Mit ‘Morbid Movies’ getaggte Beiträge

Vor zwei Jahren feierte MANIA, der letzte Film der Nürnberger Hobbyfilmer von Postmortem Productions seine ausverkaufte Weltpremiere beim Morbid Movies. Das damalige Werk hätte inhaltlich eigentlich besser in den Rahmen des 1. Hieb- und Stichfestes gepasst als ZOMBI RITUAL, der neueste Streich des Teams, aber der aus allen Nähten platzende Saal des KommKinos und die enthusiastischen Reaktionen des Publikums auf den Film ließen keinen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, auch das neueste Opus wieder ins Programm aufzunehmen. ZOMBI RITUAL ist – im Rahmen der Möglichkeiten natürlich – deutlich ambitionierter als der Vorgänger (was sich nicht zuletzt in der längeren Spielzeit niederschlägt), die Effekte sind aufwändiger, die Gags elaborierter. Im Kern funktioniert auch dieser Film aber vor allem deshalb, weil all jene Stärken, die schon den Vorgänger so liebenswert machten, bewahrt wurden.

Die Story dreht sich um ein heidnisches Ritual, mit dem die Toten zum Leben erweckt werden, um ein rätselhaftes Found-Footage-Video, das den Helden des Films zugespielt wird, und am Ende sogar um eine gemeine Erbschwindelei. Letztlich ist sie aber vor allem der Anlass für lustige Schpläddereien Marke Eigenbau, die mit viel Witz, Selbstironie und natürlich der Verneigung vor den beliebten Videoklassikern verbunden werden.

Ich schrieb es damals schon: Gerade der Horror-Amateurfilm krankt oft daran, dass Anspruch und Realität meilenweit auseinanderklaffen und sich der Spaß, den die in den Dreh Involvierten zweifellos hatten, nicht zwangsläufig auch auf Außenstehende überträgt. Die Jungs hinter ZOMBI RITUAL kennen ihre Grenzen aber ganz genau und statt sie notdürftig zu kaschieren, werden sie einfach mitinszeniert. Die Mitwirkenden sind keine echten Schauspieler, sondern einfach nur enthusiastische Kumpels? Kein Problem, wenn man sie einfach so quatschen lässt, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, und ihnen keine literarisch wertvollen Dialogzeilen unterjubelt. So zieht ZOMBI RITUAL seine größten Lacher auch aus der furztrockenen fränkischen Art, mit denen die Publikumslieblinge Roland „Ripper“ Kreißl und Benjamin Herr das absurde Gemetzel quittieren. Was wiederum nicht hieße, dass nicht auch die gescripteten Gags zünden: Sehr schön etwa, wenn die großspurige Behauptung, hinter der unscheinbaren Fassade eines Reihenhauses verberge sich eine Kultstätte der Templer, auch von den Charakteren des Films entsprechend ungläubig quittiert wird. Richtig gut gelungen ist auch der atmosphärische Prolog, der das titelgebende Ritual in ferner mittelalterlicher Vergangenheit zeigt: Ganz ohne Dialoge, nur untermalt vom tollen Score von Sabrina Teleki, entfaltet die Sequenz zum Ende hin tatsächlich eine blasphemische Intensität, die auch den Blackdeathern von Goath, die als Höllenpriester fungieren, gut gemundet haben dürfte. Vielleicht zeigt sich hier sogar ein Weg für die Zukunft der Filmemacher, weg vom Funsplatter und hin zu einer ernsteren, düstereren Spielart des regionalen Low-Budget-Horrors. Ich bin jedenfalls jetzt schon gespannt, wohin die Reise gehen wird und freue mich auf die Weltpremiere in ca. zwei Jahren.

Weitere Informationen und Trailer zum Film sowie die Möglichkeit, BRs, DVDs oder CDs zu bestellen, bietet die Website von Postmortem Productions. Support your local Horrorfilmmakers!

Gemessen an der Weltgeschichte währte die FWOGSF (die First Wave of German Slasher Films) nur Sekundenbruchteile – und auch, wenn man ein durchschnittliches Menschenleben als Maßstab nimmt, nicht allzu lang. Die meisten werden es schon lang vergessen haben, dass es da mal den überaus erfolgreichen ANATOMIE gab, dem gar ein Sequel und eben FLASHBACK folgten. Wenig später war der Spuk dann auch schon wieder vorbei, der deutsche Kinogänger wendete sich wieder seinem Lieblingsgenre, der Komödie, zu und ließ den deutschen Horrorfilm traurig zurück wie einen kurzen Urlaubsflirt.

Auch wenn FLASHBACK also keine spürbaren Folgen in der deutschen Filmlandschaft hinterließ, ist er doch ein überaus charmantes Wurmloch, durch das man in eine Zeit zurückreisen kann, in der die GZSZ-Riege sich anschickte zu Stars zu werden (was dann doch nicht klappte), man seine überdimensionierten Handys in Plüschtäschchen steckte und sich fragte, wie man die vollgequatschte Mailbox leert und ein Werbeslogan wie „Da werden sie geholfen“ zum Kulturgut gehörte. Und das tollste: FLASHBACK beweist auch sonst, dass da durchaus was gegangen wär mit dem deutschen Slasherfilm, wenn man ihm die Möglichkeit der Entfaltung gegeben hätte.

Die Story basiert auf einem Drehbuch der Hammer-Ikone Jimmy Sangster, hinter der Kamera stand mit Peter Krause ein Mann, der als Camera Operator immerhin Roland Emmerich während seiner ersten zehn Hollywood-Jahre begleitet hatte, und Regisseur Michael Karen – der heute wie so viele einstige deutsche Regietalente sein Dasein mit traurig-seichten TV-Filmen und -Serien fristet – inszeniert sowohl die spannenden und horriblen als auch die komischen Momente kompetent und stilsicher. Der Film nimmt sich nicht allzu ernst, aber er ist dann doch relativ zupackend und mit einigen Geschmacklosigkeiten versehen, die man so nicht unbedingt erwarten durfte. Die Story ist genretypisch unglaubwürdig, der Twist überkonstruiert, aber dann immerhin schön böse. Die Besetzung mit Soap-Opera-Stars verleiht dem munteren Treiben eine zusätzlichen Charme, entsprechen sie doch nahezu perfekt dem Typus der eindimensionalen Teenies, die man mit dem Slasherfilm gemeinhin assoziiert – mit der Ausnahme, dass sie hier allesamt züchtig verhüllt bleiben. Dazu ein kleiner Geniestreich wie die Besetzung der strengen Haushälterin „Frau Lust“ mit der deutschen Legende Elke Sommer und die blutigen Effekte, fertig ist ein Werk, das – und das kann man ja nun nicht allzu oft über deutsche Genrefilme sagen – richtig Spaß macht.

 

THE PROWLER ist wahrscheinlich mein absoluter Lieblings-Slasherfilm, aber bisher habe ich über ihn „nur“ für ein Buch geschrieben, nämlich für Lukas Foersters und Nikolaus Perneczkys „The Real Eighties“ (das ich hier noch einmal wärmstens empfehlen möchte). Zitos Slasher der ersten Stunde – er erschien ca. ein Jahr, nachdem der Stein mit FRIDAY THE 13TH ins Rollen gekommen war – hat mit den im Laufe der Jahre zunehmend alberner und auch harmloser werdenden Slasherfilmen , die bis in die frühen Neunzigerjahre in großer Zahl erst in die Kinosäle und dann in die Videotheken gespült wurden, formal wenig zu tun: Er erinnert auch dank der sensationellen Effekte von Tom Savini, der hier meiner Meinung nach auf dem Gipfel seiner Kunst war, aber auch aufgrund seiner düsteren Atmosphäre noch stärker an Titel wie MANIAC oder auch MOTHER’S DAY, denen es nicht in erster Linie darum ging, Teenies die Untermalung fürs trockene Gefummel zu liefern, sondern die tatsächlich noch verstörten und Grenzen überschritten.

Die Prämisse des Films ist mit dem Prolog, der mit einer Rückblende auf den Ursprung der Mordserie weit in der Vergangenheit verweist, um die es dann während des Hauptteils geht, sehr traditionell, aber THE PROWLER hält sich danach nicht lang mit dem üblichen Ringelpiez auf, sondern geht schnell und mit zupackender Härte zur Sache. Im Vordergrund stehen der Thrill, ein paar milde Nuditäten und die schon erwähnten Gore-Exzesse von Effektpast Savini, aber der Blick auf die Details der Handlung lohnt sich durchaus. Zito erzählt in THE PROWLER nämlich von einer Art Generationenkonflikt: Nicht nur der Mörder, ein Weltkriegsveteran, laboriert sichtbar an den Spätfolgen und Begleiterscheinungen des Krieges, der Film bietet noch weitere Alte auf, die mit den Jugendlichen nicht allzu viel gemein haben oder auch nur normal mit ihnen kommunizieren würden. Major Chatham (Lawrence Tierney in einer wortlosen Rolle) sitzt in seinem Rollstuhl und glotzt den lieben langen Tag aus dem Fenster, möglicherweise, um einen Blick auf die jungen Mädchen zu erhaschen, die im gegenüberliegenden Wohnheim leben. Einmal hält er die vor dem Killer flüchtende Protagonistin Pam (Vicky Dawson) mit seiner schwarz behandschuhten Hand auf, ohne auch nur den geringsten Grund anzugeben. Der Hausmeister legt voyeuristische Züge an den Tag, hält zweimal als potenzieller Verdächtiger her, entpuppt sich am Ende aber als Retter in der Not.

Kleines Kuriosum am Rande: Der Film erschien in Deutschland unter dem Titel DIE FORKE DES TODES mit einer fuchterregenden Sub-Pornosynchro des Labels Westside Video, die ihn in dieser Fassung unanschaubar machte. Selbst Soundeffekte waren darin auf billigste Art und Weise nachsynchronisiert worden. Mit der Beschlagnahmung im Jahr 1989 wurden die Zuschauer von dieser Verhunzung erlöst. Allerdings existiert eine sehr hochklassige deutsche Vertonung des Films, die hierzulande aber nie zum Einsatz kam. In einem Zustand geistiger Umnachtung hatte Tele 5 den Film nicht nur gekauft, sondern ihm dann – ein nachvollziehbarer Gedanke – eine komplette neue Synchro verpasst, offensichtlich ohne zu Wissen, dass sie den Film nicht würden ausstrahlen können. Die Synchro gelangte dann auf mysteriösen Irrwegen nach Australien, wo sie auf einer DVD des Films verewigt wurde, und von da dann wieder ins Netz. Wer suchet, der findet!

Ein Teil des anhaltenden Ruhms von Abel Ferraras Regiedebüt geht auf die Tatsache zurück, dass er in Großbritannien als besonders prominenter „Video Nasty“ beschlagnahmt wurde und den sogenannten „Video Recordings Act 1984“ nach sich zog, eine Regelung, die besagt, dass alle für den Handel gedachten Videotapes mit einer Altersfreigabe versehen werden müssen. Wie so oft, hatten die selbsternannten Moralapostel den Film gar nicht gesehen: Es war der Legende nach eine reißerische ganzseitige Werbeanzeige, die Ferraras Debüt die leider ungewollte Aufmerksamkeit einbrachte. Ganz sicher traf Ferrara mit THE DRILLER KILLER einen Nerv. Und noch sicherer hätten sich die aufgebrachten Jugendschützer auch vom Verbot auch nicht abhalten lassen, wenn sie ihn sich angeschaut hätten, denn eins ist mal sicher: Auch wenn die Bohrmaschinen-Morde mit den Effekten eines Savini oder De Rossi nicht mithalten können, THE DRILLER KILLER den durchschnittlichen Gorebauern und Gewaltfanatiker mit seinen Redundanzen eher anöden dürfte, verfügt der Film doch über eine reichlich deprimierende, schmutzige und desillusionierende Atmosphäre, die ausreichend ist, um schlichtere oder zartbesaitete Gemüter in Unruhe zu versetzen.

Die Handlung ist schnell zusammengefasst: Reno (Abel Ferrara) ist ein heruntergekommener, mittelloser Maler, der verzweifelt versucht, ein Bild fertigzustellen, um an Bargeld zu kommen, mit dem er seine sich türmenden Schulden bezahlen kann. Während er arbeitet, stört ihn eine Band, die im Nebenhaus probt. Alle Versuche, sich gegen den Lärm zur Wehr zu setzen, scheitern. Dies und die ihn umgebende New Yorker Trostlosigkeit bringt ihn schließlich dazu, nachts mit einer Bohrmaschine loszuziehen und Obdachlose umzubringen.

Ferrara drehte mit THE DRILLER KILLER so etwas wie die Punkversion von Joel Schumachers Amoklauf-Film FALLING DOWN. Statt eines fleißigen amerikanischen Büroarbeiters mit Kuli in der Hemdtasche gibt es hier einen abgerissenen Maler, anstelle einer aufgesetzten, dabei ins Reaktionäre abgleitenden Gesellschaftskritik den Blick auf eine Stadt kurz vor der Implosion, statt „gerechter“ Angriffe auf unhöfliche Immigranten, brutale Gangmitglieder, Skinheads oder unflexible Serviceangestelle richtet sich Renos Verzweiflung gegen die größten Verlierer überhaupt. Ferrara macht keine „Aussage“ und er folgt auch keiner Agenda; ganz sicher hat er eine Meinung und wenn man sich THE DRILLER KILLER anschaut, kommt man auch relativ schnell dahinter, wie die aussieht, aber sein Film liefert zunächst mal ein Stimmungsbild. Und was man da zu sehen bekommt, ist nicht gerade anheimelnd. THE DRILLER KILLER erstickt nicht nur im Dreck, seine Charaktere stehen dem allgemeinen Verfall der Welt um sie herum auch absolut gleichgültig gegenüber, ja befördern ihn mit dieser Haltung noch. Es gibt keinerlei Vorwärtsbewegung in Ferraras Films. Dramaturgisch tritt er bewusst auf der Stelle, die langen Szenen, aus denen er besteht, erzählen nichts, es ist die Anhäufung der immergleichen sinnlosen Dialoge und idiotischen Tätigkeiten, in denen sich Ferraras Haltung widerspiegelt. Renos Bilder sind durchaus kunstvoll, er scheint nicht gänzlich unbegabt, aber er selbst ist kaum mehr als ein dumpfer Hänger, ohne jedes Ziel oder echten Antrieb. Mit den „Roosters“, der Band, die ihn in den Wahnsinn treibt, verhält es sich eher anders herum: Ihre Musik ist ein Rockmusik-Albtraum, der akustisch eindrucksvoll darlegt, warum Drogen, Egozentrik und mittelprächtiges Talent eine gefährliche Mischung darstellen, aber sie sind wenigstens überzeugt von dem, was sie da tun (kann sein, das Fans von Bands wie Velvet Underground eine andere Meinung zum Sound der Roosters haben, aber ich finde ja auch, dass die Velvets nahezu unanhörbar sind).

Mitunter ist THE DRILLER KILLER aber durchaus komisch. Da gibt es diese (vermutlich improvisierte) Szene, in der zwei Typen an der Bushaltestellen von einem Penner belästigt werden, der sich offensichtlich für einen Komiker hält. Auch wie Renos Kunstagent sein großes Werk am Ende verreißt, davon redet, dass da „keine Energie“ zu sehen sei, einfach nur Scheiße, und wie Reno dazu dreinschaut, entbehrt nicht einer gewissen Komik, auch wenn dem Protagonisten eher nicht zum Lachen zumute ist. Und dann natürlich das romantische Dinner auf dem verwanzten Teppich in Renos Behausung, mit einer fetttriefenden Pizza aus der Hölle, deren Einnahme mit Schmatz- und Kaugeräuschen unterlegt ist, die auch gut in Fulcis Zombiefilme gepasst hätten. THE DRILLER KILLER ist nicht unbedingt aufregend, aber als Mood Piece für Leute mit New-York- und Underground-Fetisch funktioniert er auch heute noch ausgezeichnet.

Zur mittlerweile 5. Ausgabe des Morbid Movies haben wir uns etwas Feines ausgedacht. Beim „Hieb- & Stichfest“ widmen wir uns an zwei Tagen ausschließlich und in angemessener Ausführlichkeit einem unserer Leib- und Magengenres: dem Slasherfilm.

Wie immer wird das erlesene Programm sowohl ausgesuchte Schlitzerpreziosen von 35 mm enthalten als auch diverse Digitalscreenings – leider ist es nämlich gar nicht so einfach, brauchbare und vor allem nicht gnadenlos überteuerte Kopien ausfindig zu machen, liefen doch viele der schönen Slasherfilme in Deutschland gar nicht oder aber nur in radikal gekürzten Fassungen im Kino.

Da wir aber bekannt dafür sind, gern die Blutwurst kreisen zu lassen, gibt es bei uns ausschließlich mit der groben Kelle – und dafür greifen wir dann halt auch mal auf die Konserve zurück. Schließlich geht doch nichts über ein schönes Dosengulasch vom Discounter. Und wo wir schon beim Thema sind: Das Screening von ZOMBI RITUAL, dem neuen Film der Nürnberger Postmortem Productions, die vor zwei Jahren schon mit ihrem MANIA am Start waren, wird garantiert wieder für volle Hütte, ausgelassene Stimmung und fliegende Schlachtabfälle sorgen.

In diesem Sinne: Wer zuletzt kommt, den bestraft der Jason.

 

 

Kein Filmfestival ohne Pannen: Unser Screening von Masaru Konumas Verfilmung eines Romans des Avantgarde-Schriftstellers Yumeno Kyûsaku musste leider ohne die eigentlich vorhandenen Untertitel auskommen. Irgendwie wollte der Beamer diese einfach nicht einblenden. Dieser Text fällt mir demnach etwas schwerer als die Sichtung selbst: Dass YUMENO KYÛSAKU NO SHÔJO JIGOKU ein wunderschöner Film ist, war unschwer erkennbar, und die visuelle Pracht und die Wildheit des Gebotenen versöhnte mich mit der Tatsache, dass ich keine Ahnung hatte, was da genau passiert. Aber nachgehend einen Text darüber schreiben, ist dann schon undankbar. Zumal auch das Netz sich über den Inhalt des Films, mit Ausnahme einer sehr kurzen, nur wenig hilfreichen Synopsis, bedeckt hält. Ich versuche es nun einfach, um meiner Chronistenpflicht nachzukommen und verspreche, Substanzielleres nachzureichen, sobald ich den Film mit Untertiteln gesehen habe. Denn ich habe auf jeden Fall Lust, Maseru Konumas Film noch einmal „richtig“ nachzuholen.

Zunächst: Der Pinku, den ich eigentlich erwartete, ist YUMENO KYÛSAKU NO SHÔJO JIGOKU nicht. Typische Merkmale des klassischen Pinku sind zum einen die genormte Länge von ca. 70 Minuten und die zu bestimmten, festgelegten Zeitpunkten platzierten Sex- bzw. Vergewaltigungsszenen. YUMENO KYÛSAKU NO SHÔJO JIGOKU hingegen schlägt mit über 90 Minuten zu Buche und ihn als „Pornografie“ zu etikettieren, würde ihm nicht wirklich gerecht. Der Film inkorporiert Elemente des Pinku – beispielsweise Schulmädchen- und Lesbensex, Sadomasochismus und Vergewaltigungsfantasien – in eine deutlich breiter gespannte Coming-of-Age-Dramaturgie und man kann ihm kaum vorwerfen, bloß auf die viel zitierten „niederen Instinkte“ seines Publikums abzuzielen. Die emotionale Palette des Films ist breit, reicht von romantischen über tragische bis hin zu komischen oder unheimlichen Passagen. Ein bisschen erinnerte er mich an Peter Jacksons HEAVENLY CREATURES, wenn dieser denn ein Sexfilm wäre – alles ohne Gewähr natürlich. Im Mittelpunkt stehen zwei junge Mädchen, die während der Pubertät in Liebe zueinander entflammen, während sie gleichzeitig den Perversionen ihres Lehrers (?) unterworfen sind (der, wenn ich das richtig verstanden habe, mit einer der beiden verwandt ist). Irgendwann rächen sie sich an ihm für die erlittenen Grausamkeiten: YUMENO KYÛSAKU NO SHÔJO JIGOKU wird dann kurz zum Geisterfilm ohne Geister, in dem die beiden Mädchen sich diverse bizarre Streiche ausdenken, die den Peiniger und seine willigen Helfer in den Wahnsinn treiben sollen. Doch am Ende kann auch dieses kurzfristige Umdrehen des Spießes die Katastrophe nicht verhindern: Die beiden Liebenden wählen den Freitod.

Wie oben gesagt: Formal ist Masaru Konumas Film eine Pracht, voller wunderschön komponierter Bilder und angetrieben von einem progrockigen Soundtrack, der den seelischen Tumult seiner Protagonistinnen ebenso spiegelt wie die Expressivität der Inszenierung selbst. Der Vergleich mit einem Film wie Teruo Ishiis HORRORS OF MALFORMED MEN liegt nicht fern, auch wenn Konuma nicht ganz so frei dreht – was auch an der literarischen Vorlage liegen mag. Hängen geblieben ist bei mir vor allem ein sehr drastisches Bild: Eines der beiden Mädchen rammt sich vor sexueller Verzweiflung die Ecke eines Klaviers in den Unterleib, immer und immer wieder, bis das Blut ihr die Schenkel hinunterläuft, während ihre Geliebte angesichts dieses Anblicks weinend hinter ihr kniet.

Mir hat YUMENO KYÛSAKU NO SHÔJO JIGOKU sehr gut gefallen – trotz der geschilderten Schwierigkeiten – und ich habe mir die Zweitsichtung mit eingeblendeten Untertiteln fest vorgenommen. Wenn es soweit ist, werde ich diesen Eintrag hier sinnvoll ergänzen.

Vor kurzem hab ich DON’T GO IN THE HOUSE – in Deutschland unter dem Titel HAUS DER LEBENDEN LEICHEN wohl mit dem Wunsch gestartet, an den Erfolg von Zombiefilmen wie DAWN OF THE DEAD oder ZOMBI 2 anzuknüpfen – mal als „Deprislasher“ bezeichnet. Der Ausdruck ist ein bisschen streitbar, weil Ellisons Film eher ein Beitrag zum düsteren Serienmörderfilm denn zum Slasherfilm ist (der ja als solcher erst im folgenden Jahr mit dem Erscheinen von FRIDAY THE 13H zum eigenen Genre werden sollte): Zum Slasher fehlen ihm ein paar wichtige Zutaten, aber zum einen sind die Grenzen bekanntlichs fließend und zum anderen macht ja schon der Zusatz „Depri“ klar, dass das hier eine andere Baustelle ist als das Gros der Slasher, die vor allem als Datefilme  für Teenies funktionierten.

DON’T GO IN THE HOUSE handelt vom etwas einfältigen Donny Kohler (Dan Grimaldi), der in der Auftaktszene tatenlos dabei zusieht, wie einer seiner Kollegen im Stahlwerk in Flammen aufgeht. Wie der Betrachter erfahren wird, hat Donny ziemlich einen an der Waffel: Zu Hause lebt er mit seiner mumifizierten Mutter, die ihm als Kind regelmäßig Verbrennungen zufügte, um ihn zu bestrafen. Der Arbeitsunfall triggert diese Erinnerungen und weil Donny bei den Frauen keinen Schnitt bekommt, lockt er sie in Folge in sein Haus, wo er sie in einem isolierten Keller mit einem Flammenwerfer abfackelt.

DON’T GO IN THE HOUSE ist billig, trist, scmuddelig und unglaublich effektiv. Es ist ein Film, wie er eigentlich nur in einem kurzen Zeitfenster Ende der Siebzigerjahre erscheinen konnte, als auch Werke wie MANIAC oder THE EXTERMINATOR entstanden. Ellison erzählt ohne große Ausbrüche im Ton und das langsame Tempo passt perfekt zu diesem Protagonisten, der in erster Linie bemitleidenswert langweilig ist. Die Tristesse wird sehr effektiv unterwandert (und so letztlich verstärkt) durch den geschäftigen zeitgenössisch-plüschigen Disco-Soundtrack, der von Luxus und Glamour kündet, während auf Bildebene der urbane Verfall regiert. In der schönsten Szene des Film geht Donny in eine Boutique, um sich für einen Discobesuch einzukleiden: Vom knallroten Seidenblüschen mit Namen „Matador“ rät ihm der Verkäufer leider ab, empfiehlt ihm stattdessen ein Holzfällerhemd, das bei Discogängern „sehr beliebt“ sei. Donny zeigt klasse und entscheidet sich lieber für ein anderes Modell.

Ich möchte hier aber auf einen anderen Aspekt des Films zu sprechen kommen, der bei Erstsichtung des Films vor ein paar Jahren komplett an mir vorbeigegangen ist, obwohl er eigentlich sehr auffällig ist (zumindest in der deutschen Fassung) und den ich wirklich bemerkenswert finde: Im Grunde genommen ist DON’T GO IN THE HOUSE die traurige Geschichte einer verhinderten schwulen Beziehung bzw. eines gescheiterten Coming outs. Die wichtigste Figur neben Donny ist sein Arbeitskollege Ben (Charles Bonet). Dieser tröstet ihn, nachdem er für die unterlassene Hilfeleistung Schelte vom Vorarbeiter einstecken muss und ruft ihn im weiteren Verlauf mehrfach an, um sich mit ihm auf ein Bier zu treffen, was Donny jedesmal ausschlägt, weil er andere Pläne hat – oder weil ihm diese Avancen sichtlich unangenehm sind. Das Interesse Bens an dem schweigsamen Kollegen kann kaum anders als sexueller Natur sein, denn dieser Donny ist nun nicht gerade der Typ, mit dem man anregende Gespräche führen zu können glaubt. Und Bens Enttäuschung über die ständigen Absagen ist greifbar. Erst ganz am Schluss fasst Donny sich ein Herz und greift selbst zum Hörer: Am anderen Ende der Leitung sehen wir Ben mit einem Bier vor dem Fernseher, während Gattin und Kinder um ihn herumscharwenzeln. Er freut sich über das Interesse Donnys – schlägt diesem dann aber sofort vor, zwei Weiber klarzumachen, die zu allem bereit seien. Nun ist es Donny, der mit großer Ernüchterung auf das Angebot reagiert. Ellison kommentiert das alles nicht, nie wird explizit gemacht, dass Donny oder Ben homosexuell sein könnten – man kann das durchaus übersehen und exakt so betrachten, wie es die Figuren nach außen hin „verkaufen“: als unverfängliche Verabredungsanfragen unter Hetero-Kumpels. Aber gerade weil das alles so implizit und diskret bleibt, sich die Männer sozialen Codes und einer Konvention verpflichtet fühlen, nach der die Stillschweigen über die eigenen Bedürfnisse bewahrt werden muss (man vergegenwärtige sich noch einmal, in welcher Zeit und in welchem Milieu der Film spielt), wird diese Intepretation umso überzeugender. Wenn man das einmal so gesehen hat, ist es unmöglich, den Film anders zu verstehen. Ja, DON’T GO IN THE HOUSE ist der seltene Fall eines schwulen Serienmörderfilms.

Erstsichtung eines einerseits schwierigen, in seiner Kompliziertheit dann aber auch wieder sehr zugänglichen Films, der eine faszinierende Gratwanderung zwischen verkopftem Künstlerkino einerseits und Körperkino andererseits vollzieht.

Man ist natürlich geneigt, zuerst über die zauberhafte Romy Schneider in der Rolle der ausgebrannten Schauspielerin Nadine Chevalier zu schreiben, dann über den unvergleichlichen Klaus Kinski, der sich bemüht, alle darstellerischen Manierismen, die man ihm gemeinhin zuschreibt, in seine Darstellung des eitlen Karl-Heinz Zimmer zu stecken; vielleicht auch über Jacques Dutronc, der den mit Nadine verheirateten cinephilen Träumer Jacques verkörpert, einen Schelmencharakter, dessen Arglosigkeit geradezu rührend ist. Aber für mich scheint der Erfolg des Films ganz wesentlich mit Fabio Test verknüpft, dessen virile Anpackerqualitäten, erprobt in zahlreichen italienischen Polizotteschi, Galli und Actionfilmen, L’IMPORTANT C’EST D’AIMER überhaupt erst greifbar macht. Auch sein Charakter ist mit Untiefen ausgestattet, aber er erinnert in der recht freidrehenden Inszenierung von Zulawski ein bisschen an das zutreffende Bild, das die Herren Hahn/Jansen in ihrem unsterblichen „Das Lexikon des Horrorfilms“ von David Hemmings in Argento PROFONDO ROSSO zeichneten: Zwischen lauter Exzentrikern ist er der ruhende Pol, der „Normale“, der den Wahnsinn um sich herum mit der Stoik eines Cowboys zur Kenntnis nimmt.

Testi ist der Fotograf Servais Mont, der für den reichen Mafiosi Mazelli (Claude Dauphin) als Paparazzi und Pornofotograf unterwegs ist, um die Schulden seines Vaters zu begleichen. An einem Filmset begegnet er der Schauspielerin Nadine Chevalier, die mittlerweile ebenfalls in die Gefilde von Schundproduktionen abgestiegen ist, nachdem sie einst für ihre Kunst gefeiert wurde. Er ist sofort fasziniert von ihr, von ihrer Schönheit, aber auch von der tiefen Traurigkeit, die sie ausstrahlt, und sucht sie zu Hause auf, wo sie zusammen mit ihrem Ehemann Jacques lebt, einem kindlich anmutenden Sammler von Film-Memorabilia. Mont verliebt sich in Nadine und will sie erobern, indem er ihr aus der Krise hilft: Dafür leiht er sich bei Mazelli 10.000 Francs und initiiert ein Theaterstück unter der Regie des verrückten Messala (Guy Mairesse), in dem Nadine die Hauptrolle neben dem größenwahnsinnigen Zimmer spielen soll. Sie durchschaut seine Pläne jedoch  und nach dem grandiosen Flop des Stückes kommt es zur unausweichlichen zwischenmenschlichen Katastrophe …

Die inneren Prozesse von L’IMPORTANT C’EST D’AIMER sind für jemanden, der sich als relativ normal und unexzentrisch beschreiben würde, nur schwer durchschaubar – erst Recht beim ersten Durchgang. Die Beziehung zwischen Nadine und Jacques, aber auch das Hin-und-Her zwischen Servais und Nadine entsprechen ziemlich genau dem Bild, das gern in persiflierender Absicht vom französischen Beziehungsdrama gezeichnet wird: Es wird viel gelitten, geweint, gestritten und verziehen, es hängen da Menschen aneinander, deren Verbindung für Außenstehende einfach keinen Sinn ergibt, streben unentwegt zueinander, nur um sich wieder abzustoßen. Hinzu kommen die Regieeinfälle Zulawskis, der Jacques mit Mantel und Schuhen ins Bett gehen, den Regisseur Messala mit Theaterschminke und Narrenkostüm inszenieren lässt. Kinski dreht und windet sich als Zimmer in die Kamera, als wolle er seinen Aguirre noch einmal aufleben lassen und der Mafiosi Mazelli inszeniert pornografische Orgien für seine Kundschaft aus alten Vetteln, die aus einem Fellini-Film entsprungen scheinen. Romy Schneider bringt so viel Schönheit und Anmut mit, dass es schon einer ziemlichen suspension of disbelief bedarf, um zu akzeptieren, dass sie nicht nur einem Karriereknick anheimgefallen ist, sondern auch in solchen Epen wie „Nymphocula“ mitspielen muss.

L’IMPORTANT C’EST D’AIMER ist auch ein Film-Film: Nicht nur spielt der Film in der Branche, es wird auch ständig über Film und Theater gesprochen, vor allem wenn Jaques die Szenerie betritt. Aber es scheint doch sehr offenkundig, dass Zulawski von der Allgemeingültigkeit seines Werkes überzeugt ist. Wir sind alle Akteure auf einer großen Bühne, mehr oder weniger angekotzt von der Rolle, die uns das Schicksal zugedacht hat, und dazu verdammt, irgendwann aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Dann wieder versteigt sich der Regisseur aber auch zu selbstmitleidigem Genöle, etwa wenn er den armen Messala eine geharnischte Kritik aus der Zeitung vorlesen und Zimmer nach dem Rudelbums mit zwei gesichtslosen Schönen nackt und weinend in den Regen vor seinem Schlafzimmer blicken lässt. Der Künstler hat es schwer, seine Aufopferung wird selten gewürdigt von den Bürokraten mit ihren 9-to-5-Jobs da draußen, die nie die Einblicke in die tiefen Mysterien des Lebens erlangen werden, wie sie ihm zuteil werden. L’IMPORTANT C’EST D’AIMER ist, wie schon erwähnt, nicht unproblematisch, nicht auf Anhieb zu durchschauen, aber er vermeidet bei aller Artifizialität die Fallstricke, die ähnlich gelagerte Filme oft zu Boden ziehen. Er hat eben nicht nur einen Darsteller aus dem Exploitationfilm als Identifikationsfigur, sondern auch die Seele, die Körperlichkeit und Rohheit dieser Spielart des Kinos – und das hindert ihn auch immer wieder daran, sich in allzu intellektuell-abstrakte Sphären hochzuschrauben. Auch wenn sich das Drama weitestgehend in den Köpfen seiner Protagonisten abspielt, setzt Zulawski mit L’IMPORTANT C’EST D’AIMER auf Griffigkeit, sei es eben durch das Spiel Testis und Kinskis, durch seine bizarren Einfälle, den Humor und die existenzielle Dunkelheit, die ihn durchzieht.

Es war gewiss nicht das letzte Mal, das ich diesen Film gesehen habe. Und ich bin froh, dass ich mit Erstsichtung so lange gewartet habe, bis ich ihn im Kino sehen konnte.

Ich muss das vorab ganz deutlich sagen: THE EXTERMINATOR ist ein faszinierender, wunderbarer Film.

Ich weiß nicht, wie oft ich ihn mittlerweile gesehen habe. In meinem Kopf erscheint er mir als „abgeschlossen“: Ich weiß, worum es geht, ich glaube zu wissen, was Glickenhaus sagen wollte, kenne seinen Plotverlauf und kann mich an seine wesentlichen Set Pieces erinnern. Aber dann ist er doch immer wieder anders, als ich ihn in Erinnerung hatte.

Wenn wir über Rache- und Selbstjustizfilme sprechen, sind die Rahmenbedingungen klar. Die meisten verfahren nach einer etablierten Strategie: Als Betrachter wird man dazu gebracht, sich emotional mit dem Protagonisten zu identifizieren, der in der Regel nahestehende Angehörige durch ein meist feiges, sinnloses Verbrechen verliert. Manchmal trägt er schwere Verletzungen davon, in anderen Fällen bleibt er selbst verschont, was dann auch noch zu belastenden Schuldgefühlen führt. Selbstjustizfilme beobachten nun zunächst den inneren Kampf, den der „Held“ auszutragen hat: Als zivilisierter Mensch erkennt er die Notwendigkeit von Gesetzen an, es bedarf also einer gewissen Überwindung, bevor er zur Waffe und zum Mittel der Selbstjustiz greift. Wir leiden mit ihm während dieses Kampfes, denn das emotionale Bedürfnis, Rache zu üben, ist nachvollziehbar. Der Selbstjustizfilm schlägt dann irgendwann um: Er macht mehr oder weniger klar, dass Rache kein adäquates Mittel zur Trauer- und Traumabewältigung und schon gar nicht zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit ist. In DEATH WISH, dem vielleicht nominell berühmtesten dieser Filme, ermordet der Architekt Paul Kersey nach einem Überfall auf seine Frau und seine Tochter ganze Dutzendschaften New Yorker „Punks“ bei seinen nächtlichen Rundgängen, findet daran nach anfänglichen Schwierigkeiten – nach dem ersten Mord übergibt er sich zu Hause – eine fast diabolische Freude: Nur die wirklichen Täter, die erwischt er nicht. Sie kommen gar nicht mehr vor im Film.

Man kann nicht sagen, dass John Eastland (Robert Ginty), der titelgebende Exterminator, die „Falschen“ umbringt: Auf seine Rechnung gehen neben diversen Gangmitgliedern ein führender Kopf des organisierten Verbrechens, ein sadistisch veranlagter Politiker, der in einem schmierigen Etablissement Strichjungen und Prostituierte quält, sowie der Betreiber dieses Ladens. Auslöser für seine Mordtour ist der Überfall der „Ghetto Ghouls“ auf seinen besten Freund Michael (Steve James), mit dem er zusammen in Vietnam war, aber eine große Krise löst dieser Überfall nicht aus. Es gibt auch keine Fallhöhe wie beim anzutragenden Architekten Kersey, denn Eastland hat bereits Erfahrungen mit brutaler Gewalt, Folter und Mord. Der Auftakt des Films, eine Vietnam-Rückblende, ist die mit Abstand brutalste Szene des ganzen Films, was der eine als Etikettenschwindel, der andere als ziemlich cleveren Schachzug betrachten mag. Abgesehen davon erfährt der Zuschauer wenig über Eastland, die Figur bleibt eine Chiffre. Nach außen hin wirkt er kontrolliert, aber nicht unsympathisch, wie er sich um die Hinterbliebene Familie von Michael kümmert (interessanterweise weiß er über dessen Gesundheitszustand immer vor der Gattin Bescheid). Er ist kein brutaler Rohling wie Travis Bickle aus Scorseses TAXI DRIVER – er liest zu Hause Jean-Paul Sartres „Der Gefangene von Altona“ – und sein Rachefeldzug bereitet ihm auch keine Freude. Man sucht vergeblich nach irgendeinem Anflug von Emotion in seinem Gesicht.

Wahrscheinlich ist diese Leere im Zentrum von THE EXTERMINATOR auch der Grund dafür, dass Glickenhaus den Kriminalbeamten James Dalton (Christopher George) neben Eastland zur eigentlichen Identifikationsfigur macht. Die Figur ist eine Parallele zu Vincent Gardenias Lieutenant Frank Ochoa aus Winners DEATH WISH, aber während der Cop dort zum enabler des Vigilanten mutiert, begegnen sich Dalton und Eastland in THE EXTERMINATOR erst ganz zum Schluss. Am Ende gibt Dalton, selbst durch eine Kugel von gedungenen Killern getroffen, die eigentlich auf Eastland angesetzt waren, dem Selbstjustizler Rückendeckung. Ob er aber wirklich mit dessen Ideen von Gerechtigkeit konform geht? Viel eher steht Dalton in der Interpretation von George, ein Schauspieler, der sein sonniges Gemüt und seinen grundsätzlichen Optimismus auch inmitten des totalen existenzialistischen Chaos wie Fulcis PAURA NELLA CITTÁ DEI MORTI VIVENTI nicht verliert, für eine Philosophie der Versöhnung und Empathie. Während andere Cops durch die ständige Konfrontation mit Verbrechen, Hass und Niedertracht abstumpfen und den Glauben an die Menschheit verlieren, hält er umso entschlossener an ihm fest. Man beachte, wie er eine einfache Freude wie die Zubereitung eines Hot Dog mithilfe eines selbstgebauten Wursterhitzers am Schreibtisch zelebriert! Wie zärtlich und liebevoll die Romanze mit der Ärztin Megan Stewart (Samantha Eggar) verläuft. Sie hat inhaltlich keinerlei Funktion für den Film, dient lediglich als emotionaler Fels in der Brandung, weil Glickenhaus seinem Exterminator nicht das Ruder überlassen will.

Und so reißt er auch den Zuschauer immer wieder aus dem Flow, den andere Regisseure von Selbstjustizfilmen aufbauen, um sie in ihre Falle zu locken. THE EXTERMINATOR ist enorm sperrig, arhythmisch und unvorhersehbar – und lässt nie einen Zweifel daran lässt, dass Eastland auf dem Holzweg ist. Man versteht sehr schnell, dass das Schicksal seines Freundes nur der Katalysator für ein tieferliegendes Problem ist, dass es ihm nicht um die Wiederherstellung von Recht und Ordnung geht. Hinter seinem Rachefeldzug steckt zum einen einen seine soziale Lage – er weiß nicht, was er mit seiner Zeit anfangen soll, ist nach dem Krieg nicht mehr in der Lage, einem erfüllenden Job nachzugehen (er arbeitet in einer Fleischfabrik) – und das daraus resultierende Gefühl, verraten worden zu sein, zum anderen natürlich seine derangierte Psyche. Er hat den Krieg mit nach Hause genommen. Das macht Glickenhaus gleich zu Beginn deutlich, wenn von Vietnam auf die Hochhäuser Manhattans geschnitten wird, der Armeehubschrauber seinen Flug über der Metropole fortzusetzen scheint. Man hat Mitleid mit ihm und den anderen armen Seelen, die ziellos durch die 42nd Street wandern, aber man möchte nicht unbedingt etwas mit ihm zu tun haben. Ich habe immer aufgeatmet, wenn sich THE EXTERMINATOR wieder Dalton und seiner Eroberung zuwendete und zeigte, dass es möglich ist, in diesem Moloch zu leben. Verschließt Dalton die Augen vor der Realität? Nein, das würde ich nicht sagen. Aber er hat akzeptiert, dass er nicht alle Missstände allein beheben kann. Schon gar nicht würde er sich anmaßen, über Leben und Tod anderer Menschen zu richten. Es steckt nichts Resignatives darin, keine Bitterkeit. Jedenfalls nicht für mich.

Wer noch einmal den mittlerweile zwölf Jahre alten Text lesen möchte, den der Außenseiter und ich damals im Rahmen unseres Himmelnde-Blogs geschrieben haben: Hier ist er.

Bei der Premiere unseres kleinen Festivals des menschenfeindlichen Films zeigten wir damals mit WATER POWER den „anderen“, zweiten großen Schock-Porno von Shaun Costello. Man kann sicherlich Argumente dafür finden, den Nachfolger von 1976 als den ekligeren von beiden zu beschreiben, denn ganz gewiss folgt er einer gewissen Überbietungslogik; diese macht ihn aber auch etwas, nunja, „goutierbarer“ (no pun intended) als diesen schonungslos pornografischen Beitrag zum Serienmörder- und Heimkehrerfilm. FORCED ENTRY eilt nicht zu Unrecht ein sehr spezieller Ruf voraus und während andere, durchaus ebenfalls streitbare Vertreter des Hardcore-Porns und Horrorfilms längst ihre HD-Veröffentlichung mit angeschlossener cineastischer Reevaluierung feiern durften, muss man bei diesem Werk nach wie vor mit einer lieblos-schmuddeligen DVD Vorlieb nehmen. Für manche ist FORCED ENTRY nicht mehr als eine abgeschmackte Fingerübung in Niedertracht, ein unüberstehbarer Härtetest für jeden Humanisten – selbst Hauptdarsteller Harry Reems distanzierte sich von dem Werk und warf damit die Frage auf, bei was für einem Film er denn da eigentlich glaubte mitgespielt zu haben. Für den, der Film ausschließlich mit „Spaß“ und „Zerstreuung“ assoziiert, ist dieses Ding definitiv nicht gemacht: Aber ich komme nicht umhin, die Thematisierung von Vietnamkrieg und Vergewaltigung in einem Porno für geradezu explosiv subversiv zu halten. Kann man sein Publikum noch härter ficken als Costello das tat?

Reems spielt einen namenlos bleibenden Tankwart, von dem wir aus verfremdeten Flashbacks lediglich wissen, dass er in Vietnam war und von dort einige psychische Probleme mitgebracht hat. Bei einem Spaziergang beobachtet er ein Paar beim Sex und das weckt etwas in ihm: In der Folge zieht er dreimal los, überfällt einsame Frauen, zwingt sie mit vorgehaltener Waffe dazu, ihn oral zu befriedigen, fickt sie und ermordet sie schließlich. Das wiederholt sich dreimal, beim letzten Mal drehen seine Opfer – zwei Hippiemädchen – den Spieß um. Der Vergewaltiger wird seinerseits umgebracht. Ende.

Zunächst einmal: Es ist seltsam, solche recht klassisch aufgebauten Pornos zu rezipieren. Aufgrund ihrer Nummerndramaturgie verschwimmen sie mir regelmäßig in der Erinnerung: Über weite Strecken bestehen sie ja aus – haha! – „Füllmaterial“, das sich nicht adäquat erinnern lässt. Die breit ausgewalzten Sexszenen sorgen schon bei der Sichtung dafür, dass die Gedanken auf Wanderschaft gehen, da wird nicht unbedingt „Information“ vermittelt – trotzdem ist die Länge dieser Szenen natürlich von integraler Bedeutung für die Wirkung, die ein Werk wie FORCED ENTRY ausübt. Aber wie schon bei WATER POWER sitze ich eine knappe Woche später nun da und tue mich schwer, das Sichtungserlebnis in Worte zu fassen, das, was den Film auszeichnet, für jemanden greifbar zu machen, der nicht dabei war. Klar, man kann hier mit bestimmten Schlüsselreizen operieren: Wie viele „normale“ Filme aus der Zeit und die großen New-York-Exploiter der späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahre ist FORCED ENTRY einmalig schmuddelig, dreckig, roh und abgeranzt. Er wirkt unmittelbar, beinahe wie Snuff, mit seinen grobkörnig-schwarzweißen Flashback-Einsprengseln wie ein im Kopierer komponiertes Punkrock- oder Underground-Fanzine. Er ist sehr einfach in seiner Struktur, bevor er dann mit einem raffinierten Zirkelschluss abschließt. Und dann ist da natürlich seine Kritik: Einem Publikum, das sich gemütlich einen abwedeln will, Sexszenen vorzuhalten, die man nur dann geil finden kann, wenn man entschieden einen an der Waffel hat, es mit (der eigenen?) Vietnam-Traumatisierung zu konfrontieren und die Frage zu stellen, ob der „Krieg“ wirklich nur auf der anderen Seite des Ozeans stattfindet oder nicht längst in den Straßen der USA tobt, ist schon ziemlich gewagt. Und schlägt man den Bogen zur gesamten filmischen Kultur des Jahrzehnts, so kann man kaum anders, als Shaun Costello für seinen Vorreiterstatus zu loben. TAXI DRIVER folgte ganze drei Jahre später und musste den Psychopathen zur Identifikationsfigur machen, um seine Kritik unterzubringen. Ich würde nicht sagen, dass FORCED ENTRY der bessere Film ist, aber er kommt ohne großes Federlesen, dafür mit viel Nachdruck zum Punkt. Er schreit dir seine Wut und Verachtung ins Gesicht, ohne sich groß darum zu kümmern, ob dir diese Art der Konversation gefällt, weil er davon überzeugt ist, einen Punkt zu haben. (Es hilft natürlich, dass er ihn wirklich hat.)

Gerade vor diesem Hintergrund ist es eigentlich völlig unverständlich, dass sich noch niemand bemüht hat, FORCED ENTRY aus den Niederungen der Grabbelkisten-Pornografie zu bergen und ihn in adäquatem Gewand neu aufzulegen. In Zeiten, in denen sich der Zorn der Kinogänger nur noch daran entzündet, dass ein Kritiker das 100-Prozent-Fresh-Rating des Lieblings-Superheldenfilms kaputtgemacht hat, oder erhitzt diskutiert wird, ob ein ehemals weißer/männlicher Filmcharakter im Remake farbig/weiblich sein darf, zeigt FORCED ENTRY eindrucksvoll, was wir aufgegeben haben: das Wissen, dass Filmschauen/-machen mal verdammt gefährlich und verdammt schmerzhaft war.