Mit ‘Maria Rohm’ getaggte Beiträge

Ein Mann, der Jazztrompeter Jimmy (James Darren), findet am Strand die Leiche der jungen Wanda (Maria Rohm), die er wenige Tage zuvor auf einer Party getroffen hatte und dabei Zeuge wurde, wie sie von dem Kunsthändler Kapp (Dennis Price), der Fotografin Olga (Margaret Lee) und dem Playboy Ahmet (Klaus Kinski) in einem perversen Spiel gequält und gefoltert worden war. Der Leichenfund treibt den Musiker nach Rio, wo er eine Beziehung mit der Nachtclub-Sängerin Rita (Barbara McNair) eingeht und wenig später einer Frau begegnet, die wie das Ebenbild der toten Wanda aussieht. Der schweigsamen Frau fallen nacheinander die Peiniger der Ermordeten zum Opfer. Wer ist die mysteriöse Frau? Ist sie eine Doppelgängerin oder ein Geist? Und welche Rolle spielt Jimmy, der immer mehr an seinem Verstand zweifelt, in der Geschichte?

VENUS IN FURS, der in die Reihe der Towers-Produktionen gehört, in die Franco zum Ende der Sechzigerjahre involviert war, ist ein Mysterium. Unter anderem mit deutschen Geldern kofinanziert, erfuhr der Film nie einen Deutschlandstart, obwohl er sicherlich zu den erfolgversprechenderen, „massentauglichen“ Werken des Regisseurs gehörte. Die beiden stark voneinander abweichenden existierenden Schnittfassungen lassen darüber hinaus vermuten, wie Thrower in „Murderous Passion“ schreibt, dass Franco den Film nie wirklich fertigstellte, zumindest keinen Rohnschnitt anfertigte. Die italienische und die amerikanische Fassung erzählen jeweils eine völlig eigene Version Geschichte, was den Verdacht nahelegt, dass es keine Anweisung gab, wie das vorliegende Material sinnhaft zu verknüpfen war.

In der amerikanischen Fassung, die mir vorlag, rückt ein prominenter Voice-over den Film in die Nähe des Film Noirs, der in seinen expressiveren Momenten wie VENUS IN FURS von Desorientierung, Identitäts- und Realitätsverlust erzählte, doch die Bildwelt ist unverkennbar die der psychedelischen, freigeistigen Sixties. Mit beiden Strömungen korreliert die elliptische, sprunghafte, repetitive Struktur des Films, dessen drei zentrale Mordszenen einen Großteil der Laufzeit ausmachen und der mit Szenen am Strand beginnt und endet. Das Spiel mit der Zeit, das endlose Zerdehnen und die großzügigen Wiederholungen sind natürlich ein Standard im Schaffen des spanischen Vielfilmers und sie finden in VENUS IN FURS eine sehr geschliffene, verführerisch oszillierende Umsetzung. Wem die Francos der Siebziger zu billig, zu improvisiert, zu hingeworfen, zu langweilig und zu unambitioniert sind, der dürfte mit VENUS IN FURS seine helle Freude haben, denn der Film ist eine Augen- und dank des famosen Scores von Manfred Mann auch eine Ohrenweide. Das zentrale Mysterium um die Identität des weiblichen Racheengels spiegelt sich in seiner funkelnden Oberfläche, die zwischen den Fingern zerfließt, wenn man sie greifen möchte. Im Kern geht es um Lust (Sadismus spielt wieder einmal eine zentrale Rolle) und um die Schuldgefühle, die sie auslöst: VENUS IN FURS lässt sich als der neunzigminütige guilt trip eine Mannes beschreiben, dessen Selbstschutzmechanismen nahezu perfekt funktionieren – bis zur Selbstverleugnung gewissermaßen. Wer eine dem Krimi entsprechende saubere Auflösung der Vorgänge erwartet, wird wahrscheinlich enttäuscht werden: VENUS IN FURS bildet weitestgehend innere psychische Vorgänge ab, die sich nicht eins zu eins übersetzen oder lückenlos interpretieren lassen.

Die ideale Rezeptionshaltung ist es gewiss, den Film über sich hinwegspülen zu lassen wie einen guten Rausch, sich ihm vorurteilsfrei auszusetzen und vom Zauber seiner Komposition und der kunstvollen Gestaltung seiner Set Pieces einnehmen zu lassen. Maria Rohm ist ein wunderbarer Racheengel und allein der erste Mord, bei dem sie dem alternden Kapp einen tödlichen ruined orgsam beschert, ist ein Meisterstück von Inszenierung und Schnitt. Geistes- und kulturgeschichtlich scheint mir außerdem bemerkenswert, dass Franco den großen Kater, der dem Sommer der Liebe folgen sollte, bereits zu einem Zeitpunkt antizipierte, als die meisten noch ganz mit den Freuden des Trips beschäftigt waren. Die Verheißungen der „freien Liebe“, von Love-ins und Drogenexzessen zeigen hier schon die hässliche Seite ihres Gesichts: Der große Kick ist nicht ohne Nebenwirkungen zu haben. Rauschhaft, betörend und ganz gewiss die beste der Kollaborationen zwischen Towers und Franco. Eine Schande, dass der Film hierzulande nie zu sehen war.

Man könnte die neun Filme, die Jess Franco zwischen 1968 und 1970 für den Briten Harry Alan Towers drehte – DER TODESKUSS DES DR. FU-MANCHU, DER HEISSE TOD, VENUS IN FURS, DIE SIEBEN MÄNNER DER SUMURU, MARQUIS DE SADE: JUSTINE, DIE FOLTERKAMMER DES DR. FU-MANCHU, DIE JUNGFRAU UND DIE PEITSCHE, DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR und NACHTS, WENN DRACULA ERWACHT – als seine zugänglichsten bezeichnen: Sie sind vergleichsweise üppig budgetiert, bunt, prominent besetzt und allesamt dem Feld des Genrefilms zuzurechnen. Wer den Einstieg in das Werk des produktiven Spaniers sucht, findet hier einen naheliegenden Zugang. Aber ist das wirklich ein Zugang?

DIE SIEBEN MÄNNER DER SUMURU basiert wie schon die beiden Fu-Manchu-Filme auf den Pulp-Romanen von Sax Rohmer: Sumuru (Shirley Eaton) ist eine größenwahnsinnige Superschurkin, die in ihrer Kunststadt Femina eine weibliche Armee befehligt, mit der sie die verhasste männliche Gattung auszulöschen gedenkt. Um ein saftiges Startgeld für ihren ehrgeizigen Plan zu erpressen, hat sie Ulla (Marta Reves) entführt, die Tochter des wohlhabenden Bankers Rossini (Wolf Rilla). Der engagiert den Privatdetektiv Jeff Sutton (Richard Wyler), um die Tochter zu befreien und Sumuru das Handwerk zu legen.

Möglicherweise macht DIE SIEBEN MÄNNER DER SUMURU in der richtigen Laune richtig Spaß: Der Film hat haufenweise tolle Kostüme, viel nackte Haut, absurde Einfälle und jenen Charme, den diese den muffig riechenden Seiten der Schundromane entrissenen Abenteuerfilme fast immer für sich in Anspruch nehmen können. Die Anlehnung an die zur selben Zeit Kassenrekorde aufstellenden Bond-Filme sorgt immer wieder für entwaffnende Peinlichkeiten wie die Foltermaschine, die zwar eine Düse hat, aber eben keinen sichtbaren Laserstrahl wie bei GOLDFINGER. Herzallerliebst, wie sich die Gefolterten unter dem Gerät winden, das offenkundig gar nichts macht. Mit seinen knapp 80 Minuten bietet Francos Film auch nicht gerade viel Gelegenheit für Langeweile. Trotzdem ist mir DIE SIEBEN MÄNNER DER SUMURU  ziemlich am Allerwertesten vorbeigegangen: Man merkt einfach, dass Franco für die Abwicklung des Plots, für spektakuläre Effekte und Actionsequenzen einfach keinen Enthusiasmus aufbringen konnte. Wahrscheinlich hat ihn die Eröffnungsmontage, die sich im Trockeneisnebel räkelnde leicht bekleidete Damen und kurze sadomasochistische Spielchen mit leidenden Männern zeigt, noch am meisten gekickt (mich übrigens auch). Stephen Thrower merkt in seinem Buch „Murderous Passions“ mehrfach an, dass Franco sich besser mit weiblichen Helden identifizieren konnte und das belegt auch dieser Film, der immer aufblüht, wenn er sich der männerhassenden Sumuru zuwendet und förmlich einschläft, sobald der männliche Held die Szenerie betritt. Ich will nicht übermäßig hart mit DIE SIEBEN MÄNNER DER SUMURU ins Gericht gehen, denn der ist natürlich liebenswert und in der passenden Tagesform vielleicht sogar richtig vergnüglich. Ich erwarte von Franco aber etwas anderes: Poesie, Wahnsinn, aufreizende Schlampigkeit, betörende Langsamkeit. Die Towers-Produktionen sind alles das nicht und als „Einstieg“ demnach nur dann geeignet, wenn man bereit ist, sich danach auf etwas völlig anderes einzulassen.

tenlittleindiansAgatha Christies Roman „And then there were none“ von 1939 wurde etliche Male verfilmt: Die früheste Adaption datiert laut Wikipedia auf 1945 und wurde von René Clair inszeniert, selbst mehrere indische und tamilische Produktionen sind bekannt. Peter Collinsons Film von 1974 liegt ganz auf der Linie der im selben Jahr mit Sidney Lumets MURDER ON THE ORIENT EXPRESS gestarteten Poirot-Reihe: Beeindruckende Star-Ensembles wurden für gediegen-altmodische, leicht schwarzhumorige internationale Prestigeproduktionen vor der Kamera versammelt und für die nötigen Schauwerte an exotische Schausplätze verfrachtet. Im vorliegenden Fall sind es Oliver Reed, Richard Attenborough, Herbert Lom, Elke Sommer, Stephane Audran, Adolfo Celi, Gert Fröbe, Charles Aznavour, Maria Rohm und die Stimme von Orson Welles, die um die Gunst des Zuschauers buhlen. Leider bekommen sie vom Drehbuch nicht viel geliefert: Sie sagen brav ihre Dialogzeilen auf, geistern sonst aber ebenso verloren durch die pompöse Kulisse des Shah Abbas Hotels in Isfahan wie ihre Charaktere, die sich einem unbekannten, aus dem Dunkel zuschlagenden Mörder gegenübersehen. Ich meine, den Film als Kind gesehen und sehr beeindruckend gefunden zu haben, heute regierte eher die Langeweile, die nur von der Sympathie für solche in ihren Marketing-Mechanismen krass durchsichtigen und Mitte der Siebziger von der Zeit eigentlich längst überholten Vehikel etwas gemildert wird.

Man sieht das Potenzial an allen Ecken und Enden: Die Fotografie ist fantastisch, ein Italiener hätte mit den zur Verfügung stehenden Mitteln vermutlich einen wunderbar psychedelischen Giallo gezaubert. So saß aber der Brite Collinson auf dem Regiestuhl: TEN LITTLE INDIANS ist weitgehend spaßfrei, knochentrocken und von seiner eigenen Bedeutung als großes Entertainment allzu sehr überzeugt. Die strukturelle Herausforderung, einen Film ohne Mörder zu drehen, bekommen weder er noch das Drehbuch in den Griff, manchmal nimmt der Film geradezu unverzeihliche Abkürzungen: Die „Durchsuchung“ des in den Totalen als monumentaler Komplex erkennbaren Hotels dauert gerade mal fünf Minuten, nach denen die Figuren wahrhaftig der festen Überzeugung sind, jeden Winkel durchkämmt zu haben. Die meiste Zeit gucken sie demnach trüb in die Gegen und überlegen, wer der Bösewicht sein könnte, bevor einer in rätselhafter Geistesabwesenheit die Gruppe verlässt und ebenso offscreen wie  unspektakulär sein Leben aushaucht. Spannung kommt auch nicht auf, als die Verbliebenen beginnen sich gegenseitig zu verdächtigen, wohl auch, weil keiner von ihnen echtes Profil über sein berühmtes Antlitz hinaus entwickeln darf. Erst der Schlussgag sorgt dann für ein wenig Stimmung und jenes wohlige Frösteln, das TEN LITTLE INDIANS eigentlich während seiner kompletten Laufzeit hätte hervorrufen sollen. Kein richtiger Reinfall, aber doch eher ernüchternd.

Der Frauenknast auf der sinnig benannten Isla del Muerte wird mit eiserner Hand geführt: Die psychotisch-nervöse Wärterin Thelma Diaz (Mercedes McCambridge) bestraft das kleinste Vergehen mit Kerkerhaft, ihr Vorgesetzter, der Gouverneur Santos (Herbert Lom), gibt sich nicht allzu viel Mühe, sie in Zaum zu halten. Die neu angekommene Insassin (Maria Rohm), nach ihrer Häftlingsnummer nur Nr. 99 genannt, muss gleich am eigenen Leib erfahren, was auf sie zukommt: Als sie um Hilfe für eine unter Entzugsschmerzen leidende Zellengenossin ruft, handelt sie sich eine schöne Strafe ein. Die Häufung von mysteriösen Todesfällen ruft allerdings die Regierung auf den Plan, die die Beamtin Leonie Carroll (Maria Schell) zur Untersuchung der vorherrschenden Zustände schickt. Ihre Versuche, bessere Bedingungen für die Häftlinge zu schaffen, werden aber schließlich von der Flucht dreier Damen, darunter auch Nr. 99, unterwandert …

DER HEISSE TOD gilt als Startschuss für die neue Welle von Frauenknastfilmen, die vor allem in den Siebzigerjahren über die Bahnhofskinos schwappte und dem so entstandenen Subgenre sogar ein eigenes Kürzel bescherte: WiP – Women in Prison. Etwas zu Unrecht werden die WiP-Filme meist mit schlimmstem Schmuddelkram assoziiert, dabei sind die frühen Vertreter jener Welle, wie etwa dieser hier, CAGED HEAT, THE BIG DOLL HOUSE oder auch THE BIG BIRD CAGE, durchaus respektabel; exploitativ zwar, sicherlich, aber deutlich weniger niederträchtig, billig und schäbig als das, was da etwas später, etwa unter der Regie von Mattei und Konsorten, das Licht der Welt erblicken und den Frauenknastfilm als eine besonders ekelhafte Form von Gewaltpornografie abstempeln sollte. Auch DER HEISSE TOD ist, wie eigentlich alle in jener Zeit vom Briten Harry Alan Towers produzierten Filme des Spaniers, gediegen inszeniert, gut besetzt und geschmackvoll ausgestattet, deutlich näher dran am großen, bunten und gutgelaunten Abenteuerkino der Sechzigerjahre als an der dreckigen, wütenden und hässlichen Exploitation des Folgejahrzehnts. Natürlich sind alle Zutaten, die den Frauenknastfilm auch später noch definieren sollten, schon drin: schöne Frauen (neben den bereits genannten noch Luciana Paluzzi und die tolle Rosalba Neri, die hier die ganze Zeit ganz fasziniert von ihren eigenen bestrumpften Beinen ist), Lesbensex, eine sadistische Wärterin, ein nazihafter Politiker in Militäruniform und eine Portion Sadismus. Auch die Handlungsstruktur – auf den harten Knastalltag folgt irgendwann die Flucht, die meist jedoch scheitert – wurde in späteren Filmen nur noch milde variiert. In DER HEISSE TOD ist also alles noch eine ganze Spur zahmer und gesitteter – der Sex (sehr psychedelisch meist in disorientierenden Close-ups gefilmt, die mehr andeuten als zeigen), die Gewalt (eigentlich immer offscreen) – und mit dem Einsatz von Maria Schell als stets besorgt dreinblickender Pädagogin gelingt es Franco manchmal fast, einen davon zu überzeugen, hier eines ernsthaften Human-Interest-Dramas um unmenschliche Haftbedingungen ansichtig zu werden (zumindest scheint er Maria Schell davon überzeugt zu haben, in einem solchen mitzuspielen).

Wer mit Jess Franco bislang nichts anfangen konnte, wem seine Filme immer zu billig, zu krude, zu dusselig oder zu schlampig waren, der hat mit den in Kollaboration mit Towers entstandenen Filmen – z. B. THE BLOOD OF FU MANCHU, MARQUIS DE SADE: JUSTINE, IL TRONO DI FUOCO oder EUGENIE – vielleicht eine Chance, doch noch mit dem Werk des umtriebigen Spaniers warm zu werden. Ich bin da hin- und hergerissen: EUGENIE halte ich bislang für den stärksten Film Francos, DER HEISSE TOD jedoch ist mir eine Spur zu langweilig geraten. Da würde ich dann den weniger aufwändigen, dafür aber völlig wahnsinnigen SADOMANIA jederzeit vorziehen. Kommt wohl drauf an, was man will: Die Towers-Francos sind handwerklich besser, haben bessere Production Values und sind insgesamt etwas „gebügelter“ als die anderen Francos. Ich bin mittlerweile soweit, dass ich seine Filme gerade wegen ihrer Idiosynkrasien zu schätzen weiß.

Die Heranwachsende Eugenie (Marie Liljedahl) wird von der dekadenten Sadomasochistin Madame Saint Ange (Maria Rohm) und deren Stiefbruder/Geliebten Mirvel (Jack Taylor) in die gemeinsame Villa auf einer Mittelmeer-Insel eingeladen. Dort setzen die beiden das junge Mädchen unter Drogen und unterziehen sie zunehmend brutaleren Sexspielen. Unter der psychischen Belastung verliert Eugenie schließlich den Verstand …

In dem Interview mit Jess Franco, das im Bonusmaterial der Blue-Underground-DVD enthalten ist, bezeichnet der spanische Vielfilmer EUGENIE,  die Verfilmung des De-Sade-Romans „Die Philosophie im Boudoir oder Die lasterhaften Lehrmeister“, als den einzigen seiner Filme, den er wirklich mag. Und selbst der dem schlechten Geschmack sonst eher abgeneigte Christopher Lee bricht anlässlich der Zusammenarbeit für EUGENIE eine Lanze für Franco, räumt ein, dass dieser ein ausgezeichneter, intelligenter Regisseur sei, der lediglich meist weder die Zeit noch die Mittel erhalten habe, die für bessere Ergebnisse nötig gewesen wären. Ich kenne zwar längst nicht alle seiner Filme, noch auch nur einen zumindest quantitativ repräsentativen Teil seines Werks, aber nach der Sichtung würde ich beiden unbedingt zustimmen wollen: EUGENIE ist bislang der mit Abstand beste Film, den ich von Franco gesehen habe, und ganz einschränkungslos ein fantastischer, wunderschöner und gleichzeitig ziemlich beunruhigender Sexploiter.

Der Begriff ist dabei eigentlich ziemlich unpassend, denn EUGENIE ist – wie die meisten der von Harry Alan Towers produzierten Francos – ausgesprochen geschmackssicher inszeniert, überschreitet die Grenze zur Pornografie niemals und bleibt auch in den sadistischen Folterszenen auf Distanz. Dass der Film seine Wirkung dennoch nicht verfehlt, ist der expressiven Bildsprache – Franco taucht das Geschehen oft in ein infernalisches Blutrot, arbeitet mit exremen, verzerrenden Groß- und Detailaufnahmen oder filmt durch Requisiten hindurch – und dem psychedelischen, sich förmlich in einen Rausch hochschaukelnden Score von Bruno Nicolai geschuldet. Es ist gerade die Verbindung dieser geschmackvollen, artifziellen Inszenierung und der grausamen Vorgänge, die an EUGENIE nachhaltig beeindruckt und erschüttert. Der Film ist von einer eisigen Kälte, selbst wenn er die flirrenden Hitzewallungen der Lust oder das Idyll der Mittelmeerkulisse bebildert, woran nicht zuletzt die atemberaubend aussehende Maria Rohm mit ihren ebenso grausamen wie sinnlichen Katzenaugen und der seine Abgründe hinter einer Fassade der Kultiviertheit verbergende Jack Taylor großen Anteil haben. Es gibt einfach kein Korrektiv in diesem Film, keine Normalität, der gegenüber sich der Wahnsinn von Madame Saint Ange und Mirvel einordnen ließen. Nicht einmal Eugenies Mutter hat einen Draht zu ihrer pubertierenden Tochter und der Vater verhökert Eugenie  höchstselbst an Madame Saint Ange, während er mit dieser durch die Betten pflügt. Die Jugend, die Eugenie verkörpert, ist in Francos Film völlig auf sich gestellt, wird von einer pervertierten Erwachsenenwelt für die Befriedigung der eigenen Triebe mitleidlos missbraucht. Eugenie hat keine Chance, sich vor dem Ertrinken im Wahnsinn zu retten, weil gar kein Ufer in Sicht ist: Die ganze Welt ist verrückt geworden.