Alec Leamas (Richard Burton) ist nach Jahren der Geheimdiensttätigkeit für Großbritannien zwischen den Fronten des Kalten Krieges zermürbt, am Ende. Sein Auftraggeber Control (Cyril Cusack) schickt ihn auf seine letzte Mission, nach der Leamas endlich „aus der Kälte hereinkommen“ darf, wie im Geheimdienstjargon der Ausstieg aus dem Dienst genannt wird. Ziel seiner letzten Operation ist es, den russischen Agenten Mundt (Peter van Eyck), Leamas‘ Erzfeind, vor seinen eigenen Leuten als Doppelagent zu diffamieren und so seine Liquidierung zu erzielen. Zunächst läuft alles planmäßig, doch ausgerechnet die sich anbahnende Liebesbeziehung zur britischen Kommunistin Nan (Claire Bloom) wird ihm zum Verhängnis …
THE SPY WHO CAME IN FROM THE COLD, der auf einem frühen Bestseller John Le Carrés basiert, stellt ganz oberflächlich betrachtet zunächst einmal eine deutliche Abkehr von Ritts bisherigem Ansatz dar: Auch wenn er sich bereits zuvor mit politischen Themen wie Rassismus, Sexismus und den gesellschaftlichen Missständen einer kapitalistisch geprägten Welt allgemein beschäftigt hatte, so übte er seine Kritik doch stets vor dem Hintergrund zwar repräsentativer, aber dennoch vor allem individueller, persönlicher Schicksale. Natürlich geht es auch in THE SPY WHO CAME IN FROM THE COLD in erster Linie um Leamas und darum, welche Auswirkungen seine Tätigkeit auf sein Leben hat, aber sein Schicksal vollzieht sich hier nun vor dem Hintergrund weltpolitischer Ereignisse. Es geht genau um diesen Kontrast: darum, wie eben Politik von Menschen gemacht wird, deren persönliche Probleme plötzlich eine Tragweite erhalten, die über ihr eigenes Befinden weit hinausgeht; darum, wie umgekehrt die großen, wichtigen, das einzelne Individuum transzendierenden und die ganze Welt betreffenden Angelegenheiten von einem einzelnen Mann ausgehandelt und verarbeitet werden müssen. Wie kann ein einzelner Mensch diese Last tragen, ohne darunter zu zerbrechen? Es geht nicht.
Wenige Jahre, nachdem die James-Bond-Reihe mit sensationellem Erfolg angelaufen war, inszenierte Martin Ritt seinen düsteren Kalter-Krieg- und Spionagethriller als deutlichen Gegenentwurf zu deren Jet-Set-Pop-Fantasien. Oswald Morris fängt das Geschehen in dunklen, ungemütlichen, fast klaustrophobischen Bildern ein, fast der gesamte Film spielt in Innenräumen, in denen die Protagonisten sich in langen Dialogen verstricken, und wenn es dann doch einmal nach draußen geht, befindet man sich entweder am nächtlichen, von Stacheldraht gesäumten Checkpoint Charlie, am regnerischen Trafalgar Square, an der kargen niederländischen Nordseeküste oder in einem winterlichen Nadelwald irgendwo in Osteropa: Keine Spur von den exotischen Paradiesstränden, die Sean Connerys Superagent zur selben Zeit regelmäßig besuchen durfte. Die Musik von Sol Kaplan akzentuiert nicht die Taktierereien der Blöcke, die globalpolitischen Umwälzungen, sondern das menschliche Drama, das sich vor den Augen des Zuschauers vollzieht und Richard Burton spielt den Leamas nicht als weltgewandten und tollkühnen Charmeur und Lebemann, sondern als ausgebrannten Beamten, der den Glauben, für die richtige Seite zu arbeiten oder dafür, dass es diese überhaupt gibt, längst verloren hat. Burton, dem der Sinn für das rechte Maß sowohl beruflich als auch privat manchesmal abhanden kam, agiert hier, in einem Part, der ihm durchaus die Gelegenheit geboten hätte, auf seine ihm eigene, unverwechselbare Weise zu chargieren, mit angemessener Zurückhaltung und lässt den großen Namen hinter der Rolle fast vollständig vergessen. Der Clou an diesem Film, der vor lauter Konzentration und Kompaktheit fast Atemnot erzeugt, ist aber das raffinierte Drehbuch: Es gehört beim Agentenfilm ja fast zum guten Ton, dass man als naiver Durchschnittsmensch schnell den Überblick verliert; hier ist das genauso, was aber eben nicht an einer überkomplizierten Handlung liegt, sondern allein in der Struktur des Scripts begründet ist. Zum Verständnis wichtige Informationen werden lange zurückgehalten und dann mit verblüffendem Effekt nachgereicht. Diese Strategie funktioniert perfekt, weil so nicht nur die gegnerischen Agenten auf Leamas Täuschungsmanöver hereinfallen, sondern der Zuschauer gleich mit ihnen. Den Glauben an einen Spion, der sich in dieser Welt des Verrats, der Täuschung und versteckter Agendas mit Eleganz und Souveränität bewegt, zerschlägt Ritt mit Nachdruck: Ein Mensch muss hier früher oder später scheitern oder seelisch verkrüppeln. Den entscheidenden Twist, der das Treiben der Geheimdienste endgültig als amoralisch und unmenschlich enttarnt, verrate ich natürlich nicht. Er ist aber nur der krönende Abschluss eines Films, der sich zwar nicht unbedingt als Meisterwerk aufdrängt, aber trotzdem kaum anders bezeichnet werden kann.