Mit ‘Andrew Prine’ getaggte Beiträge

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THE TOWN THAT DREADED SUNDOWN erlebte jüngst ein reichlich unerwartetes Remake: Zwar genießt er einen kleinen Kultstatus und hat seine Spuren in der Genrefilm-Geschichte hinterlassen, aber es ist ein eher kleiner, im positiven Sinne unspektakulärer Film, der nicht unbedingt nach einer Neuverfilmung schreit. Immerhin hat die Adaption den Weg für eine Neuentdeckung gebahnt, die sich nun auch in einer deutschen Blu-ray-Veröffentlichung unter dem wunderbaren alten Verleihtitel DER UMLEGER niederschlägt. Freunde des True-Crime-Kinos müssen eigentlich zuschlagen – der Film widmet sich einer Mordserie aus dem Jahr 1946 – und wer ein Faible für das lokale Exploitationkino der Siebziger hat, wird ebenfalls auf seine Kosten kommen. Für Critic.de habe ich ein paar Zeilen anlässlich der Veröffentlichung geschrieben. Hier geht’s lang.

In einem Nationalpark im Westen der USA läuft ein riesiger Grizzlybär Amok, killt alle Touristen, die ihm in die Quere kommen und verspeist sie. Der Parkwächter Kelly (Christopher George), der Hubschrauberpilot Don Stober (Andrew Prine) und der Bärenkenner Arthur Scott (Richard Jaeckel) versuchen, das Tier zu erlegen …

Girdlers GRIZZLY ist einer von zahlreichen im Fahrwasser des Erfolgs von Spielbergs JAWS schwimmenden Tierhorrorfilmen, die in den Siebzigern in die Kinos schwappten – mit eher mäßigem künstlerischen Erfolg zwar, aber darum ging es ja auch nicht unbedingt. Wenn man möchte, dann darf man es Girdler zugutehalten, dass er sich mit seinem GRIZZLY weit weg von Badestrand und öffentlichem Gewässer begab und so zwischen Riesenkraken, Killerwalen, Barracudas, Krokodilen und Piranhas wenigstens ein „Alleinstellungsmerkmal“ vorzuweisen hat, wenn er sich auch sonst sklavisch am JAWS-Script abarbeitet. Was das ganz große Déjà-vu verhindert, ist einzig und allein die Unbeholfenheit: Was in Spielbergs Film noch reibungslos lief wie eine gut geölte Maschine, das kracht und knirscht hier so laut wie die Knochen der von Meister Petz zermalmten Naturfreunde. Doch das ist nicht allein darauf zurückzuführen, dass Girdler eben kein Spielberg war: Es ist gerade der Schauplatzwechsel, der großen Anteil daran hat, dass sich der Thrill nicht so recht einstellen will.

In JAWS nahm das Meer bedrohliche Gestalt an, weil man nie genau wissen konnte, was sich in seinen Tiefen verbarg, es lockte geradewegs in ein Verderben, dem man gleichzeitig doch so einfach entgehen konnte – indem man nämlich draußen blieb; und Spielberg machte sich dies zunutze, in dem er seinen Film in nervenzerfetzende Szenen auf und im Wasser und in ruhige, Atempausen spendierende zu Land teilte. Der Wald aus GRIZZLY ist hingegen allgegenwärtig und gerade deshalb einfach nur Wald. Die Gleichung „Wald = Grizzly“ ist deutlich weniger plausibel als die Gleichung „Meer = Hai“, weil sich hinter den Bärenangriffen keinerlei Logik verbirgt. Wenn die Bärensubjektive durch den dunklen Tann stolpert, angelockt vom Frohlocken der Wanderer, dann krallt man sich nicht am Sitz fest wie in jenen Szenen, in denen man die Haifischperspektive einnahm, sondern fühlt sich eher an einen notgeilen Spanner erinnert – oder an Jason, der ja auch mit schlafwandlerischer Sicherheit immer genau da auftaucht, wo es gerade was zum Abschlachten gibt.

Natürlich hat – wie oben schon angedeutet – auch das Budget seinen Teil dazu beigetragen, dass hier eher nicht so viel geht: Ein den Anforderungen gewachsener elektronischer Bär war nicht drin, einen echten Grizzly konnte man aber auch nicht auf die Schauspieler loslassen. Und weil demzufolge Bär und Opfer  nie gemeinsam im Bild zu sehen sind, letztere es lediglich mit ins Bild gehaltenen Plüschgliedmaßen zu tun bekommen, stellt sich der Eindruck physischer Bedrohung, der für diese Art Film so wichtig ist, nie ein. Wie wenig Geld Girdler tatsächlich zur Verfügung stand, lässt sich zum einen am inflationären Einsatz des wahrscheinlich kostbarsten Guts der Produktion – eines Helikopters – ablesen, zum anderen an dem „visuellen Effekt“ namens „Kamerawackeln“, den Girdler verwendet, um das Schwanken eines Aussichtsturms, an dem der Bär rüttelt wie an einem Apfelbaum, ins Bild zu setzen. Rührend! Schon komisch, dass mir das alles nicht aufgefallen ist, als ich den Film im Teeniealter mal im Fernsehen zu Gesicht bekam. In meiner Erinnerung war GRIZZLY jedenfalls ziemlich knorke und ich habe mich immer über die bestenfalls verhaltenen Rezensionen im Netz gewundert. Naja, heute habe ich mich entsprechend köstlich gelangweilt bei dieser bärigen Schlaftablette, der ich einen kleinen Sympathiebonus dennoch nicht absprechen kann. Allein die Besetzung der drei Hauptfiguren verlangt dem Exploitationfreund ein anerkennendes Zungeschnalzen ab …

Der hoch geschätzte Psychologe C. J. Arnold (Richard Crenna) und seine Kollegin und Frau Caroline (Joanna Pettet) kaufen ein sagenumwobenes Haus,  um dort ein Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige aufzubauen. Schon kurz nach der Ankunft glaubt Caroline eine übernatürliche Präsenz zu spüren, doch ihr Mann schenkt ihr keine Beachtung. Als eine Gruppe von künftigen Mitarbeitern – darunter Prof. Raymond Guy (Andrew Prine) – und Patienten eintrifft, um bei den Aufräumarbeiten zu helfen, verstärken sich die unerklärlichen Phänomene, die dann völlig eskalieren, als C. J. eine versiegelte Tür im Keller öffnet. Einer nach dem anderen fällt einer bösen Macht zum Opfer …

Gus Trikonis THE EVIL speist sich aus einer ganzen Reihe von Vorlagen: Das Haunted House ist ein uraltes Motiv der Literatur- und auch der Filmgeschichte, das Robert Wise 1963 mit THE HAUNTING modernisierte, indem er es zum Dreh- und Angelpunkt des Konflikts zwischen der Ratio der Wissenschaft und dem tief im Menschen verankerten Aberglauben machte. Trikonis orientiert sich mit seinen akademisch gebildeten Protagonisten an dieser Vorlage, ohne jedoch das genannte Dilemma allzu weit in den Mittelpunkt zu rücken: Die Skepsis des Rationalisten muss man hier eher mit dem physikalischen Trägheitsgesetz in Verbindung bringen, weil sie  lediglich dazu dient, eine im Frühstadium noch mögliche Rettung so lange hinauszuzuögern, bis es schließlich zu spät ist. Dennoch kommt es zu einem aufgeheizten Dialog zwischen dem sich gegen die Annahme eines Spuks wehrenden C. J. und seinen weniger festgefahrenen Helfern, in dessen Verlauf der Wissenschaftler erkennen muss, dass es den von ihm vertretenen Prinzipien nicht widerspricht, das Undenkbare – frei nach Arthur Conan Doyle – als Möglichkeit zu akzeptieren, wenn alle anderen Erklärungen verworfen werden müssen.

Für C. J. wird der Aufenthalt im Haunted House dann in weiterer Folge zum ultimativen Persönlichkeitstest, denn Trikonis verquirlt den Spukhaus-Plot auch noch mit dem in den Siebzigern so angesagten Teufels- und Okkultschnickschnack: Das Böse, das C. J. aus Versehen freilässt, ist kein Geringerer als der Teufel persönlich (Victor Buono). So muss der Psychologe nicht nur hinnehmen, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die die menschliche Vorstellungskraft überschreiten, sondern tatsächlich göttliche (und eben teuflische) Kräfte im Kosmos walten. Dass ihn das dann allerdings auch nicht mehr weiter schocken kann, ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass der Auftritt Beelzebubs nicht wirklich überzeugt und den sonst sehr stringenten und dichten THE EVIL kurzzeitig in ein fehlgeleitetes Fantasykammerspiel verwandelt. Diese Zäsur fällt umso stärker auf, als Trikonis über weite Strecken seines Films die doch sehr weltliche und ganz und gar unmystische Zehn-kleine-Negerlein-Dramaturgie des noch im selben Jahr zur vollen Blüte reifenden Slasherkinos bemüht: Eines der Helferlein nach dem anderen wird auf fantasievolle Weise plattgemacht, bis kaum noch jemand übrig ist, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Den ganz großen Einfallsreichtum legt Trikonis bei der Erfindung der Todesarten aber nicht an den Tag, sodass die Szene, in der ein Protagonist von einer fremden Kraft in einen undruchdringlichen Schatten des Hauses gezerrt wird, als schauriges Highlight gelten darf. 

Auch wenn mein letzter Satz einen veritablen Langweiler vermuten lässt, ist THE EVIL doch ein durchaus stimmungsvoller kleiner Gruselfilm, der eindeutig davon profitiert, dass Profis wie Crenna, Pettet, Prine oder Buono auch dümmlichste Dialogzeilen noch überzeugend zu verkaufen wissen und die unspektakuläre Geschichte ohne aufgeblasenes Tam-Tam zu Ende erzählt wird. Dass für Spezialeffekte nicht übermäßig viel Geld vorgesehen war, tut dem Vergnügen keinen Abbruch, auch dann nicht, als man bei einer Geisterattacke deutlich die Schnur im Bild sieht, an der das Opfer „wie von Geisterhand“ durch den Raum gezogen wird. Ein größeres Problem stellt da schon die nach dem ganzen Aufbau doch sehr halbgare Auflösung mit dem schon erwähnten Teufelsauftritt dar: Aber immerhin kann man Trikonis nicht vorwerfen, nichts Neues versucht zu haben. Wer das staubig-verquere US-Horrorkino der Siebzigerjahre zu schätzen weiß, der wird sich auch bei THE EVIL vergnügen und die genannten Schwächen zu verkraften wissen. Gemessen an dem, was der arme C. J. durchzumachen hat, sollte das tatsächlich ein Klacks sein.

Der psychopathische Clement Dunne (Andrew Prine) bedroht die Models, die für die Jahresausgabe des „Bachelor“-Magazins nackt posiert haben, am Telefon damit, sie für ihr unmoralisches Verhalten zu bestrafen. Eine nach der anderen sucht er auf, um sie dann mit seinem Rasiermesser umzubringen …

THE CENTERFOLD GIRLS ist vordergründig ein recht typischer US-Exploiter der Siebzigerjahre und als solcher nicht übermäßig auffällig. Dass die Geschichte um den puritanischen Mordbuben sehr zurückhaltend in seinen Gewaltdarstellungen ist, mag vielleicht etwas verwundern, dass er dafür umso freizügiger die sekundären Geschlechtsmerkmale seiner zahlreichen attraktiven Darstellerinnen ins Bild rückt, gleicht jedwede Enttäuschung über diesen Makel aber mehr als aus. Dennoch kommt Peysers Film erstaunlich geschmackssicher daher: Die Inszenierung ist ruhig und beinahe als gediegen zu bezeichnen, selbstzweckhafte Subplots, ablenkende Musikeinlagen oder sonstige in diesem Genre nicht unüblichen Ablenkungsmanöver und Streckmittel sind gänzlich abwesend und die Darsteller – unter ihnen Veteran Aldo Ray als vergewaltigender Wolf im Schafspelz des braven Ehemanns – agieren allesamt mit einem ungewöhnlichen Maß an Zurückhaltung. Nun macht die bloße Verweigerungs- oder Antihaltung noch keinen eigenen Stil aus, was THE CENTERFOLD GIRLS aber aus der Masse vergleichbarer Ware wirklich herausstechen lässt, ist seine ungewöhnliche und interessante Erzählstruktur. Peyser gliedert seine Story in drei ungefähr gleichlange Episoden, die jeweils um eines der vom Killer ausgewählten Opfer kreisen. In Episode 1 wird Miss January erst von einer aufdringlichen Gruppe von Hippies in ihrem Haus belästigt und gedemütigt, dann vom braven Ehepaar Walker, bei dem sie um Hilfe bittet, abgewiesen und schließlich vom Ehemann Ed (Aldo Ray) vergewaltigt, bevor sich zu guter Letzt der Killer erbarmt und ihrem Leben ein Ende macht. Episode 2 kreist um eine Gruppe von Models, die für ein Fotoshooting zusammen mit ihrer biestigen Auftraggeberin, einem Fotografen und einem verhinderten Zuhälter auf eine kleine Insel fahren und dort schließlich einer nach dem anderen vom Killer erledigt werden. Den Spieß umdrehen darf in der dritten Episode die Stewardess Vera (Tiffany Bolling), der der Killer in ein Urlaubswochenende folgt, in dem sie zunächst von zwei lüsternen Matrosen unter Drogen gesetzt und dann missbraucht wird. Der Killer nähert sich ihr als Freund, wird von ihr aber schließlich enttarnt und seiner gerechten Strafe zugeführt. Das hört sich zugegebenermaßen weder besonders aufregend noch so „zurückhaltend“ an, wie ich ihn oben beschrieben habe, doch THE CENTERFOLD GIRLS ist durchaus sehenswert. Am interessantesten fand ich neben der Einteilung in Episoden die Methode, nach der der Killer seine Opfer auswählt: Er blättert durch den Kalender, wählt die jeweils vorne liegende Seite mit dem entsprechenden Model aus und schneidet nach vollbrachter Tat ihr Gesicht heraus. Das führt nun durch die Anordnung der Seiten logischerweise dazu, dass er nur das Playmate jedes zweiten Monats umbringen kann, weil die Seiten beidseitig bedruckt sind, das Model auf der Rückseite nach dem Herausschneiden des Gesichts auf der Vorderseite ja bereits „entfernt“ ist. Das wirft einige interessante Fragen über die Art der Störung des Killers und die Methode seiner Triebabfuhr auf: Tötet er durch das Herausschneiden der Gesichter mit jedem begangenen Mord gleich zwei Opfer auf einen Streich? Oder wird seine Psychose zusätzlich als „unheilbar“, sein Tun als sinnlos deklariert, weil mit jedem gelungenen Mord zwangsläufig ein potenzielles Opfer ungeschoren davonkommt? Frage, die der Film nicht explizit stellt, die ihm aber letztlich den Kick geben, dem er an anderer Stelle ausgewichen ist. Nice.