Mit ‘Russ Tamblyn’ getaggte Beiträge

Diese Fortsetzung zu FURANKENSHUTAIN TAI CHITEI KAIJÛ BARAGON war mein allererster Kaijû. Es muss so 1984 gewesen sein, der Film lief zur besten Sendezeit im Sommerprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (was anderes gab es ja eigentlich auch noch nicht), nicht irgendwo im Spät- oder Frühstücksprogramm eines Privaten versteckt oder gar als lustiger Schrott im Rahmen einer Schiene wie SchleFaZ verheizt, sondern als selbstbewusst angekündigte Abend-Attraktion für ein erwachsenes Publikum. Die Szenen, wie der „Grüne“ mit einer Riesenkrake ringt, von oben durch die Wasseroberfläche beim Auftauchen gezeigt wird oder am Horizont mit den Tauen und Netzen verzweifelter Fischer kämpft, haben damals mächtig Eindruck auf mich gemacht – so sehr, dass ich sie bis heute nicht vergessen habe.

Auch beim Wiedersehen hat mir das erste Drittel von Hondas Film am besten gefallen. Die Eröffnungsszene mit der Krake ist spitzenmäßig, genau jene Mischung aus grellem Groschenroman-Pulp und wohligem Grusel, die es heute eigentlich gar nicht mehr gibt, die Effekte um den „Grünen“ und seine Attacken auf Städte und Flughäfen sind einfach wunderschön anzuschauen. Addiert man dazu die hoffnungslos naiven bis hirnrissigen „Wissenschafts“-Dialoge zwischen Russ Tamblyns Dr. Paul Stewart (auf Deutsch seltsamerweise Dr. Kitei) und seinen Gehilfen, ergibt das einen herrlich unschuldigen Spaß, der wie gemacht ist für einen Sonntagvormittag. Ich bedauere es wirklich, nicht mehr die Zeit erlebt zu haben, als die japanischen Monsterfilme in den Matineen der Lichtspielhäuser von begeisterten Kindern abgefeiert wurden, aber immerhin hatte ich das Glück, sie noch im Fernsehen sehen zu können. Wie bemitleidenswert sind da doch heutige Generationen, die darauf bauen müssen, einen Verwandten mit Geschmack in ihrer Familie zu haben, der sie in diese farbenfrohe Welt der Riesenmonster und der schnarchnasigen „Frankenstein-Experten“ in ihren weißen Wisschenschaftler-Kitteln einführt. Gibt es besseres Entertainment für Kinder als die japanischen Kaijûs? Ich glaube nicht.

Diese Überzeugung wird auch dadurch nicht abgeschwächt, dass ich die ellenlangen Balgereien, auf die die meisten Kaijûs hinauslaufen, immer etwas ermüdend finde. Viel lieber würde ich die Seiten tauschen, in einen der klobigen Gummianzüge schlüpfen und selbst durch die liebevoll aufgebauten Miniaturstädte und -wälder pflügen. Ich weiß allerdings nicht, ob ich zum Monster getaugt hätte: Wahrscheinlich hätte ich zu viel Respekt vor der Arbeit der Modellbauer gehabt, als dass ich sie guten Gewissens hätte zertrampeln mögen. Ich frage mich, was es mit einem Menschen macht, wenn er – so wie Haruo Nakajima, der hier den „Grünen“ spielte, aber auch etliche Male den Godzilla verkörpern durfte – immer wieder die göttliche Perspektive eines Giganten einnimmt, auf Wolkenkratzer herabschaut, Straßen, Brücken und Autos zertrampeln darf. Wie seltsam muss das gewesen sein, nach einem Arbeitstag in seine normalen Klamotten zu schlüpfen und in den Alltag hinauszutreten, in dem man plötzlich genauso groß war wie alle anderen? In meinem Kopf sehe ich eine Tragikomödie vor mir, die sich genau um einen solchen Menschen dreht, einen Mann der mit der Differenz klar kommen muss, im echten Leben auf Normalgröße zu schrumpfen und der dann in seinem Monsterkostüm durch die Straßen läuft. Das wäre ein toller Film, den ich gern sehen würde! Bis es dazu kommt, gibt es aber glücklicherweise noch ein paar Kaijûs, die dafür sorgen, dass ich mir ein Stück kindliches Gemüt bewahre.

satans-sadistsAl Adamson ist einer der großen Billigheimer der Exploitation-Filmgeschichte: Ein Regisseur, mit dem ich ganz gewiss sympathisiere, dessen Filme ich aber – ähnlich wie die seines Genossen Ted V. Mikels – selten wirklich inspirierend finde. SATAN’S SADISTS ist möglicherweise Adamsons Meisterstück, auch wenn man ihm ganz genau anmerkt, dass es längst nicht nur am Geld mangelte, sondern auch am inszenatorischen Geschick. Es knirscht gewaltig im Getriebe und nach einem geradezu fulminanten ersten Drittel versumpft der Film in unzähligen Lauf- und Fahrszenen, die keinen anderen Zweck haben, als die Geschichte auf kinotaugliche 80 Minuten zu strecken.Adamson wusste einfach nicht mehr weiter und alle potenziell interessanten Ansätze werden fahrlässig liegengelassen, um sich ganz auf jene Aspekte zu konzentrieren, die man eben für besonders zugkräftig hielt, allen voran natürlich Sex und Gewalt.

Aber das fällt bei diesem Bikerflick ehrlich gesagt gar nicht allzu negativ ins Gewicht, im Gegenteil: In der moralischen Ödnis, in der sich die Rockergang um den psychopathischen Anchor (Russ Tamblyn) niedergelassen hat, bleibt eben nicht mehr viel anderes übrig, als sich in der sengenden Sonne zuzudröhnen und orientierungslos über Stock und Stein zu stolpern. Dieses ziellose Mäandern hätte nach meinem Geschmack sogar gern noch länger zelebriert werden können, denn bevor sich der erwartete tranceartige Zustand einstellt, den solche Filme als angenehme Nebenwirkung mit sich bringen, findet SATAN’S SADIST dann doch auf seinen ursprünglich eingeschlagenen Plotpfad zurück und läuft auf sein recht erwartbares Ende zu. So gesehen liefert Adamson the best of both worlds: Feiste Asozialität, eimerweise Niedertracht und mit großen Augen und Speichel am Mundwinkel abgefilmte selbstzweckhafte Gewalt sowie eben diese spezielle Ästhetik und konzeptionelle Unterbelichtung des Ultra-Low-Low-Budget-Kinos. Einer wirklich überraschend schockierenden Szene, in der Anchor mitleidlos und völlig aus dem Nichts drei unschuldige Geiseln hinterrücks per Kopfschuss exekutiert, steht so eine andere gegenüber, in der Held Johnny (Gary Martin) mit der braven Tracy (Jacqueline Cole) durch die Berge flieht, sein Fernglas zückt, geschäftig am Schärferädchen dreht, angestrengt durch die Gläser schaut, nur weitere Berge sieht, feststellt, dass da nichts ist, sein Fernglas wieder einpackt und Tracy zum Weitergehen auffordert. Leistet die eine Szene also die totale Verdichtung, werden in der anderen zähe Minuten darauf verschwendet, die totale Bedeutungslosigkeit einzufangen.

Der Coup von SATAN’S SADISTS ist seine Besetzung: Russ Tamblyn, der einst in der WEST SIDE STORY das Tanzbein schwang, ist so untypisch wie überzeugend als psychopathischer Anführer auf misanthropischer Mission, und ihm zur Seite stehen einerseits spätere Exploitationfilmemacher wie Greydon Clark als dauerbreiter Acid und John „Bud“ Cardos als Firewater, mit aufgeklebter Glatze und Irokesenschnitt, andererseits die alten Hollywood-B-Film-Recken Scott Brady und Kent Taylor als Opfer.Die deutsche Synchro gibt sich alle Mühe, beim gebotenen Spektakel mitzuhalten, und schlägt sich beachtlich: Ganz fantastisch, wie ein BH einmal äußerst poetisch als „Puddingschüsseln“ bezeichnet oder Frauen mit dem liebevollen Kosenamen „Krücken“ belegt werden. Das Frauenbild verursacht eh heftigen Schluckauf: Die obligatorischen Vergewaltigungsopfer sind drei Geologie-Studentinnen, die aus der ernsten Wissenschaft einen herrlichen Schabernack machen und eigentlich selbst nicht so genau wissen, warum sie eigentlich Steine sammeln müssen. Aber immerhin haben sie es schon nach kurzer Zeit auf 27 verschiedenen Sorten gebracht, wie eine von ihnen zu berichten weiß. Und auch unter den Rockern gibt es eine Dame, nämlich Gina (Regina Carrol), die Freundin von Anchor, die verzweifelt seinen Zuwendungen hinterherläuft, jedoch ohne Erfolg. Anstatt diesen Penner in die Wüste zu schicken, fährt sie in der dramatischsten Szene mit dem Motorrad in den Freitod, während er sich in einer sehr zoomintensiven Tripszene mit den Geologinnen verlustiert. Ihr merkt schon: Es gibt eigentlich keinen Grund, sich SATAN’S SADISTS nicht anzusehen. Mir hat er gestern im Kino erneut großen Spaß gemacht.

 

Hill House, ein prächtiges Anwesen in Neuengland, genießt nach einer turbulenten Geschichte voller Unglücks- und Todesfälle einen zweifelhaften Ruf als Spukhaus: Die Bewohner des angrenzenden Dorfs hüten sich, nach Einbruch der Dunkelheit auch nur in dessen Nähe zu kommen. Solche Gerüchte können den Anthropologen und Hobby-Parapsychologen Dr. Markway (Richard Johnson) jedoch nicht erschüttern. Er will dem Geheimnis von Hill House auf die Schliche kommen und lädt zu diesem Zweck drei Freiwillige ein, von deren Anwesenheit er sich eine Steigerung der Spukaktivitäten erhofft. Zu Recht: Vor allem auf die Anwesenheit von Eleanor Lance (Julie Harris), einer jungen Frau, die durch den Tod der Mutter, die sie jahrelang pflegen musste, schwer traumatisiert ist, reagiert Hill House ausgesprochen heftig …

haunting[1]Als ich THE HAUNTING zum letzten Mal gesehen habe, befand ich mich mitten in meinem Studium und hatte gerade so etwas wie mein erkenntnistheoretisches Coming-out gehabt. An THE HAUNTING begeisterte mich damals demzufolge vor allem die von Wise zunächst eingeräumte Möglichkeit, dass sich eine rationale, wissenschaftliche Erklärung für das Spukphänomen finden lassen könnte, der Spuk sich als Lug und Trug, als Projektion eines fehlgeleiteten Erkenntnisinteresses entpuppen würde. Somit war ich zum Ende des Gruselklassikers eher enttäuscht. Mit den letzten Worten Dr. Markways („This house is haunted!“) wird der unbewiesene Verdacht zum Fakt erklärt und jede Ambivalenz zerstört. So schien es mir zumindest damals: Ein schöner, seinerseits auf das dialektische Verhältnis von Erkenntnis und Interesse zurückgehender Fehlschluss, der das Gelingen von Wise‘ Film auf einer höheren Ebene bestätigt, als mir das damals bewusst gewesen wäre. Tatsächlich und ganz entgegen meiner ursprünglichen Meinung thematisiert Wise die Wechselwirkung von Beobachter und Beobachtetem ganz explizit. Auch die dazu im Widerspruch zu stehen scheinende übereilt-affirmativ wirkende Schlussbehauptung ist viel eher dazu geeignet, diese Deutungsmöglichkeit zu stützen, als sie aufzulösen. Es sind ausgerechnet die Worte des Wissenschaftlers Dr. Markway, die ein Ausrufezeichen unter den Film setzen, der eigentlich mit einem Fragezeichen hätte enden müsste. Dr. Markway erscheint nur auf den ersten Blick als Stellvertreter eines auf Ratio, Empirie und lückenlose Beweisführung bedachten Menschenschlags. In Wahrheit besucht er Hill House gar nicht mit dem Ziel einer objektiven, kritischen Betrachtung. Er will keine Frage stellen, sondern einen schon bestehenden Verdacht erhärten: Er will nicht herausfinden, ob es in Hill House spukt, sondern beweisen, dass es spukt. Ein solchermaßen angegangenes Experiment muss die gewünschten Ergebnisse zeitigen. Schon die Wahl seiner Assistenten ist ganz seinem Ziel untergeordnet: Mit Eleanor holt er sich eine labile Frau in sein Team, deren Schicksal – sie überhörte die Hilferufe ihrer im Nebenzimmer sterbenden Mutter – die Vorgänge, die zum letzten Todesfall in Hill House und damit zu dessen Ruf führten, exakt spiegeln. Eine Tatsache, die er auch vor Eleanor nicht geheimhält und so ihre Projektionen und Autosuggestionen geradezu heraufbeschwört. Markways wissenschaftliche Tätigkeit beschränkt sich auf lose Beobachtungen und unbewiesene Schlussfolgerungen, er führt weder Experimente durch, noch nimmt er Messungen vor. So bestätigt jedes Phänomen auf wundersame Art und Weise nur seine eh schon feststehende These: In Hill House spukt es tatsächlich. Weil er weiß, dass der Spuk eng mit denen verwoben ist, die ihn beobachten, sorgt er wenn schon nicht durch eigene Handlungen, so doch auf jeden Fall durch gezielte Unterlassungen dafür, dass Eleanor unter ständigem Stress steht: Er bringt sie mit Theo (Claire Bloom) zusammen, die ein mehr als nur platonisches Interesse an der jungen Frau entwickelt, hält gleichzeitig aber seine Ehe vor Eleanor geheim, weil er weiß, dass sie, ein absolutes Mauerblümchen, sich unweigerlich in ihn, ihren Helfer und Gönner, verlieben wird. Diese Konstellation führt wiederum zur Eifersucht Theos, die Eleanor in der Folge immer wieder mit gezielten Sticheleien provoziert. Natürlich sind die Vorgänge in Hill House nur schwerlich rational zu erklären: Aber Dr. Markway unternimmt ja noch nicht einmal den Versuch dazu, tut im Gegenteil alles dazu, eine nüchterne Auseinandersetzung mit seinem Forschungsobjekt zu unterbinden. In der mehr und mehr eskalierenden Stimmung verliert bald jeder den Kopf und gerät an den Rand der Panik. Die finale Katastrophe könnte weltlicher kaum sein. Für Markway ist sie dennoch der Beweis dafür, dass in Hill House fremde Kräfte walten.  

Letztlich ist es aber egal, ob man THE HAUNTING nun in dieser Hinsicht deuten möchte oder aber, ob man ihn als Haunted-House-Grusler begreift, der sein Herz am Revers trägt. Robert Wise‘ Film ist auch als solcher sehr effektiv, was nicht nur an seinen gelungenen Spezial- und Toneffekten liegt, sondern auch an der suggestiven Kameraarbeit, die u. a. Sam Raimi noch zwanzig Jahre später für seinen EVIL DEAD begeistert aufgegriffen hat. Die „schrägen“ Ereignisse in Hill House, in dem es, wie Dr. Markway sagt, keinen einzigen rechten Winkel zu geben scheint, werden in adäquat schrägen Kamerapositionen eingefangen, die den Zuschauer stets dazu zwingen, den Fokus vom Bildvordergrund in den Bildhintergrund zu verlagern. Das Ergebnis ist nicht nur eine permanente Unsicherheit darüber, wo denn nun was zu erwarten ist, sondern eine Infizierung des Bildes mit dem Bösen selbst. Hill House hat sich förmlich in jedes einzelne Bild eingeschrieben. Der solchermaßen infiltrierte Film muss letztlich genauso unzuverlässig sein, wie sein vom Erkenntisinteresse befallener Dr. Markway.