Mit ‘Richard Johnson’ getaggte Beiträge

Meine Versuche mit dem Eurospy-Genre waren bisher nur mäßig erfolgreich: Ich mag das Prinzip der Filme, die Bildwelten, in die sie den Betrachter entführen, ihre pulpige Aneinanderreihung von Schauwerten und infantilen Ideen sowie den Mut der Verzweiflung, mit dem sich die meist auf ein karges Budget limitierten Regisseure der Herausforderung entgegenwarfen, dem großen James Bond Konkurrenz zu machen. Aber trotz grundsätzlicher Sympathie haben mich die meisten Vertreter des Genres bislang eher milde gelangweilt. DEADLIER THAN THE MALE kommt in meiner Gunst deutlich besser weg, was nicht zuletzt an den besseren Production Values und der ausgezeichneten Besetzung liegt, aber dass Tarantino ihn zu seinen Lieblingsfilmen zählt, ist meines Erachtens doch eher auf den häufigen, wahrscheinlich koksinduzierten Sprechdurchfall des Regisseurs zurückzuführen: DEADLIER THAN THE MALE ist sympathische, stimmungsvolle Unterhaltung, dabei deutlich besser inszeniert als das Gros der Eurospy-Konkurrenz aus Südeuropa und von elegantem Witz, der tatsächlich an die großen Vorbilder erinnert, aber er ist nun auch nicht gerade von dem Stoff, der einen in grenzenlose Euphorie versetzen würde. Dafür ist die ganze Affäre dann doch wieder etwas zu bieder und gemütlich.

Interessant ganz sicher, dass dieses Rip-Off auf einer literarischen Vorlage basiert, die Bond-Erfinder Ian Fleming erst auf die Idee für die Doppel-Null im Geheimdienst ihrer Majestät brachte. Der britische Autor Herman Cyril MacNeile erdachte die Figur des Weltkriegsveterans/Privatdetektivs Hugh „Bulldog“ Drummond 1920 und schrieb dann bis zu seinem Tod im Jahr 1937 insgesamt zehn Romane um ihn, bevor Gerard Fairlie die ehrenvolle Aufgabe übernahm, das literarische Erbe weiterzuführen, was er bis 1954, dem Jahr des letzten Bulldog-Drummond-Romans, auch tat. Verfilmungen ließen angesichts des Erfolgs nicht lang auf sich warten: Der Stummfilm BULLDOG DRUMMOND datiert auf das Jahr 1922, es folgten bis in die Fünfzigerjahre regelmäßig weitere Adaptionen sowie ein eigenes Serial. Mit DEADLIER THAN THE MALE übernahm der Brite Ralph Thomas das ambitionierte Projekt, den schlummernden Romanhelden neben James Bond auf der Leinwand zu etablieren, und ihm stand dafür mit Richard Johnson ein Akteur zur Verfügung, der selbst als Bond im Gespräch gewesen war, bevor sich die Produzenten schließlich auf Sean Connery festlegten. In der deutschen Synchronfassung spricht Johnson dann auch mit der Stimme von Connery-Sprecher Gert Günther Hoffmann. Johnson ist exzellent als charmanter, typisch britischer Ermittler und das u. a. von Jimmy Sangster verfasste Drehbuch hält sich dankenswerterweise nicht lang mit einer langweiligen Origin-Story auf. Wer dieser Hugh Drummond (die deutsche Synchro nennt den armen Mann beständig „Juck“) tatsächlich ist, darüber schweigt der Film sich weitestgehend aus, aber das Sujet ist so bekannt, dass das keine Rolle spielt.

Worum es eigentlich geht, ist hingegen ähnlich schwer herauszufiltern wie in den Bond-Filmen: irgendwie um viel Geld, Erdöl und einen bis zum Schlussakt unbekannt bleibenden Superschurken, der die titelgebenden „heißen Katzen“ als gerissene Auftragsmörderinnen einsetzt. Vor allem die schöne Elke Sommer bekommt reichlich Gelegenheit, ihre Gardemaße – etwa das üppig bestückte Dekolleté – vorzuführen, sodass man DEADLIER THAN THE MALE schon beinahe als ihren Film bezeichnen kann. Die sieben Jahre ältere Sylvia Koscina wird ihr gegenüber etwas ins zweite Glied verschoben: Es wirkt ein bisschen so, als sei den Machern erst während des Drehs klar geworden, dass die Kluft zwischen den beiden Schauspielerinnen deutlich größer ist, als angenommen. Neben Sommers Atomfigur wirkt die Koscina, selbst eine attraktive und begehrenswerte Frau, fast wie ein Hausmütterchen. Und so übertölpelt sie dann ja auch Drummond kleinen Bruder: Lässt sich beim Einkaufsbummel anrempeln und daraufhin alle Einkäufe fallen. Immer wieder gut für einen schuldbewussten Lacher sind auch die salopp hingeworfenen Sexismen und Rassismen, hier etwa in der Szene, in der ein Informant die als Masseuse engagierte Schwarze zärtlich als „Schokopüppchen“ bezeichnet. (By the way: Ist die Wohnung dieses Informanten, in der ihn eine riesige Leinwand per Knopfdruck an einen sonnigen Sandstrand versetzt, nicht ein wissender Hinweis auf die fakeness der eigenen Produktion?) Aber größtenteils kann DEADLIER THAN THE MALE auf Basis seiner intendierten Gags bestehen – oder dem, was die deutsche Synchro – wie so oft in verspieltem Plaudermodus – hinzudichtet. Vor allem die von Drummond locker fallen gelassenen Reaktionen auf Wortäußerungen der Nebendarsteller erwecken mehr als einmal den Eindruck, als habe sich die deutsche Dialogregie einige Freiheiten genommen. Wunderbar etwa, wenn Drummond auf das Versprechen seines Bruders, er werde das geliehene Geld bestimmt zurückzahlen, nur resigniert mit „So alt werde ich nicht“ antwortet. DEADLIER THAN THE MALE und sein Held sind von angenehmer Lakonie, nicht unbedingt die Eigenschaft, die man mit den all ihre vermeintlichen Attraktionen ostentativ-geschäftig ins Bild rückenden Eurospy-Vehikeln als erstes verbindet.

Leider bin ich gegen Ende eingeschlafen und hatte bisher noch keine Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen. Dem Protokoll meiner Erstsichtung kann ich immerhin entnehmen, dass es ein Finale mit einem Riesenschachbrett gibt, das mir zumindest damals sehr gut gefallen hat. Glücklicherweise bin ich aber rechtzeitig zur Explosion von Elke Sommer wieder aufgewacht. Und natürlich, um den großartigen Titelsong der Walker Brothers noch einmal zu hören.

Auch bei der elfunddrölfzigsten Sichtung immer noch ein Fest: Lucio Fulcis frech und überaus selbstbewusst als Sequel von Romeros Megahit DAWN OF THE DEAD ausgegebener ZOMBI 2. Der Film, mit dem alles begann. Der Lucio Fulcis Wiedergeburt als „Zombie-Opa“ nach stagnierender Karriere als Regisseur von Komödien, Italowestern, Historien-, Gangsterfilmen und Gialli bedeutete und ihn gleichzeitig bis an sein trauriges Ende stigmatisierte. Der Dutzenden von italienischen Regisseuren eine neue, lukrative Richtung aufzeigte. Der eine wahre Flutwelle von Nachahmern aus Südeuropa nach sich zog, die in Deutschland auf besonders großes Interesse der Autoritäten stieß. Und natürlich: Ein Riesenerfolg, nicht zuletzt hier bei uns. Mehr als eineinhalb Millionen Menschn lösten in Deutschland eine Kinokarte für Fulcis Zombiespektakel, das reichte immerhin für Platz 18 in den Kinocharts des Jahres ’79, noch vor Filmen wie DRIVER, THE WARRIORS oder JAWS II. Heutzutage kann man das kaum noch glauben. Man kann die kulturelle und filmhistorische Bedeutung von ZOMBI 2 eigentlich kaum überbewerten.

Und das Schöne: Aus all den Zombiefilmen, die er zusammen mit Romeros großem Vorbild bis heute inspirierte, ragt er motivisch weit heraus. Romero hatte den Zombiemythos ja komplett neu erfunden, ihn von seinen karibischen Ursprüngen vollständig entkoppelt und die Gestalt des Untoten so überhaupt erst in diesem Maße verwertbar gemacht. Der Zombiefilm, wie wir ihn heute kennen, wäre ohne NIGHT OF THE LIVING DEAD überhaupt nicht möglich gewesen. (Wie relevant das Thema zuvor war, sieht man an der Handvoll von Filmen, die sich nach WHITE ZOMBIE von 1932 bis 1969 damit beschäftigt hatten.) Und Fulci? Der nimmt ein Stichwort von DAWN OF THE DEAD-Protagonist Peter und führt uns zurück zu den Ursprüngen des Zombiemythos: nach Matul, auf die „Schreckensinsel der Zombies“, wo sich der versoffene Doktor Menard (Richard Johnson) mit dem Phänomen wiederauferstandener Toter herumschlagen muss und zwei New Yorker – Ann Bowles (Tisa Farrow) und der Journalist Peter West (Ian McCulloch) – sich auf Spurensuche begeben, nachdem in New York das führerlose Boot von Anns Vater mit einem fetten Zombie an Bord angespült worden war.

Fulcis Verdienst ist es, einerseits die Atmosphäre schwüler Bedrohung aus Jacques Tourneurs Gruselklassiker I WALKED WITH A ZOMBIE eingefangen, sie andererseits mit den detailfreudigen Zerlegearbeiten des modernen Zombiefilms kombiniert und dann eine eine direkte Verbindung zwischen den beiden geschaffen zu haben. Am Ende, wenn Ann und Peter zurück nach New York schippern, hören sie im Radio, das die Stadt in der Folge des Bootsfundes am Anfang des Films von Zombies überrannt wird. Bilder zeigen die Untoten, wie sie langsam über die Brooklyn Bridge in Richtung der berühmten Skyline wanken, damit genau jenen apokalyptischen Ton treffend, den Romero mit DAWN OF THE DEAD etablierte. Bis dahin ist ZOMBI 2 eine klassische Geisterbahnnummer, die man fast rührend nennen müsste, wenn einen die ruppigen Effekte von Gianetto de Rossi nicht immer aufschrecken würden. In meinem Kopf geht Fulcis Film eine traute Verbindung mit einem der Horror-Hörspiele ein, die damals wahlweise mit neonroten oder -grünen Covern von Europa erschienen. Matul ist ein geheimnisvolles Eiland, auf dem die wenigen noch lebenden Menschen noch nicht bemerkt haben, dass ihre Heimat von jenseitigen Kräften annektiert wurde, sich genau hier das Tor zur Hölle geöffnet hat, um ihre Diener loszuschicken, die Welt zu erobern. Den ganzen Film über herrscht diese eigenartige Stimmung, eine Art Ruhe vor dem Sturm. Mir ist gestern aufgefallen, wie handlungsarm ZOMBI 2 eigentlich ist: Nach erledigter Exposition besteht der ganze Film eigentlich nur noch aus seinen diversen Set Pieces: Zombie vs. Hai, Olga Karlatos und der Splitter, Conquistadorenfriedhof. Dazwischen guckt Dr. Menard trübsinnig aus der Wäsche und verscharrt Tote in der Hoffnung, dass sie nicht wiederkommen.

In Fulcis Zombie-Oeuvre ist ZOMBI 2 wahrscheinlich der straighteste, aber so viel unterscheidet ihn gar nicht von den surrealen Meisterwerken PAURA NELLA CITTÀ DEI MORTI VOVENTI und L’ALDILA. Auch hier wird nichts erklärt, vollzieht sich das Unerklärliche einfach mit erschreckender Banalität, dass der Zuschauer gezwungen wird mitzuerleben wie in einem Traum, in dem er weder die Augen schließen noch sich abwenden kann. Die Kamera agiert seltsam ungerührt von allem, nimmt das alle mit beinahe kindlichem Staunen auf, auch Fulci kommentiert nichts, lässt das alles so stehen. Und Fabio Frizzis Score simuliert sowohl das Klopfen von innen gegen den Sargdeckel wie auch den Trauermarsch für die Menschheit. So geisterbahnknarzig und schwül ZOMBI 2 auch ist, es ist irgendwie auch ein sehr kalter, trauriger, hoffnungsloser Film, in dem keiner noch irgendeine Macht über die Dinge hat. Der Niedergang ist vorgezeichnet, die Zeichen unübersehbar, die Konsequenz unausweichlich. So finster wie bei Fulci war das Ende noch nicht einmal bei Romero.

EDIT: Kurzer Nachtrag: Das Herz des Films schien mir bei dieser Sichtung Auretta Gay als Susan Barrett. Ihre Badeanzug-Szene ist der eine D’Amatoeske Kariberotikmoment, ihr Blick, als ein frisch auferstandener Zombie ihr den Kehlkopf wegbeißt, der blanke Unglauben, den ZOMBI 2 im Wesentlichen zum Thema hat. Und ihr Ende, wenn sie als Wiedergängerin mit leerem Blick vor ihrem von der Erscheinung ins Mark getroffenen Geliebten Brian (Al Cliver) steht, ein Augenblick tiefer Romantik, der bei Fulci natürlich in der blutigen Enttäuschung enden muss.

Seit dem Unfalltod der Mutter ist Emily (Nicoletta Elmi), die kleine Tochter des englischen Dokumentarfilmers Michael Williams (Richard Johnson), nicht mehr sie selbst. Als er sich nach Italien begibt, um dort seinen neuen Film über dämonische Gemälde zu drehen, nimmt er Emily und ihre Erzieherin Jill (Ida Galli) auf Rat eines Psychologen (Edmund Purdom) mit, damit sie in neuer Umgebung auf andere Gedanken kommt. Doch während Michael sich in ein mysteriöses Bild vertieft, das den Tod seiner Frau abzubilden scheint, und eine Liebesbeziehung mit seiner Produktionsassistentin Joanna (Joanna Cassidy) eingeht, stürzt seine Tochter immer tiefer in eine Krise, die die Menschen um sie herum in Lebensgefahr bringt. Ist sie von Dämonen besessen?

IL MEDAGLIONE INSANGUINATO (PERCHE?!) entstand wahrscheinlich im Zuge des bahnbrechenden Erfolgs von Friedkins Besessenheitsschocker THE EXORCIST (den erst 1976 ins Kino gekommenen THE OMEN nimmt er teilweise gar vorweg): Der hatte ja gleich mehrere italienische (und deutsche) Nachzieher inspiriert und sein Einfluss zeigt sich hier in der Gestalt der kleinen Emily, deren frühpubertäre Attacken möglicherweise mit dämonischer Besessenheit begründbar sind (und deren Gesicht schon in Filmen wie PROFONDO ROSSO, LE ORME, REAZIONE A CATENA oder CARNE PER FRANKENSTEIN selten Gutes verhieß). Mehr noch erinnert Dallamanos Film aber an Nicolas Roegs morbiden Venedig-Grusler DON’T LOOK NOW: Mit diesem teilt er den in der Vergangenheit liegenden Unglücksfall, der die Protagonisten nicht loslässt, die herbstlich-melancholische Stimmung sowie den englischen Papa, der sich beruflich in Italien aufhält. Die wunderschöne rotbemähnte Joanna Cassidy sieht Julie Christie zudem nicht unähnlich. Und wie in diesem tritt dann auch der fantastische Aspekt zugunsten einer Betrachtung über den Menschen in den Hintergrund. Es geht hier in erster Linie um einen Menschen, der nicht dazu befähigt ist, Glück zu empfinden. Der Fluch, der diesen Makel eventuell begründet, ist kaum mehr als schmückendes Beiwerk: Dallamano, den man in Deutschland vor allem mit den Giallos LA POLIZIA CHIEDE AIUTO und COSA AVETE FATTO A SOLANGE?, dem Polizeifilm QUELLI DELLA CALIBRO 38 und der Literaturverfilmung DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY verbindet (sowie natürlich mit seiner Kameraarbeit für die ersten beiden Teile von Leones DOLLAR-Trilogie), war dann wohl doch zu sehr Rationalist, als dass er an das Wirken böser Geister zu viele Gedanken verschwendet hätte. Das Finale, in dem sich das ganze Drama um die kleine Emily in einer schrecklichen Tat entfaltet, verfehlt seine Wirkung gerade deshalb nicht und schlägt den empathischen Betrachter mit bleischwerer Trauer und dem Einblick in eine derangierte Seele, die wohl tatsächlich nur unter einem schlechten Stern geboren worden war. Dämonische Flüche und geheimnisvolle Warnungen aus der Vergangenheit entspringen nur der Fantasie der Betrachter, die verzweifelt versuchen zu erklären, was doch unerklärlich ist. Leider jedoch wird das in IL MEDAGLIONE INSANGUINATO (PERCHE?!) nicht immer so konsequent entwickelt, wie es sich am Ende darstellt. Zwei Seelen schlagen, ach, in seiner Brust und halten den Film über große Teile der Laufzeit auf der Stelle fest. Zu viel Zeit wird auf das nur halbherzige Legen einer falschen Fährte verschwendet. Dass die logischerweise nirgendwo hinführt, ist nicht das Problem: Aber für den Horrorfilm, der zu sein IL MEDAGLIONE INSANGUINATO (PERCHE?!) über weite Strecken vorgibt, ist er einfach nicht unheimlich und spannend genug.

Das ist insofern schade, als man dem Film die Klasse Dallamanos natürlich trotzdem zu jeder Sekunde ansieht: Die Kamera von Franco Delli Colli fängt die ganze Farbenpracht des herbstlichen Umbriens und die romantisch verfallenen Landhäuser, in denen sich die Geschichte entfaltet, in wunderbar komponierten, stimmungsvollen Bildern ein, die Stelvio Cipriani mit einer jener klagenden Melodien veredelt, für die man das italienische Kino jener Zeit so liebt. In dem Moment, in dem Michael das unheimlich Bild zum ersten Mal in voller Größe sieht, er durch einen mit prunkvoller Kunst dekorierten Raum darauf zu schreitet, seine Aufmerksamkeit nur auf dieses eine Gemälde gerichtet, die schräg von oben einfallenden Lichtstrahlen einen zarten Schleier über die Szenerie legen und dazu diese heilige Melodie anhebt, möchte man einfach vergehen. In jeder Sekunde des Films spürt man die Sorgfalt, mit der er gefertigt wurde, sind es gerade die kleinen Details und Einfälle, die einen verzaubern: Wenn Michael im Finale etwa durch die engen Gassen des nächtlichen Spoleto rennt und dann hinter ihm wie aus dem Nichts eine Prozession von jungen Messdienern das Bild durchkreuzt. Dann das niederschmetternde Ende natürlich. Es steckt viel Magie in IL MEDAGLIONE INSANGUINATO (PERCHE?!). Nur das vermaledeite Drehbuch, das steht ihrer vollen Entfaltung leider im Weg. Vielleicht muss ich ihn auch nur noch einmal sehen, wenn ich weiß, was Dallamanos Film nicht ist.

Nach einem Schiffsunglück landet Lieutenant Claude de Ross (Claudio Cassinelli) mit einer Handvoll Überlebender auf einer Insel, die jedoch schon kurze Zeit später von merkwürdigen Fischmenschen dezimiert wird. Der zwielichtige Edmond Rackham (Richard Johnson), der die Insel gemeinsam mit der schönen Amanda (Barbara Bach) sowie einigen unter seinem Befehl stehenden Eingeborenen bewohnt, schweigt zunächst über den Ursprung der Kreaturen, doch de Ross bleibt hartnäckig: Es stellt sich heraus, dass Rackham das versunkene Atlantis entdeckt hat und mithilfe der Fischmenschen – den ehemaligen Einwohnern der vergangenen Zivilisation – hofft, gewaltige Reichtümer aus den Tiefen zu bergen. Bleibt nur die Frage, was es mit Amandas Vater, Prof. Ernest Mavin (Joseph Cotten) auf sich hat, der von Rackham gefangen gehalten wird …

Martinos L’ISOLA DEGLI UOMINI PESCE (deutscher Verleihtitel: DIE INSEL DER NEUEN MONSTER) orientiert sich unverkennbar an der zwei Jahre vorher entstandenen Wells-Verfilmung THE ISLAND OF DR. MOREAU: Eine hier wie dort stargespickte Besetzung tummelt sich auf einem nur auf den ersten Blick idyllischen Tropeneiland, die Inszenierung ist für italienische Verhältnisse erstaunlich gediegen und zurückhaltend und die Geschichte hat einen heute etwas betulich anmutenden Abenteuereinschlag, demgegenüber die Science-Fiction-Elemente eher in den Hintergrund gedrängt werden. Die moralphilosphischen Überlegungen, die Wells noch beschäftigten, sind hier bloßer Zierrat, in erster Linie geht es Martino um Schauwerte, die er dann auch liefert. Die Fischmenschen sind durchaus als gelungen zu bezeichnen, wenngleich sie an die Kreaturen aus Taylors Moreau-Film selbstverständlich nicht herankommen, die Unterwasserszenen um das versunkene Atlantis sind zwar etwas fadenscheinig, aber dennoch sehr atmosphärisch und liebevoll, und Settings wie auch die Besetzung lassen vermuten, dass Martino ein durchaus hübsches Sümmchen zur Realisierung des Films zur Verfügung stand. Dass L’ISOLA DEGLI UOMINI PESCE der große Erfolg trotzdem verwehrt bleibt, liegt vor allem darin begründet, dass die Auflösung um den Ursprung der Fischmenschen den Kenner des literarischen oder filmischen Vorbilds nur wenig überraschen kann, sich die Behutsamkeit, mit der der Film auf diese „Enthüllung“ zuläuft, damit als eher nachteilig erweist: L’ISOLA ist nach heutigen Maßstäben einfach ein bisschen zu langsam. Ich finde ihn dennnoch hochgradig sympathisch, weil er seine nun ziemlich depperte Geschichte nicht ironisch bricht, sondern ganz seriös erzählt und somit eindeutig auf ein Publikum abzielt, das bereit ist, das auf der Leinwand Gebotene für bare Münze zu nehmen und nicht ständig auf Realitätsnähe und Plausibilität abzuklopfen, sondern sich für 100 Minuten in eine Fantasiewelt entführen zu lassen. Filme dieser Art gibt es mittlerweile nicht mehr und L’ISOLA DEGLI UOMINI PESCE ist ein gutes Beispiel dafür, was wir damit verloren haben. Schön!

Hill House, ein prächtiges Anwesen in Neuengland, genießt nach einer turbulenten Geschichte voller Unglücks- und Todesfälle einen zweifelhaften Ruf als Spukhaus: Die Bewohner des angrenzenden Dorfs hüten sich, nach Einbruch der Dunkelheit auch nur in dessen Nähe zu kommen. Solche Gerüchte können den Anthropologen und Hobby-Parapsychologen Dr. Markway (Richard Johnson) jedoch nicht erschüttern. Er will dem Geheimnis von Hill House auf die Schliche kommen und lädt zu diesem Zweck drei Freiwillige ein, von deren Anwesenheit er sich eine Steigerung der Spukaktivitäten erhofft. Zu Recht: Vor allem auf die Anwesenheit von Eleanor Lance (Julie Harris), einer jungen Frau, die durch den Tod der Mutter, die sie jahrelang pflegen musste, schwer traumatisiert ist, reagiert Hill House ausgesprochen heftig …

haunting[1]Als ich THE HAUNTING zum letzten Mal gesehen habe, befand ich mich mitten in meinem Studium und hatte gerade so etwas wie mein erkenntnistheoretisches Coming-out gehabt. An THE HAUNTING begeisterte mich damals demzufolge vor allem die von Wise zunächst eingeräumte Möglichkeit, dass sich eine rationale, wissenschaftliche Erklärung für das Spukphänomen finden lassen könnte, der Spuk sich als Lug und Trug, als Projektion eines fehlgeleiteten Erkenntnisinteresses entpuppen würde. Somit war ich zum Ende des Gruselklassikers eher enttäuscht. Mit den letzten Worten Dr. Markways („This house is haunted!“) wird der unbewiesene Verdacht zum Fakt erklärt und jede Ambivalenz zerstört. So schien es mir zumindest damals: Ein schöner, seinerseits auf das dialektische Verhältnis von Erkenntnis und Interesse zurückgehender Fehlschluss, der das Gelingen von Wise‘ Film auf einer höheren Ebene bestätigt, als mir das damals bewusst gewesen wäre. Tatsächlich und ganz entgegen meiner ursprünglichen Meinung thematisiert Wise die Wechselwirkung von Beobachter und Beobachtetem ganz explizit. Auch die dazu im Widerspruch zu stehen scheinende übereilt-affirmativ wirkende Schlussbehauptung ist viel eher dazu geeignet, diese Deutungsmöglichkeit zu stützen, als sie aufzulösen. Es sind ausgerechnet die Worte des Wissenschaftlers Dr. Markway, die ein Ausrufezeichen unter den Film setzen, der eigentlich mit einem Fragezeichen hätte enden müsste. Dr. Markway erscheint nur auf den ersten Blick als Stellvertreter eines auf Ratio, Empirie und lückenlose Beweisführung bedachten Menschenschlags. In Wahrheit besucht er Hill House gar nicht mit dem Ziel einer objektiven, kritischen Betrachtung. Er will keine Frage stellen, sondern einen schon bestehenden Verdacht erhärten: Er will nicht herausfinden, ob es in Hill House spukt, sondern beweisen, dass es spukt. Ein solchermaßen angegangenes Experiment muss die gewünschten Ergebnisse zeitigen. Schon die Wahl seiner Assistenten ist ganz seinem Ziel untergeordnet: Mit Eleanor holt er sich eine labile Frau in sein Team, deren Schicksal – sie überhörte die Hilferufe ihrer im Nebenzimmer sterbenden Mutter – die Vorgänge, die zum letzten Todesfall in Hill House und damit zu dessen Ruf führten, exakt spiegeln. Eine Tatsache, die er auch vor Eleanor nicht geheimhält und so ihre Projektionen und Autosuggestionen geradezu heraufbeschwört. Markways wissenschaftliche Tätigkeit beschränkt sich auf lose Beobachtungen und unbewiesene Schlussfolgerungen, er führt weder Experimente durch, noch nimmt er Messungen vor. So bestätigt jedes Phänomen auf wundersame Art und Weise nur seine eh schon feststehende These: In Hill House spukt es tatsächlich. Weil er weiß, dass der Spuk eng mit denen verwoben ist, die ihn beobachten, sorgt er wenn schon nicht durch eigene Handlungen, so doch auf jeden Fall durch gezielte Unterlassungen dafür, dass Eleanor unter ständigem Stress steht: Er bringt sie mit Theo (Claire Bloom) zusammen, die ein mehr als nur platonisches Interesse an der jungen Frau entwickelt, hält gleichzeitig aber seine Ehe vor Eleanor geheim, weil er weiß, dass sie, ein absolutes Mauerblümchen, sich unweigerlich in ihn, ihren Helfer und Gönner, verlieben wird. Diese Konstellation führt wiederum zur Eifersucht Theos, die Eleanor in der Folge immer wieder mit gezielten Sticheleien provoziert. Natürlich sind die Vorgänge in Hill House nur schwerlich rational zu erklären: Aber Dr. Markway unternimmt ja noch nicht einmal den Versuch dazu, tut im Gegenteil alles dazu, eine nüchterne Auseinandersetzung mit seinem Forschungsobjekt zu unterbinden. In der mehr und mehr eskalierenden Stimmung verliert bald jeder den Kopf und gerät an den Rand der Panik. Die finale Katastrophe könnte weltlicher kaum sein. Für Markway ist sie dennoch der Beweis dafür, dass in Hill House fremde Kräfte walten.  

Letztlich ist es aber egal, ob man THE HAUNTING nun in dieser Hinsicht deuten möchte oder aber, ob man ihn als Haunted-House-Grusler begreift, der sein Herz am Revers trägt. Robert Wise‘ Film ist auch als solcher sehr effektiv, was nicht nur an seinen gelungenen Spezial- und Toneffekten liegt, sondern auch an der suggestiven Kameraarbeit, die u. a. Sam Raimi noch zwanzig Jahre später für seinen EVIL DEAD begeistert aufgegriffen hat. Die „schrägen“ Ereignisse in Hill House, in dem es, wie Dr. Markway sagt, keinen einzigen rechten Winkel zu geben scheint, werden in adäquat schrägen Kamerapositionen eingefangen, die den Zuschauer stets dazu zwingen, den Fokus vom Bildvordergrund in den Bildhintergrund zu verlagern. Das Ergebnis ist nicht nur eine permanente Unsicherheit darüber, wo denn nun was zu erwarten ist, sondern eine Infizierung des Bildes mit dem Bösen selbst. Hill House hat sich förmlich in jedes einzelne Bild eingeschrieben. Der solchermaßen infiltrierte Film muss letztlich genauso unzuverlässig sein, wie sein vom Erkenntisinteresse befallener Dr. Markway.