der todesrächer von soho (jess franco, deutschland/spanien 1971)

Veröffentlicht: Februar 2, 2014 in Film
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Analog zu DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE und DER GORILLA VON SOHO, die innerhalb der Rialto-Reihe Remakes von DER UNHEIMLICHE MÖNCH bzw. DIE TOTEN AUGEN VON LONDON darstellten, ist DER TODESRÄCHER VON SOHO das Remake in Brauners Bryan-Edgar-Wallace-Serie, und zwar von DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN KOFFER. Warum man es für nötig hielt, diesen Film neu aufzulegen, was man sich davon versprach, bleibt für mich ad hoc ebenso wenig nachvollziehbar, wie die Entscheidung, ausgerechnet Jess Franco mit der Inszenierung zu betrauen. Der spanische Vielfilmer brachte die ihm eigene Erratik und Exzentrik mit und war wohl nur ganz am Rande daran interessiert, eine nach den Regeln der Dramaturgie „wohlgeformte“ Geschichte zu erzählen. Sein Film ist sprunghaft, elliptisch, fragmentarisch, täuscht Narration nur vor, ja, wirft dem, der einen Krimi erwartet und der Auflösung eines Mordfalles beiwohnen möchte, immer wieder massive Kanthölzer zwischen die Beine. Ich habe im Verlauf der nur 75 Minuten – auch das schon ein Hinweis auf Francos Strategie – irgendwann aufgehört, den expositorischen Dialogen zuzuhören oder der „Geschichte“ zu folgen: Aber gefallen hat mir DER TODESRÄCHER VON SOHO dennoch, weil Francos Improvisation innerhalb eines solch rigiden strukturierten Genres wie dem Krimi noch einmal besonders heftige Wirkung zeitigt.

Die Verzeichnungen beginnen schon damit, dass die (spanischen) Schauplätze des Films zu keiner Sekunde auch nur annähernd nach London oder England aussehen. Mehr noch: Franco verwendet nicht den Hauch von Mühe darauf, diesen Anschein überhaupt zu erzeugen. Mitten in die karge, von Felsen und krüppeligen Olivenbäumen geprägte Landschaft pflanzt er ein handgeschriebenes Schild, das den Weg zu irgendeinem Castle weisen soll. Dort angekommen findet man dann keines der britischen Herrschaftshäuser vor, sondern eine braune, wuchtige Mittelalterruine. Immer wieder benutzt er das Weitwinkelobjektiv, verkantete Kameraperspektiven und die extreme Untersicht: Stilmittel, die die Einnahme einer krimitypisch objektiven Betrachterposition nicht nur be-, sondern konsequent verhindern und selbst banalen Vorgängen noch den Anstrich des Ominösen geben. Charaktere sind keine Charaktere, sondern nur Überbleibsel einer traditionellen Narration, die Franco sonst gänzlich verwirft. Besonders frappierend fällt das bei Siegfried Schürenberg auf, dessen Persona in zig Wallace-Filmen festgeschrieben wurde und deshalb eigentlich keiner großen Herleitung mehr bedarf, der hier aber tatsächlich wie im falschen Film wirkt. Es existiert überhaupt keine Bindung, weder zwischen den einzelnen Figuren noch zwischen diesen und dem nachlässig entwickleten Plot. Folien laufen von A nach B und täuschen Erkenntnisse vor, die es nicht gibt, bevor der Film – einem sublimen Urinstinkt folgend – weitermacht. Höchst seltsam und irritierend, dabei ist nichts von dem, was da passiert, explizit merkwürdig: Wer DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN KOFFER gesehen hat, wird ganze Szenen und den Handlungshergang deutlich wiedererkennen, sogar die Auflösung ist die gleiche. Aber das alles ist vollkommen leer, rein materielles Abbild ohne Seele. DER TODESRÄCHER VON SOHO ist eine leere Hülle, ein filmischer Wiedergänger, der wie die Zombies in Romeros DAWN OF THE DEAD tief im Unterbewusstsein verankerten Impulsen nachgeht, deren ursprüngliche Funktion lägst keine Bedeutung für ihn mehr hat. Faszinierend und voller in ihrer Rätselhaftigkeit wunderbarer Bilder.

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Kommentare
  1. […] dran. U.a. Jess Francos „Der Todesrächer von Soho“ über den er einen wirklich schönen und sehr wahren Text geschrieben hat und mit großartigen Bilder unterlegt. Ferner hat er auch den Abenteuerfilm […]

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