Mit ‘Anthony Mackie’ getaggte Beiträge

captain_america_civil_war_ver18_xlgDie beiden Filme um den „first avenger“ namens Captain America sind wahrscheinlich das beste, was unter dem Marvel-Logo bislang über die Leinwand geflimmert ist. Gerade der vorangegangene Teil wurde geradezu euphorisch aufgenommen und etablierte das inszenierende Bruderpaar der Russos sofort als neue Hoffnung am Franchise-Himmel. Wenn man sich den Drive anschaut, mit dem sie die Actionsequenz realisiert haben, mit der CAPTAIN AMERICA: CIVIL WAR beginnt, ist man geneigt, in die Jubelarien miteinzustimmen. Das Tempo ist hoch, der Schnitt frenetisch, ohne dabei die Übersichtlichkeit zu zerstören, und darüber hinaus ziemlich zupackend und brachial – durchaus überraschend für eine doch eher kindgerechte Comicverfilmung, deren Vielzahl an CGI einer echten, spürbaren Physis oft eher im Weg steht. Aber tonal hatte sich ja schon der Vorgänger vom bunten Firlefanz der anderen Filme des MCU abgehoben und die Brücke geschlagen zum Politthriller der Siebzigerjahre. Man mag es den Russos nicht verdenken, wenn sie die Erfolgswelle so lange reiten wie es geht und sich mit weiteren Comicverfilmungen gesund stoßen, aber insgeheim frage ich mich schon, zu was die beiden wirklich im Stande wären. „Wirklich“, das meint in diesem Fall: nicht in ein enges Konzept gepfercht, das wenig Freiheiten erlaubt, dafür aber vorsieht, dass innerhalb von knapp zwei Stunden ca. ein Dutzend handelnder Hauptfiguren eingeführt, ca. 28 offen herumliegende Handlungsfäden aufgenommen und nebenbei die nächsten zehn Filme angeteasert werden müssen.

Ich gebe, wie schon bei X-MEN: APOCALYPSE, gern zu, dass ich CAPTAIN AMERICA: CIVIL WAR deutlich besser fand als die letzten Marvel-Filme: Die Geschichte um den Riss, der durch die Superhelden-Mannschaft geht und sie plötzlich zu Feinden macht, ist um Längen interessanter als der Kampf um irgendwelche Steine mit unklaren Eigenschaften. Die Actionszenen sind, wie erwähnt, griffig inszeniert, die große Schlacht der Protagonisten gegeneinander stellt eine gelungene Übersetzung der Comic-Panels in Filmbilder dar, ebenso wie Spider-Mans unentwegte Sprücheklopferei hier sehr schön adaptiert wird. Und langweilig, wie so mancher Kollege, fand ich den Film auch nicht. Trotzdem muss ich nach 24 Stunden des Sackenlassens irgendwie konstatieren, dass CAPTAIN AMERICA: CIVIL WAR so gut wie gar keine Spuren bei mir hinterlassen hat. Er ist einfach so vorbeigerauscht. Ich weiß, oft genug lobe ich Filme für solche „Flüchtigkeit“ und Trivialität. Aber der hier will ja nicht flüchtig und trivial sein, sondern ist in jeder Sekunde mit dem Wissen um die Schlüsselfunktion produziert worden, die er im Übergang des MCU in die nächste Phase innehat. Satte 250 Millionen hat das Ding gekostet, das muss man sich mal vorstellen. Und dann hat man am Ende das Gefühl, eine überproduzierte Episode einer Fernsehserie gesehen zu haben. In irgendeinem Text, den ich unmittelbar nach dem Kinostart gelesen habe, fiel der Schreiber fast auf die Knie vor dem angeblichen erzählerischen Finessenreichtum, der Kunstfertigkeit, mit der alle zuvor angestoßenen Plotfäden hier zusammenlaufen. Ich glaube, für diese Form verblendeter Begeisterung bin ich zu alt: Das ist keineswegs genial, sondern genau wie in den zugrundeliegenden Heftchen (oder eben in einer Fernsehserie), nur dass man die in einer Viertelstunde durchgelesen hatte, nur einen Monat bis zur nächsten Ausgabe warten und dann nur ein paar Mark fuffzich dafür berappen musste, anstatt wie jetzt mit lauten Dröhnen der Marketingmaschine ein „Jahrhundertereignis“ vorgesetzt zu bekommen, dem dann ein ganzer Industriezweig seinen Merchandisingmüll hinterher kippt.

Ich finde es schade, dass ich nach mittlerweile zwei?, drei? Filmen immer noch nicht mehr über Hawkeye, Falcon oder Black Widow weiß, als dass sie Pfeile schießen, Flügel haben oder kämpfen können. Dass bei all der Zeit, die sie sich nehmen, entscheidende Handlungsmomente trotzdem noch lieblos hingeschludert oder schlicht hanebüchen wirken, Neuankömmlinge wie Black Panther oder Scarlet Witch (jaja, die war schon bei AVENGERS: AGE OF ULTRON dabei, aber wer will sich das alles merken), außer einem optischen Eindruck keinerlei Wirkung hinterlassen und das alles seltsam leer und leblos wirkt. Die Comics ließen auf wenigen Seiten und in statischen Panelen ganze lebendige Universen vor dem Auge entstehen, CIVIL WAR hingegen könnte auch in einem Gewerbegebiet gedreht worden sein, so aseptisch fühlt er sich an. Ich glaube, der Drang danach, die stilisierten, mal im- dann wieder expressionistischen Bilder der Comics in „realistische“ Filmbilder zu übersetzen, raubt den Figuren genau das, was ursprünglich mal ihre Kraft ausmachte und Menschen überhaupt dazu brachte, sie in ihre Herzen zu schließen: In den bunten Kästen gefangen wirkten Captain America, Iron Man und Konsorten wirlich überlebensgroß. In Fleisch und Blut sind sie Clowns mit überkandidelten Problemen.

 

19051754Wie der vor kurzem hier besprochene STRAIGHT OUTTA COMPTON, der sich mit der Geschichte der „world’s most dangerous group“ N.W.A. beschäftigte,  wurde auch NOTORIOUS, das Biopic über den 1997 erschossenen Rapper The Noroious B.I.G., kurz „Biggie“, von Beteiligten produziert. Neben Biggies einstigem Mentor, Freund, Labelchef und Produzenten Sean „Puffy“ Combs sorgte vor allem Voletta Wallace, die Mutter des Verstorbenen dafür, dass das Ansehen ihres Sprösslings nicht beschädigt werden würde. Wer Antworten auf die Fragen zu seiner und Tupacs Ermordung erwartet, wird enttäuscht. Dieser ganze Themenkomplex wird geradezu peinlichst gemieden, vielleicht auch, weil Voletta Wallace während der Produktion des Films mitten in einem von ihr initiierten Prozess gegen das LAPD steckte.Schon bei STRAIGHT OUTTA COMPTON war dieser Mangel an Objektvität problematisch, bei NOTORIOUS ist er nur einer von vielen Sargnägeln.

The Notorious B.I.G., mit bürgerlichem Namen Christopher Wallace, stieg in nur wenigen Jahren vom kleinen Straßenecken-Dealer zur lokalen Rap-Bekanntheit zum vielleicht einflussreichsten Rapper der Neunzigerjahre auf, verkaufte Millionen seiner Platten, avancierte zum Pop-Phänomen und zur Ikone. Wie vielleicht keinem anderen Rapper vor ihm gelang es Biggie die Zerreißprobe im Hip-Hop-Geschäft zu bestehen, das Mainstream-Publikum mit radiotauglichen Hits zu versorgen und sich mit harten „Bangern“ die Street Credibility zu wahren. Seine Ermordung im „Feindesland“ von L.A. war der Endpunkt eines medial aufgebauschten „Hip-Hop-Kriegs“ zwischen West- und Ostküste und wurde jahrelang als Vergeltungsschlag für die Erschießung seines einstigen Kumpels Tupac Shakur ein halbes Jahr zuvor angesehen (mehr Details dazu entnehmt ihr meinem Text zur Broomfield-Doku BIGGIE AND TUPAC). Bis heute ist sein Mörder nicht gefasst worden. So sehr sein Tod die kommerziell nicht unbedeutende Mythologisierung beförderte (das posthum veröffentlichte Album lautete auf den prophetischen Titel „Life after Death“), die Scarface-Parallelen unterstrich, die Biggie selbst so gern betonte, und ihn erst Recht zur überlebensgroßen Figur machte: Es besteht kaum ein Zweifel, dass der Rapper mit einem riesigen dichterischen Talent und Charisma ausgestattet war, die bei seinem Tod im Alter von nur 24 Jahren nicht annähernd ausgeschöpft waren.

Umso bedauerlicher (und unverständlicher), dass NOTORIOUS nicht über eine Ansammlung erzählerischer und inszenatorischer Klischees hinauskommt, die Einzigartigkeit seines Protagonisten zu keiner Sekunde wirklich einzufangen weiß und sich damit begnügt, eine Geschichte zu bebildern, die eh schon jeder kennt. Wallace (Jamal Woolard) wächst als Sohn der alleinerziehenden Mutter Voletta (Angela Bassett) auf, die ihn in bescheidenen, aber gesicherten Verhältnissen liebevoll, aber streng erzieht. Die Überzeugung, es als Schwarzer auf ehrliche Art und Weise nicht weit bringen zu können, lässt ihn eine Karriere als Dealer einschlagen, seine Gedanken und Gefühle ordnet er in Rhymes, die er in einem Buch sammelt. Er wird Vater, gerät mit dem Gesetz in Konflikt, landet im Knast und lernt schließlich Puffy Combs (Derek Luke) kennen, der ihn unter seine Fittiche nimmt und ihn gewissermaßen „rettet“. Der Aufstieg, gesäumt von schönen Frauen – Lil‘ Kim (Naturi Naughton) und Faith Evans (Antonique Smith) – und Reichtümern beginnt, aber bald zeichnen sich erste Schatten ab: Die Freundschaft zu Tupac (Anthony Mackie) zerbricht ebenso wie die Ehe mit Faith, seine Ermordung beendet ein turbulentes Leben vorzeitig und abrupt. NOTORIOUS findet seinen Frieden in dem Glauben, dass Biggie sein Leben bei seinem Tod wieder in den Griff bekommen hatte, und in den Bildern vom Trauerzug durch die Straßen seiner Heimat Brooklyn, bei dem Tausende von Menschen ausgelassen zu seiner Musik feiern. Ein paar Schrifteinblendungen käuen die Moral vom American Dream wieder, nach dem es jeder nach ganz oben schaffen kann: „The sky’s the limit.“

Teilweise wird NOTORIOUS so banal und klischeehaft, dass es fast wehtut, etwa wenn er den Rapper nach einem Unfall im Bett eine Montagesequenz vergangener Verfehlungen erträumen lässt oder er den Rapper mit Baby auf dem Arm als liebevollen Papa vor der vor Rührung ein Tränchen verdrückenden Mama inszeniert. Und nachdem Biggie seine Affäre mit Lil‘ Kim am Telefon mit einem gesalzenen „Fuck you, bitch!“ beendet, nimmt er das Töchterchen auf den Schoß und erklärt ihm ganz reuiger Sünder, dass es sich im Leben niemals von einem Mann als „bitch“ beschimpfen lassen soll. Alles ist vorgeformt, in Schablonen gepresst, lediglich darauf bedacht, ein eh schon im Kopf des Publikums existierendes Bild zu bewahren, es bloß nicht zum Wanken zu bringen. Würde man das reale Vorbild nicht kennen, man würde sich fragen, was denn nun eigentlich so besonders war an diesem Rapper, dessen Geschichte sich anhört wie Tausende andere vor ihm. Ein ganz großes Problem ist auch die Besetzung: Hauptdarsteller Jamal Woolard macht seine Sache sicherlich gut, vor allem in den musikalischen Passagen, die er m. W. ohne Nachsynchronisierung absolviert, doch ihm fehlt diese majestätische Präsenz, die Größe und die Aura, die Biggie zum Rapgott und Idol machte. Den zweifelnden, kämpfenden Künstler nimmt man ihm einfach nicht ab. Noch schlimmer ins Gewicht fällt das aber bei der Besetzung von Puffy Combs und Tupac: Derek Luke und Anthony Mackie können die riesigen Schuhe ihrer realen Vorbilder nicht annähernd ausfüllen, wirken wie banale Witzfiguren, zumal sie zu keiner Sekunde als Menschen greifbar sind. Tillman versäumt es völlig, die Motivationen, Gedanken und Emotionen seiner Charaktere wirklich nachvollziehbar zu machen: Sein einziges Mittel dazu sind der Dialog oder die schon erwähnten vorformatierten Bilder und Szenen. In seinen schlimmsten Momenten verkommt NOTORIOUS so zum Schülertheater, zum unbedarften Mummenschanz mit heftig grimassierenden Darstellern. Ob man dem Toten damit einen Gefallen getan hat? Mal schauen, ob der für dieses Jahr angekündigte Tupac-Film etwas Wiedergutmachung beetreiben kann.

 

„Entitlement“. Das englische Wort, für das es im Deutschen keine Entsprechung gibt, bezeichnet eine Haltung des Egoismus, des Neids und der Gier. Jemand, der sich „entitled“ fühlt, ist der Meinung, dass ihm bestimmte Dinge zustehen, ganz gleich, ob es sich dabei um materielle oder ideelle Güter handelt, und er vertritt diesen Glauben mit einer gewissen passiven Aggressivität: Er fordert lautstark ein, dass man ihm das, was er meint, sich verdient zu haben – qua bloßer Existenz oder besonderer Leistungen –, zukommen lässt. Leistet man dieser Forderung nicht folge, kann es ungemütlich werden. Das besondere Problem am Entitlement ist, dass jemand dieser Haltung meint, es sei gar nicht nötig, seinen besonderen Anspruch überhaupt zu begründen: Schon die bloße Nachfrage ist eigentlich ein Affront, weil das Entitlement bedingungslos ist. Es versetzt sein Subjekt in eine absolute Position, die gleichermaßen Ursache wie Folge seines Status ist. Entitlement ist ein Zirkelschluss: Man ist entitled, weil man entitled ist. Und jemand, der das anzweifelt, der zweifelt den Menschen, der der Meinung ist, dass ihm etwas zusteht, total an. Entitlement ist aber schon per se nicht zu befriedigen: Denn wer A bekommen hat, dem steht natürlich auch B zwangsläufig zu.

In PAIN & GAIN, einer auf wahren Begebenheiten aus den Neunzigerjahren basierenden Geschichte dreier Bodybuilder, die in Verfolgung des amerikanischen Traums zu Kidnappern, Betrügern und schließlich zu mehrfachen Mördern werden, zeigt Bay, wie der Turbokapitalismus die Haltung des Entitlement begünstigt, wenn nicht gar fördert, und zwar genau in jenen Menschen, die denkbar weit davon entfernt sind, überhaupt etwas einfordern zu dürfen. Wie nur wenige Filmemacher der letzten Jahre entzaubert er den außer Kontrolle geratenen US-amerikanischen Materialismus und Warenfetischismus, zeigt die Gefahren, die die Verheißungen des Tellerwäscher-Mythos bereithalten und was sie mit den weniger intelligenten Menschen anstellen, ohne dabei jedoch in plumpen Agit-Prop oder selbstgefälligen Zynismus zu verfallen: Bay versteht den Sexappeal von Reichtum und Affluenz, kleidet ihn in verlockende Bilder aus dem Hochglanz-Werbeprospekt, macht die Getriebenheit seiner Protagonisten nachvollziehbar und zeichnet sie weniger als ruchlose Kriminelle, denn als bemitleidenswerte Dummköpfe, die den Suggestionen der Medien und der Werbung hilflos ausgeliefert sind (durchaus im Kontrast zu den „echten“ Verbrechern übrigens, wie man hier nachlesen kann). PAIN & GAIN ist schreiend komisch, macht jedoch auch nicht den Fehler, seine fehlgeleiteten Helden zu verherrlichen oder zu entschuldigen: Wie sie mit der Logik von Cartoonfiguren in wilden Slapstickchoreografien immer tiefer in die Katastrophe schlittern, wie aus einer Schnapsidee fast übergangslos ein brutales Kapitalverbrechen wird, dessen Kaltschnäuzigkeit einem die Kinnlade herunterfallen lässt, ist zutiefst verstörend und furchteinflößend. In dieser gleichzeitigen Auslösung völlig unterschiedlicher, ja sogar gegensätzlicher Affekte – und natürlich in seiner neonbunten, sonnendurchfluteten und von hedonistischen Freuden frönender Popmusik durchzogenen äußeren Erscheinung – gäbe PAIN & GAIN zusammen mit Harmony Korines monströsem SPRING BREAKERS ein ideales Double Feature ab. Danach fühlte man sich wahrscheinlich wie auf Koks und Ecstasy, vollkommen euphorisiert und mit dem Duft von Sonnenöl in der Nase.

Daniel Lugo (Mark Wahlberg) ist Bodybuilder und Personal Trainer, von seinem eigenen Körper und seiner Fitness berauscht, von allem Schönen angezogen, während er sich von Hässlichem abgestoßen, ja geradezu beleidigt fühlt. „I believe in fitness“, lautet sein Credo und er sagt es auf, als seien darin die Antworten auf alle unbeantworteten Fragen enthalten. Doch sein Leben steht in inakzeptablem Kontrast zur selbst diagnostizierten Herrlichkeit und Überlegenheit: Bildung und Qualifikation reichen nicht aus, um sich den Lebensstil, den er zu verdienen meint, leisten zu können. Vom Ermächtigungssülz eines Selbstverwirklichungsgurus (Ken Jeong) berauscht, schmiedet er einen Plan, ans das große Geld zu kommen, das ihm das Schicksal verweigert: Er will seinen Kunden, den halbjüdischen Millionär Victor Kershaw (Tony Shalhoub), selbst mit halbseidenen Methoden zu Reichtum gekommen, entführen und ihn dann unter Androhung von Konsequenzen dazu bringen, ihm sein gesamtes Vermögen zu überschreiben. Bei der Verwirklichung seines „genialen“ Plans sollen ihm zwei Bodybuildung-Kumpels helfen: Paul Doyle (Dwayne Johnson), ein gläubiger Ex-Sträfling mit zu großem Herzen, und Adrian Doorbal (Anthony Mackie), der vom hemmungslosen Steroidgebrauch impotent geworden ist. Es ist die geballte Dummheit und Einfalt, gepaart mit dem unerschütterlichen Glauben an das eigene Genie, das den idiotischen Plan schon während der ersten Etappe scheitern lässt: Lugo bemüht zwar einen von seinem Idol Tony Montana abgeschauten Akzent, verwendet aber nach wie vor dasselbe unverwechselbare Parfüm. Somit ist klar, dass man sich des überaus hartnäckigen Opfers, das nach erfolreicher Transaktion eigentlich unversehrt entlassen werden sollte, entledigen muss. Doch auch als Mörder sind Lugo und Co. schlicht zu dämlich. Kershaw überlebt schwer verletzt und aller Habseligkeiten beraubt, seiner haarsträubenden Geschichte mag jedoch keiner der ermittelnden Beamten Glauben schenken. So setzt er den Privatdetektiv Ed DuBois (Ed Harris) auf die Peiniger an, die mit dem neu erworbenen Reichtümern nicht wirklich umzugehen wissen und daher bald finanziellen Nachschub brauchen …

PAIN & GAIN ist ein einziger Rausch, schießt dem Betrachter in die Birne wie eine gute Droge oder pures Adrenalin, benebelt die Sinne mit synthetischer Musik und leuchtenden Bildern des Urlausbparadieses Miami, einer Oase materieller Affluenz und geistiger Armut. Es ist der ideale Nährboden für die größenwahnsinnigen Ideen seiner Hauptfigur, der umgeben von modellierter Schönheit und geschmacklosem Luxus bald schon nicht mehr zufrieden ist mit dem, was das Leben für ihn vorgesehen hat. Es ist aber auch schwer zu verstehen, warum man sich tagtäglich damit herumschlagen muss, hässliche alte Frauen fitzumachen, nur um dann abends in sein verramschtes Apartment zurückzukehren, wenn die Helden aus Film und Fernsehen durch pure Chuzpe zur ganz großen Kohle kommen. Dass es weder mit Tony Montana noch mit dem Corleone-Clan ein nacheifernswertes Ende nimmt, ist ein zu vernachlässigendes Detail, zumal Lugo sich eh für intelligenter als die Vorbilder hält. Mark Wahlberg, dessen Erfolg ich nur schwer nachvollziehbar finde, brilliert als verblödeter Einfaltspinsel mit Omnipotenzfantasien in einer Rolle, die an seinen Durchbruch mit BOOGIE NIGHTS erinnert. Wie er sich zum Anführer und Mastermind seines traurigen Trios emporschwingt, ruft die grandiose Brock-Landers-Sequenz besagten Films ins Gedächtnis: In ihm verschmilzen oben beschriebenes Entitlement, Dummheit, Konsumwahn und ein mit der Realität verwechseltes Filmwissen zu einer hochexplosiven Mischung, die von seinem stets etwas farblosen Gesicht und der regungslosen Mine zu großem komischen Effekt kontrastiert wird. Dwayne Johnson zeigt als Kind im Körper eines Bären ungeahntes Potenzial und frisst sich gegen Ende, vom Koks in andere Stratosphären des Bewusstseins gepeitscht, mit seinen strahlend weißen Zähnen durch den Film, dass einem Hören und Sehen vergeht. Aber make no mistake, den Löwenanteil am grandiosen Gelingen dieses Films trägt Michael Bay auf seinen schmalen Nerdschultern und er straft hier all jene Lügen, die ihn immer nur für einen Durchlauferhitzer schwachbrüstiger Ideen, als handwerklichen Dünnbrettbohrer oder das filmische Äquivalent eines Dampfplauderers gehalten haben. Sein visuelles Gespür konnte man ihm schon vorher nur mit äußerster Böswilligkeit absprechen (was die meisten nicht davon abgehalten hat), aber hier zeigt er auch, dass er sich zu zügeln versteht. Die streitbaren Schnitteskapaden sucht man vergebens, und auch wenn PAIN & GAIN von seiner Anlage her bestimmt nicht der Film ist, den man als „gezügelt“ bezeichnen sollte, so zeigt Bay doch, dass er in der Lage ist hochökonomisch und pointiert zu arbeiten. Ihm hilft ein Drehbuch, dessen beste Dialogzeilen reine, wenngleich bitterböse Poesie sind und die Gesellschafts- und Konsumkritik in treffsichere Aphorismen packen: „I don’t just want anything. I want you not to have it!“

Es ist wahrscheinlich schwer vermittelbar, aber Michael Bay hat mit PAIN & GAIN genau das kritische amerikanische Meisterwerk geschaffen, das sonst mit größter Vorhersagbarkeit P. T. Anderson und Konsorten zugeschrieben wird. Und Armond Whites Review ist spot on.

Team Bravo, eine US-amerikanische Bombenentschäfungseinheit in Bagdad, wartet auf das kurz bevorstehende Ende des Einsatzes, als der Einsatzleiter Staff Sergeant Matt Thompson (Guy Pearce) bei einer Explosion ums Leben kommt. Er wird ersetzt von Sergeant William James (Jeremy Renner), der seine Kameraden, Sergeant Sanborn (Anthony Mackie) und Eldridge (Brian Geraghty) mit seinen draufgängerischen Aktionen mehr als einmal in Gefahr bringt …

„Krieg ist eine Droge.“ behauptet THE HURT LOCKER zu Beginn per Schrifteinblendung und setzt in den folgenden 125 Minuten alles daran, den gezogenen Vergleich plausibel zu machen. Sein Protagonist Sergeant William James ist der Abhängige, der die Grenzerfahrung des Bombenentschärfens braucht, weil sie von vollkommener Klarheit ist: Leben oder Tod, mehr gibt es nicht. Am Ende, wenn man ihn nach seiner Heimkehr in einem Supermarkt beim Einkaufen mit seiner Familie sieht, er vor der riesigen Auswahl verschiedener Sorten Frühstücksflocken kapituliert, ahnt man, was er an seinem Job so schätzt – und man weiß, dass er seiner Aufgabe solange nachgehen wird, bis er einmal die falsche Entscheidung trifft, ihn die Bombe, die er entschärfen soll, zerreißt. Es ist ein Sterben auf Raten, das er vollzieht: In einer Schachtel (dem titelgebenden „hurt locker“) sammelt er Teile von Sprengsätzen, die er entschärft hat und die ihn daran erinnern, dass er hätte sterben können. Der Adrenalinschub, den er bei der Ausübung seiner Tätigkeit erfährt – und den Kathryn Bigelow in ihrer messerscharfen Inszenierung für den Zuschauer erfahrbar macht -, hält nicht lang vor, rettet ihn nur bis zum nächsten Einsatz, der eine weitere, noch tollkühnere Gratwanderung für ihn bedeutet. THE HURT LOCKER ist kein handelsüblicher Kriegsfilm und noch nicht einmal zwingend als Antikriegsfilm zu bezeichnen. Politik interessiert Bigelow in diesem Film gottseidank nur wenig. Es gibt keine der seit einigen Jahren so angesagten Selbstkasteiungen der USA, keinen plumpen Antiamerkanismus, keinen naiven Pazifismus, keine weinenden Witwen, keine langgezogenen Sterbeszenen, keine sinnlosen Heldentode, die mit den filmischen Mitteln der Emotionalisierung ausgewalzt würden. Gestorben wird in THE HURT LOCKER kurz und heftig, dann geht man wieder zur Tagesordnung über, weil man sonst selbst riskiert, draufzugehen. Krieg ist ein dreckiges Geschäft, das Menschen körperlich und seelisch zerstört, aber es ist ein seit Menschengedenken etabliertes Mittel der Kommunikation. Die Frage, die Bigelow viel mehr interessiert als letztlich müßige Erörterungen von Moral und Recht: Was treibt die Beteiligten an, sich an diesem Geschäft zu beteiligen? Und da findet sie Antworten, die wahrscheinlich viel erschütternder sind als alles Auswalzen von Leid oder das Breittreten von Grausamkeiten, die ja immer auch verkennen, dass es den „sauberen“ Krieg nun einmal nicht gibt. Krieg kann eine ziemlich überwältigende Erfahrung sein, eine, die alles in den Schatten stellt, und ironischerweise das normale Leben mit seinen banalen Handlungen und nichtigen Entscheidungen dagegen wie die Hölle erscheinen lässt. Diese Erkenntnis muss ich erst einmal verdauen.