchro wider, die einerseits Juwelen wie „Ich bin Sozialwissenschaftler, kein Humanist!“ aus dem Hut zaubert, dann aber eher an den Ton von Herrenwitzen erinnert.

Sehr kurios ist auch die deutsche Fassung, die sowohl um die von Douglas Trumbull gefertigte Anfangssequenz erleichtert wurde, als auch das eigentliche Ende an den Anfang verfrachtete und so jede noch in Spurenelementen enthaltene aufklärerische Message ad absurdum führt. Interessant ist der Film trotzdem: Er ist ein schönes Beispiel dafür, wie zur damaligen Zeit auch unter dem strengen Studioregime und der Mitwirkung seriöser Superstars völlig außer Kontrolle geratener Blödsinn entstehen konnte. Das gibt es zwar auch heute dann und wann noch – siehe zuletzt CATS -, aber die Wildheit, Geschmacksverwirrtung und rasende Bizarrie eines CANDY sucht man heute weitestgehend vergebens.

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