Mit ‘Ernst Hofbauer’ getaggte Beiträge

kara_murat_kara_sovalyeye_karsi_1975_width300Vorab: Herauszufinden, welchen Originaltitel der gezeigte KARA MURAT-Film hat, erweist sich als schwierig. Laut IMDb wirkte Hofbauer an zwei Filmen der Serie mit, KARA MURAT: FATIH’IN FERMANI sowie KARA MURAT DENIZLER HAKIMI, aber bei keinem der beiden passt die Inhaltsangabe. Das Gegenteil ist der Fall bei KARA MURAT KARA SÖVALYEYE KARSI (auch Szenenfotos im Netz erhärten das), bei dem die IMDb aber weder Hofbauer noch eine deutsche Kopie  verzeichnet. Die OFDb und der DVD-Verleih wiederum weisen den Titel FATIH’IN FERMANI zu, aber wenn man den bei Youtube sucht, findet man Ausschnitte aus einem anderen Film. Dass die gezeigte Kopie außerdem heftige Qualitätssprünge und offensichtlich zusätzliche Szenen aus einem anderen, weitaus aufwändigeren KARA MURAT-Film zeigt, macht es nicht einfacher. Mit anderen Worten: Ich habe keine Ahnung, welchen Film wir da nun eigentlich gesehen haben, lediglich, dass die KARA MURAT-Forschung noch in den Kinderschuhen steckt.

Wer schon einmal einen KARA MURAT- oder einen Cüneyt-Arkin-Film gesehen hat, weiß natürlich trotz solcher Schwierigkeiten, womit er zu rechnen hat. Ein bis unter die schwarze Haarpracht übermotivierter und wie unter Krämpfen grimassierender Hauptdarsteller walzt und hüpft sich, links und rechts Schwerthiebe, Faustschläge, Backpfeifen, Ellbogenstöße und Tritte verteilend, durch karge Settings, die von schnauzbärtigen Osmanen und drall geschminkten Schönheiten in Kostümen aus dem Karnevalsverein bevölkert werden. KARA MURAT: SEINE RACHE BRINGT DEN TOD (so der  deutsche Titel) hat außerdem ein zusätzliches Pfund zum Wuchern, denn Cüneyt Arkin, die fliegende Zahnlücke mit dem Sexappeal Alain Delons, agiert hier in einer Doppelrolle! Er spielt die als Kinder gewaltsam getrennten Brüder Murat, seines Zeichens stolzer Türke, und Mehmet, der unter schurkischen Christenschweinen aufwächst, nachdem der Bösewicht ihn aus Rache für einen abgeschlagenen Arm als Kind entführt hat.

In der sich anschließenden Abfolge wüster Scharmützel wechseln die beiden die Seiten, um den jeweiligen Gegner mit gemeinen Täuschungsmanövern zu foppen, dass man bald völlig den Überblick verliert. Der Film ist ein wildes Hin-und-Her zwischen zwei Schauplätzen und am Ende erweist sich der osmanische Spirit natur- und erwartungsgemäß als weit überlegen. Die Brüder vereinen sich so eben noch, bevor es Mehmet hinwegrafft, natürlich nicht, ohne sich mit den letzten Atemzügen als treuer Muselmane zu erweisen, dann räumt Murat mit höchster Effizienz und dem Mut eines koffeinabhängigen Berserkers mit der Christenbrut auf.

KARA MURAT: SEINE RACHE BRINGT DEN TOD hat etwas von einer ausgedehnten und amateurhaften Zirkusvorstellung, bei der man beständig um das Leben der Artisten fürchtet, die ihre halsbrecherischen Stunts mit überaus prekären Mitteln und dem ungebrochenen Mut der Verzweiflung realisieren. Intellektuell liegt das Ganze noch unter den Geschichten, die sich mein zweieinhalb-jähriger Sohn ausdenkt: Die jeweiligen „Festungen“ sind löchrig wie Schweizer Käse, Murat/Mehmet gehen ein und aus und nicht einmal ein plötzlicher Bartverlust sorgt für Verwirrung. Als die Türken den vermeintlich verräterischen Zwillingsbruder gefangen nehmen (der in Wahrheit Murat ist), gelingt es diesem, jeden Zweifel zu zerstreuen, indem er ganz einfach sagt, wer er ist. „Ein Türke lügt nie in Lebensgefahr!“, weiß man schließlich. Und wundert sich darauf, ob das nun ein Zeichen großen Edelmuts oder schier überwältigender Dummheit ist (das Nichtlügen, meine ich).

Am wichtigsten ist aber natürlich Arkin, dessen Einsatzwille schier grenzenlos ist. Wenn jemand jemals in seinen Rollen aufgegangen ist, dann er. Da können De Niro, Pacino, Bale und all die anderen Method-Schnösel nach Hause gehen und Drehbücher für die nächsten Hollywood-Langweiler lesen! Wie Arkin inszeniert wird und agiert, ist einfach einmalig, treibt einem kindliche Freudentränen und ein enthemmtes Lachen ins Gesicht, in dem sich wahrhaft alle Sorgen auflösen. DAS ist Kino! Die Welt braucht Cüneyt Arkin!

die-jungen-tiger-von-hongkong„Dieser Film ist hart.“ Das sind die ersten Worte in DIE JUNGEN TIGER VON HONGKONG, gesprochen von einem Voice-over-Kommentator im typischen Duktus der ungefähr zur selben Zeit populären Report-Filme, an deren Erfolg Regisseur Hofbauer ja auch maßgeblich beteiligt war. Es gehe um die orientierungslose Jugend, die Abgründe, in die sie in dieser Orientierungslosigkeit schlittert und natürlich basiere der Film auf „wahren Begebenheiten“, die conditio sine qua non des deutschen Sleazefilms jener Tage.

Werner Pochath ist Walter, ein junger Mann, der noch keine Lust hat, aufs Erwachsen- und Vernüntigsein, der aufs Establishment scheißt, wie er selbst sagt, und schonmal Freunde zum Russisch-Roulette-Spiel nötigt. Mit seiner Clique hängt er im „Schocker-Club“ in Hongkong rum, heckt krumme Dinger und gefährliche Streiche aus. Zur Gang gehört auch Carl van Dreegen (Jochen Busse), Sohn eines erfolgreichen Geschäftsmanns, der nebenbei einen Mädchenhandelring organisiert und dem die Schocker-Gang, ohne es zu wissen, in die Quere kommt. Zwischen den Fronten agiert der schlagkräftige Testpilot Burt (Robert Woods), der auf der Suche nach seiner Frau ist, die ebenfalls von Dreegen in die Hände fiel …

Ach, was hätte das für ein Kracher werden können. Der Auftakt ist schön, vor allem wenn Pochath mit seiner unglaublichen Frisur auftritt und den dicken Max markiert. Leider hält die Freude aber nicht lang vor, denn recht schnell versandet DIE JUNGEN TIGER VON HONGKONG in der totalen Beliebigkeit austauschbarer Keilereien, Verfolgungsjagden und Tanzszenen. Hofbauer, der sich eigentlich wie kein zweiter darauf verstand, auf die Tube zu drücken und sich inszenatorisch von den ihm als Vorlage dienenden Pro-forma-Drehbüchern zu emanzipieren, kämpft auf verlorenem Posten oder hatte einfach keinen Bock. Er reiht sich mit seinem Film ein in die eh nicht so pralle Tradition der Wolf C. Hartwig’schen „Hongkong-Reißer“, die allesamt kaum über biederen Durchschnitt hinwegkamen, egal ob sie nun DAS MÄDCHEN VON HONGKONG, HEISSER HAFEN HONGKONG, EIN SARG AUS HONGKONG oder WEISSE FRACHT FÜR HONGKONG hießen. Hier ist die Enttäuschung angesichts der erhöhten Erwartungshaltung aber deutlich größer. Es fehlen einfach die absurden Details, die Over-the-Topness, die DIE JUNGEN TIGER VON HONGKONG zur Sleazegranate gebraucht hätte. Der Film sitzt zwischen den Stühlen, liebäugelt einerseits mit praller Exploitation, steht aber mit einem Fuß noch in der staubigen Abenteuerfilm-Tradition der Sechziger und sich somit ständig selbst im Weg. Der Handlungsverlauf ist unnötig kompliziert, Robert Woods als kerniger Held einfach langweilig, die coolen Kids vom Schockerclub verschwinden in der zweiten Hälfte fast völlig von der Bildfläche und einen richtig fiesen Schurken vermisst man genauso wie den feisten Exzess. Selbst Hongkong gibt als Kulisse seltsamerweise nichts her. Aber vielleicht wäre ich auch weniger enttäuscht, wenn die Filmjuwelen-DVD nicht mal wieder ein besonders trauriges Exemplar für einen lieblos hingerotzten Release wäre. Wenn nicht mal die Farben reinknallen …

maedchenDie Programmierung von Hofbauers MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT, einem der unzähligen Reportfilme, die im Zuge des massiven Erfolgs von SCHULMÄDCHEN-REPORT in Fließbandproduktion gingen, im direkten Anschluss an den niederschmetternden DIE SPALTE zeugte von einer gewissen Chuzpe, aber natürlich auch vom grenzenlosen Vertrauen der Veranstalter in die moralische Standfestigkeit ihres Publikums (die ihm ja auch Matthias Dell in seinem schönen Radiobeitrag bestätigte). Legte Ehmck den männlichen Sexismus, der die Frau zum bloßen Befriedigungsautomat degradiert, in seinem Film noch gnadenlos bloß, werden Vergewaltigung und Demütigung in Hofbauers im selben Jahr entstandenen Werk wie gewohnt als sportliches Missverständnis verharmlost oder die Verantwortung dafür gleich der Frau in Schuhe geschoben, die keine Ahnung hat, was sie mit ihrem aufreizenden Auftritt anrichtet oder schon in ihrem Körperbau die labile Opfermentalität erkennen lässt, die Männern kaum eine andere Wahl lässt.

Richtig abstoßend wird MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT aber nie, dafür sorgen zum einen krasse Unbedarftheit, mit der da die unglaublichsten Behauptungen aufgestellt werden, zum anderen Hofbauers verspielt-schwungvolle Regie. Der größte formale Kniff des Films ist es, alle Szenen in der Praxis des Gynäkologen aus dessen Sicht zu filmen, obwohl auch der vor allem auf die verquere Denke der Macher schließen lässt, bedürften doch eigentlich eher die Patientinnen des Schutzes der Anonymität. Aber so kommt der geneigte männliche Betrachter natürlich in den „Genuss“, dass sich die hilfesuchenden Mädels direkt an ihn wenden, er in den explizitesten Szenen des Films selbst durch das Spekulum geradewegs in sie hineinblicken darf. Die kurzweilig aneinandergereihten Episödchen, von denen der mit gewissenhaft-vertrauensvoller Stimme dozierende Frauenarzt berichtet, erzählen genau jene Geschichtchen, die man angesichts des Sujets erwarten durfte. Meist geht es um frühreife Früchtchen, die sich beim Liebesspiel diverse Verletzungen oder auch Erkrankungen hinzugezogen haben und nun höchst verschämt den Weg zum Frauenarzt antreten, der sich dem Zuschauer gegenüber auch die ethische Einordnung seiner Patientinnen nicht verkneifen mag. Illustriert werden dies Episoden um etwa eine Infektion mit den Gonokokken gern mit pseudoseriösen Grafiken, die den flächendeckenden Einfall weißer Pünktchen, vornehmlich natürlich aus dem geilen Süden, ins Bundesgebiet zeigen und heute wahrscheinlich von AfD oder PEGIDA für andere, weniger medizinische Zwecke verwendet werden (allerdings mit schwarzen Pünktchen).

Besonders gut gefallen hat mir an MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT, wie er nach jedem Schicksalsschlag und jeder Härte immer wieder möglichst schnell zu seinem flapsig-humorvollen Ton zurückfindet. Das Mädchen mit dem wunderschönen, ja geradezu perfekten Busen, das von seinem vollkommen bescheuerten Angebeteten – einem verwöhnten Rotzjungen mit ca. hundert Halsketten, eigener Mopszucht und Oldtimer – tatsächlich wegen mangelnder Oberweite ausgelacht wird, wird von Frauenarzt und Sprechstundenhilfe anschließend in einen heiter bis frivolen Dialog verwickelt, der den Schicksalsschlag, ohne Atombusen auf die Welt gekommen zu sein, gleich nur noch halb so schlimm erscheinen lässt; und als Hauptursache für Unterleibsentzündungen werden vom Arzt nicht etwa Infektionen genannt, sondern die Tatsache, dass Jugendliche „heutzutage“ so gern in Unterwäsche auf dem Boden rumsäßen. MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT ist also nicht nur ein flammendes Plädoyer für Aufklärung – wie oben schon erwähnt etwa darüber, wie man den Charakter eines Mädchens an ihrem Körperbau ablesen und so prognostizieren kann, wie sie nach der ruppigen Entjungferung so „drauf“ ist -, sondern auch für die ordentliche Bestuhlung von Jugendzimmern. Wie fast alle Reportfilme also ein unverzichtbarer Ratgeber in allen Lebenslagen und mithin ein idealer Abschluss des offiziellen Kongressprogramms.

Irrungen, Wirrungen: Manfred Reiner (Thomas Alder), Angestellter einer Plattenfirma, erhält den Auftrag, an die Adria zu reisen und dort den Schlagerstar Cherry Davis (Hannelore Auer) zu einer Vertragsunterzeichnung zu überreden. Seine Strategie, die selbstbewusste Dame durch Missachtung auf sich aufmerksam zu machen, scheitert allerdings daran, dass die ihren alten Schwarm Rick Tanner (Rex Gildo), seines Zeichens ebenfalls Schlagersänger, wiedertrifft. Andere Sorgen hat Frank Hilman (Gus Backus), Sohn des Hotelbesitzers Robert Hilman (Harry Hardt): Sein strenger Papa hält nämlich gar nichts von seiner neuen Freundin und Ehefrau in spe Michaela (Andrea Scherr), weshalb diese sich ihm inkognito annähern will, um ihn von ihrer Eignung zu überzeugen. Inkognito ist auch Hilman selbst unterwegs, folgt er doch der Beschwerde von Cherry Davis über den mangelhaften Hotelservice, den ihr Portier Pizzanini (Fritz Korn) angedeihen lässt. Pizzanini wiederum hält den Hochstapler Felix Glücklich (Gunther Philipp) für seinen Chef, der sich infolgedessen alle Freiheiten erlauben darf. Und als wäre das noch nicht Verwechslunspotenzial genug, gibt sich die Telefonistin Gerti Brückner (Vivi Bach) als Michaela aus, verdreht so Manfreds Kollegen Peter (Kurt Liederer) den Kopf und treibt den guten Frank in die Fänge der Eifersucht …

Nachdem Ernst Hofbauer die Kongressteilnehmer im Sommer mit HOLIDAY IN ST. TROPEZ verzückte, wurde diesmal der direkte Nachfolger – ebenfalls aus der erprobten Feder von Hans Bilian – kredenzt, mit kaum geringerem Erfolg. Die damals wie heute publikumswirksame Mischung aus sonniger Urlaubskulisse, stimmungsvoller Schlagerkost, beeindruckendem Staraufgebot, haarsträubenden Verwechslungen und irrwitzigem Slapstick hätte wahrscheinlich auch in handwerklich weniger inspirierter Ausführung gezogen, unter Hofbauers temporeicher Regie verzaubert sie abwechselnd die Sinne, überrascht mit originellen, die Formel biegenden Einfällen oder raubt dem Zuschauer fast den Atem mit ausufernden Slastick- und Actionchoreografien. Nur hier darf man etwa erleben, wie der Schlagersänger (und Eiskunstlauf-Olympiasieger) Manfred Schnelldorfer seinen Hit „Deine schönen blauen Augen“ als mitfühlender Taxifahrer nicht etwa einer holden Dame, sondern seinem sichtlich verdutzten Fahrgast Gus Backus vorsingt, die Heteronormie der braven deutschen Komödie mutig durchbrechend. Überhaupt diese zahlreichen Musiknummern: Sie werden nicht etwa lieblos runtergekurbelt, sondern sind mit sichtbarer Liebe choreografiert und abgelichtet. Keine Toilettenpausen also, sondern den umwerfenden Charme ganz wesentlich prägende Momente, in denen TAUSEND TAKTE ÜBERMUT tatsächlich ganz bei sich ist. Gus Backus rockt das Haus mit seiner lässig weggetanzten Musicalnummer genauso endlos cool wie der Italiener Peppino Di Capri, dessen Körper von seinem Bubblegum-Rock’n’Roll konvulsivisch-ekstatischen Zuckungen unterworfen wird. Und eine Gesangsnummer von Hannelore Auer und Rex Gildo endet geradezu traumhaft poetisch in einem Tanz auf dem menschenleer und regennass in der Morgendämmerung schlummernden Markusplatz. Auf der eher körperlichen Seite beweist Gunther Philipp wieder einmal, dass er vielleicht einer der ersten deutschen Actionstars war, lässt seinen beachtlichen Brustkorb anschwellen und führte alle Stunts sichtbar selbst aus. Noch nicht einmal der in jeder Hinsicht kolossale Ady Berber kann es mit ihm aufnehmen, muss in der finalen Verfolgungsjagd, die dem eh schon turbulenten Film noch die Krone aufsetzt, im Gegenteil viel einstecken.

Der Schlagerfilm muss gewohnheitsmäßig viel Häme einstecken, auch von Menschen, die Musikfilmen grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehen. Wirklich verwundern tut das nicht, bedenkt man, wie einfach es sich deutsche Lustspielregisseure in der Regel mit diesem Genre machten, in welche Niederungen der geneigte Zuschauer hinabsteigen musste. Die Siebzigerjahre haben dem Genre mit ihren grienend durchs Bild schreitenden und schmalzige Weisen absondernden Betonfrisuren jede Respektabilität ausgetrieben und sind bis heute unauslöschliches Stigma. Nicht das erste einst erfolgreiche Genre, dass die deutsche Filmindustrie gnadenlos runtergewirtschaftet hat. Hofbauer zeigt mit TAUSEND TAKTE ÜBERMUT, was der deutsche Schlagerfilm ursprünglich einmal war und weiterhin hätte sein können, hätte man mehr Mühe, Können, Inspiration und Kreativität hineingesteckt, anstatt die Kuh mit möglichst wenig Aufwand zu melken.

Wer will, kann sich TAUSEND TAKTE ÜBERMUT hier in voller Länge anschauen.

karate_kuesse_blonde_katzen_2Eine Gruppe junger weißer europäischer Schönheiten wird von chinesischen Piraten gekidnappt und an den Hof des Verbrecherbosses Chao (Wang Hsieh) gebracht. Dort sollen die Mädchen zu Prostituierten ausgebildet und anschließend verkauft werden. Unerwartete Hilfe erhalten sie von Ko Mei Mei (Liu Hui-ling), einer Dienerin Chaos, deren Bruder Ko Pao (Yueh Hua) seit zwei Jahren an seiner Schwertkampftechnik gefeilt hat, um es mit dem Schurken und seinen Männern aufzunehmen und seine Schwester zu befreien …

Der Eastern-Hype. der in den Siebzigerjahren bundesdeutsche bzw. europäische Bahnhofskinos ebenso erfasste wie die Grindhouses in der New Yorker 42nd Street, ist ein Kulturphänomen, das für mich, der diese Zeit nicht selbst miterlebt hat, kaum real erscheint. Dass die Menschen sich damals obskure Martial-Arts-Filme gleich dutzendweise im Kino anschauen konnten und dies dann auch begeistert taten, dass Schauspieler wie Jimmy Wang-yu oder Chen Kuan-tai zu kleinen Stars avancieren konnten, klingt heute, wo die Dominanz Hollywoods – trotz der klicknahen Verfügbarkeit oskurer Filme aus aller Welt – so stark ist wie vielleicht nie zuvor, wie eine schöne Utopie. Die Befriedigung des Zuschauerbedürfnisses nach krachenden Handkantenschlägen und gezielt eingesprungenen Flugtritten wollten Filmemacher verständlicherweise nicht den asiatischen Erfindern von Karate, Kung-Fu, Taekwondo usw. überlassen. Aber offensichtlich war ihnen auch bewusst, dass sie die Vorlagen nicht selbstständig kopieren konnten, ohne massiv an credibility einzubüßen. Gern übte man also den Schulterschluss mit den Shaw Brothers, ihres Zeichens Marktführer ais Hongkong, um den eigenen Kung-Fu-Film ohne Gesichtsverlust über die Rampe zu wuchten. In den USA produzierte man so ENTER THE DRAGON und landete damit einen Riesenerfolg, ausgerechnet die altehrwürdigen englischen Hammer-Studios, bekannt für angenehm staubig-theatralisches Gruselkino, versuchten mit LEGEND OF THE SEVEN GOLDEN VAMPIRES verzweifelt, relevant zu bleiben, und in Deutschland schickte die Constantin Tausendsassa Ernst Hofbauer mit der Mission nach Fernost, eine publikumswirksame Melange aus Action, Abenteuer, Sex und Klamauk zusammenzurühren. Das Ergebnis heißt KARATE, KÜSSE, BLONDE KATZEN und beweist vor allem, dass deutscher und chinesischer Humor sehr gut miteinander kompatibel sind, Martial-Arts-Action mit hüftsteifen Miezen aber nur dann funktioniert, wenn der Betrachter von nackten Tatsachen abgelenkt wird.

Inhaltlich erinnert der Film stark an die etwa zur selben Zeit reüssierenden Women-in-Prison-Filme, wobei er weitaus weniger sadistisch zu Werke geht und in der Darstellung sexueller Devianz  weitestgehend im jugendfreien Bereich bleibt: Weiße Mädchen werden gefangen genommen und zu Sexsklaven-Arbeit verdonnert, können sich letztlich aber gegen ihren Unterdrücker erheben und ihre weibliche Überlegenheit unter Beweis stellen. Auch wenn Hofbauer dafür einige aus dem umfangreichen Shaw-Oeuvre bekannte Settings und Schauspieler für sich nutzen darf, die Kämpfe von seinem chinesischen Kollegen kompetent inszeniert und abgelichtet werden, so erkennt man doch jederzeit den Crossover-Charakter seines Films. So straight wie hier wird in den Filmen der Shaw Brothers nur selten erzählt, und es ist vor allem dieses Kleben am Plot, das KARATE, KÜSSE, BLONDE KATZEN zu einem letztlich etwas drögen Unterfangen macht. Die Story gibt nur wenig her, echtes Mitfiebern ist angesichts der Dusseligkeit der ganzen Prämisse von vornherein ausgeschlossen und es fehlt schlicht die Detailfreude und Verspieltheit, die viele Shaw-Eastern so auszeichnet. Der Film kommt über die Formel, den Sales Pitch gewissermaßen, nicht hinaus. Die Fights, die die um sich greifende Lethargie etwas auflockern könnten, sind gezwungenermaßen gebremst und unspektakulär: Am Anspruch, einen Martial-Arts-Film zu machen, ist Hofbauer am deutlichsten gescheitert. Gewiss, KARATE, KÜSSE, BLONDE KATZEN ist ganz putzig und keineswegs das unbeholfene Trash-Vehikel, das man vielleicht erwartet, aber man merkt, dass sich keiner der Beteiligten wirklich zu Hause fühlen durfte. Am besten funktioniert der Film als Komödie, weil tumber deutscher Klamauk und der ähnlich infantile chinesische Humor, wie oben bereits einmal erwähnt, wirklich hervorragend harmonieren, so gut, dass da keinerlei Nahtstelle erkennbar ist. Eigentlicher Höhepunkt ist dann auch nicht der Finalkampf gegen den bösen Chao, sondern die Episode, in der die Heldinnen an allesamt hässliche und zudem ziemlich dusselige Geldsäcke verhökert werden und diese dann ihre gerechte Strafe erhalten. Freunde deutscher Blödelsynchro freuen sich zudem über Sätze wie „Schmeckt wie Opa unterm linken Ei.“ oder Dialoge wie diesen: „Wo is‘ der Chef?“ – „Im Keller, macht’s Sportabzeichen.“

 

 

 

 

Die Titlesequenz geizt nicht mit eindringlichen Standbildern aus dem Film – eine Frau, die von einem fetten Sack durchs Zimmer geprügelt wird, Großaufnahmen von nur halb bedeckten Körperteilen – sowie der Offenbarung, dass SCHWARZER MARKT DER LIEBE auf einer Reportage aus der Zeitschrift „Revue“ basiert, alle Namen aber natürlich frei erfunden seien. Die Erartungshaltung ist gleich relativ klar: In Zusammenhang mit den Namen „Ernst Hofbauer“ kann nichts anderes auf einen zukommen als eine jener sensationalistischen Warnfabeln, wie sie in den Sechzigerjahren den Boden für die wenig später losbrechende Welle der Report-Filme bereiteten. Das trifft aber nur zum Teil zu: Zwar serviert Hofbauer seinen Zuschauern eine wüste Geschichte voller Gewalt, Sex und tragischer Schicksale, angesiedelt in einer Welt, in der Frauen an jeder Ecke einen Mann erwarten müssen, der sie verdirbt, aber die Form seines Films hat mit dem starren Korsett der Reports nichts zu tun. SCHWARZER MARKT DER LIEBE ist aufregendes, unkonventionelles Kino, fast avantgardistisch in seiner Zwei-Akt-Struktur, die ein klaffendes Loch in den Film reißt, um es vom Zuschauer mit dessen Vorstellungen füllen zu lassen. Liegt das nun an der Qualität der Autoren oder der Filmemacher von einst, das damals selbst aus einer Revue-Story bessere Filme gemacht wurden als heute aus Beststellern?

SCHWARZER MARKT DER LIEBE eröffnet am Hafen von Genua, wo verschiedene Frauen ein Kreuzfahrtschiff besteigen, um eine Anstellung als Tänzerinnen anzutreten. In Wahrheit sind sie auf rücksichts- und gewissenlose Menschenhändler hereingefallen. Einer von ihnen, Harald von Groepen (Claus Tinney), hat sich mit seinem jüngsten Geschäft jedoch mit dem berüchtigten Syndikatsboss Lemaire angelegt. Zurück in Berlin muss er sich mit seinem Partner Rolf (Rolf Eden) nicht nur gedungener Mörder erwehren, sondern mit seinem nächsten Coup einen Batzen Geld erwirtschaften …

SCHWARZER MARKT DER LIEBE erzählt seine Geschichte in zwei scharf voneinander getrennten Episoden: Die erste spielt in Genua, vor allem in einer kleinen Pension, in der Harald für sein Geschäft abgestiegen ist. Dort hat er eine Liaison mit der schönen Rosanna (Karin Field) angefangen, der jungen Ehefrau des schmierigen, fetten Besitzers, und ihr den Kopf mit dem Versprechen verdreht, sie aus ihrem Schicksal zu befreien. Natürlich spielt er nur sein Spiel mit ihr und lässt den Zuschauer zum Abschluss des ersten Aktes mit der Gewissheit zurück, dass seine Identifiktionsfigur ein ganz mieses Schwein ist.

Der zweite Akt spielt in Berlin und dreht sich um das „Tagesgeschäft“ von Harald und dem ekligen Rolf. Sie arbeiten eng mit der „Gräfin“ (Tilly Lauenstein) zusammen, einer lüsternen alten Dame mit geilem Blick, der sie junge „Tänzerinnen“ beschaffen, die dann jedoch an greise Lüstlinge aus den höchsten Gesellschaftskreisen verschachert werden. Für die nötige Fallhöhe schauen sie sich als neuestes Objekt die brave Astrid (Astrid Frank) aus, ein Mädchen, das keinen Freund hat, keine Drogen nimmt und nach der Arbeit zeitig ins Bett, anstatt auf wilde Partys zu gehen pflegt. SCHWARZER MARKT DER LIEBE kulminiert in einer wilden Orgie, die Harald, Rolf und die Gräfin für ihre gut betuchten Kunden geben: Astrid wird unter Drogen gesetzt und zu wilder afrikanischer Trommelmusik von der Gräfin verführt, die sie im Wahn für einen hübschen jungen Mann hält. Als sie am nächsten Morgen erkennt, was mit ihr geschehen ist, stürzt sie sich in den Selbstmord, während die feine Partygesellschaft von der Polizei einkassiert wird. Sie war dem Treiben der Mädchenhändler längst auf den Fersen …

In erster Linie ist es die Inszenierung jener finalen Party, die den Zuschauer gleich mit der armen Heldin in einen Strudel des Lasters reißt. Hofbauer, zuvor eher distanzierter Chronist des Geschehens, zieht nun alle Register der Affektsteuerung und -produktion, zeichnet die Kunden von Harald und Rolf als perverse, fast diabolische Sadisten. Über einen Nichtanwesenden erfährt man, dass er nur zum Höhepunkt komme, wenn er einer nur mit Stiefeln bekleideten Frau dabei zusehe, wie sie vor ihm weiße Mäuse zertrete. Die Abgezocktheit dieser geil geifernd grienenden Machtmänner wird hart mit der beinahe märchenhaften Naivität Astrids kontrastiert, die angesichts des höchst seltsamen Publikums keinerlei Verdacht schöpft und sich von Rolf eine „afrikanische Zigarette“ aufschwatzen und zum Aufrauchen überreden lässt, obwohl ihr der Glimmstengel gar nicht schmeckt. Von Drogen und der sich zu einem verschwitzten Crescendo emporschwingenden Musik berauscht, versinkt die ganze Gesellschaft schließlich in einem kaleidoskopartig flimmernden Bilderwirbel, aus dem der Zuschauer geradewegs in die Schwärze einer gnädigen Zäsur gleitet.

Überhaupt die Zäsuren: Ich kann mich noch nicht entscheiden, ob ich den sündigen Überfluss jener finalen Party oder aber doch das vielsagende Schweigen, das den Film in der Mitte zertrennt, mehr ins Herz geschlossen habe. Wie Harald der süßen Rosanna erst den Ausbruch aus ihrem tristen Leben unter der Knute ihres zigarrenkauenden, unterhemdentragenden Gatten verspricht, nur um sie dann als Ehebrecherin umso härter und mit erschütternder Bagebrühtheit in dessen haarige Pranken zurückszustoßen und zufrieden und ungerührt in eine Schwarzblende und den zweiten Akt des Films zu schreiten, verkörpert den Zynismus des Geschäftes, um das es in SCHWARZER MARKT DER LIEBE geht, eigentlich noch besser als alles schmierige Augenrollen von Rolf Eden. Den schließe ich sowieso immer mehr in mein Herz: Dass der Partykönig von Berlin sich in den Sechzigerjahren eine kleine Filmkarriere mit solchen Schurkenrollen aufbaute, zeugt von einem überaus gesundes Maß an Selbstironie, das man von ihm nicht unbedingt erwartet hat (sofern man THE BIG EDEN nicht gesehen hat, jedenfalls). Ein sehr großer, sehr undeutscher deutscher Film.

Nach der moralischen Rosskur namens BONITINHA, MAS ORDINÁRIA war die Entscheidung, ein erquickendes österreichisches Lustspiel von Kongress-Namenspatron und -Schutzheiligem Ernst Hofbauer vorzuführen, ein überaus weiser, ja geradezu genialer Schachzug der in jeder Veranstaltungssekunde un das Seelenheil der Gäste besorgten Kuratoren. Die Mischung aus rührend unschuldiger Sexkomödie und frohsinnigem Heimatfilm namens DIE LIEBESQUELLE wusch das Gewissen der Anwesenden wieder porentief rein, ersetzte Scham, Zorn, Ekel und Unglauben mit dem Gefühl, das alles gut und schön und richtig ist. Dafür waren vonseiten Hofbauers gar keine größeren Winkelzüge vonnöten, eben nur die für solche Filme typische Sonnigkeit des Gemüts, der es gelingt jede Ahnung vom Bösen in der Welt abzublocken, zu tilgen, auszulöschen: So wird aus dem Herzen eben statt einer Mördergrube eine Liebesquelle gemacht, in der man die müden Glieder vom kühlenden Nass umspülen und auch noch den letzten Anflug dunkler Gedanken fortwaschen kann.

Das Dörfchen Jonkborn soll vom Fremdenverkehrsamt Geld für eine Imagekampagne bekommen. Der herbeigerufene Werbemann Leif (Hans-Jürgen Bäumler) stößt auf der Suche nach dem besonderen Etwas Jonkborns auf die sogenannte Liebesquelle, die laut Sage dem Mann, der von ihr trinkt, große Manneskraft, der Frau, die bei Vollmond in ihr badet, ewige Schönheit verspricht. Natürlich hält der jeder Fleischeslust und Aberglaube abholde Dorfrat, bestehend aus Apotheker (Balduin Baas), Lehrerin (Ellen Umlauf), Pfarrer (Herbert Tiede) und Wirt (Walter Buschhoff) diese Sage für ausgemachten Blödsinn, nicht ahnend, wie der kernige Bürgermeister Nils Hansen (Sieghardt Rupp) zu seiner großen Beliebtheit gerade bei der weiblichen Bevölkerung gekommen ist. Als das Amt mit Leifs freizüglichem Plakatentwurf konfrontiert wird, ist die Empörung ebenfalls groß. Der spießige Assessor Alwin Knobbe (Eddi Arent) soll die mit der Quelle verknüpften Versprechungen vor Ort auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Und in Jonkborn hat sich das Geheimnis der Quelle mittlerweile unter den noch unwissenden und angesichts ihrer lustlosen Gatten überaus liebeshungrigen Damen mittlerweile herumgesprochen …

Hofbauer erzählt seinen Schwank als Rückblende: Knobbe eröffnet den Film als Lebemann mit Designerwohnung im Sixties-Chic und einem Überangebot sich ihm darbietender Schönheiten mit direkter Zuschaueransprache. Wie aus dem kleinen Assessor Knobbe der attraktive und erfolgreiche Lebemann wurde, will er erzählen und führt den Zuschauer so in das norddeutsche Dörfchen, das sich auch durch das Gebirgspanorama im Bildhintergrund nicht im Glauben an seine geografische Lage verunsichern lässt. In seinem kreisförmigen, um einen ungepflasterten Platz gruppierten Aufbau erinnert es ein bisschen an einer Westernstadt und das Männeken Piss, das den Dorfbrunnen ziert, macht die Verwirrung endgültig perfekt. Die hat auch die Männerschar des Films befallen: Keiner begreift, warum der Apotheker das Bürgermeisteramt an Nils abtreten musste, aber damit sind sie ganz allein. Den jungen Mädchen hüpfen vor Freude und Erregung fast die wogenden Brüste aus dem Kleid, wenn der braungebrannte Sonnyboy mit dem unbeirrbaren, zahnreichen Siegerlächeln und dem weit aufgeköpften Hemd des Weges kommt. Es schließen sich die üblichen Spielchen an: Irgendwann versammeln sich die gehörnten Ehemänner auf einem Hochsitz und beobachten die anrückende Frauenschar, die sich in einer besonders sonnigen Vollmondnacht aller Kleider und Hemmungen entledigt und in die hübsch in die Landschaft drapierte Quelle hüpft. Bevor Empörung oder Lust zu groß werden können, schießt ihnen der Nils eine Ladung Schrot ins Gesäß, nur so aus Spaß und um ihnen eine kleine Lektion zu erteilen. Am Ende wird der Wille der Spießer natürlich gebrochen und auch die Staatsmacht in Vertretung von Knobbe erliegt der Fleischeslust. Da erigieren sogar die Baggerschaufeln, die die Quelle eigentlich zuschütten sollten, bekommt Jonkborn sein Plakat und kann die sexuelle Revolution in den norddeutschen Alpen endlich ihren erwarteten Anfang nehmen.

In Köln tobt ein Kampf um die Vorherrschaft im Rotlichtmilieu: Auf der einen Seite die Brüder Paul (Arthur Brauss) und Gustav Keil (Jos Hartmann) mit ihren Kompagnons Willy (Klaus Löwitsch) und Helmut (Rainer Basedow), auf der anderen Seite die verhassten Wiener um den Edelbordell-Besitzer Poldi (Walter Kohut). Als einer der Wiener von Gustav umgebracht wird und dieser daraufhin gefasst wird, plädiert der für eine harte Hand stehende Staatsanwalt Stauffer (Richard Münch) für 15 Jahre Zuchthaus. Paul, selbst von der Polizei gesucht, will das verhindern …

HEISSES PFLASTER KÖLN erlebte im vergangenen Jahr eine kleine Wiederentdeckung, als er als regionale Filmkuriosität in Kön aufgeführt wurde. Von der deutsch-österreichischen Lisa-Film produziert und vom Exploitationmeister und SCHULMÄDCHEN-REPORT-Regisseur Ernst Hofbauer inszeniert, handelt es sich um einen jener deutschen Actionfilme, die gern als „Sittenreißer“ bezeichnet wurden und heute nahezu vergessen sind. Während man in der Gegenwart immer wieder versucht, das weit verbreitete Bild des deutschen Films als langweilige Ansammlung spießiger Beziehungskomödien und Problemfilme durch die Produktion von nach Hollywood schielendem Eventschrott zu korrigieren, wusste man damals ganz genau, wie genuin deutsche Exploitation auszusehen hatte. Leider eine Tradition, die komplett abgerissen ist. Welch einen Verlust das bedeutet, sieht man in HEISSES PFLASTER KÖLN, der nicht nur schön reißerische Action bietet, sondern auch ein aufschlussreiches Stück Zeitgeschichte. Hier erfährt man, wie sich der Bundesbürger in den späten Sechzigerjahren den kulturellen Niedergang vorstellte: In Köln regieren die Loddel und Verbrecherbanden, „terrorisieren“ die Metropole mit ihren Konkurrenzkämpfen, derweil der Spießbürger große Reden schwingt, sich aber abends die Hörner bei den Nutten abstößt. In Kneipen und Bars verkehrt das Milieu und zieht schon die nächste Generation heran: Für sexuelle Gefälligkeiten seiner minderjährigen Gäste lässt der Kneipenbesitzer Benno (Eric Pohlmann) auch mal einen Whisky springen, das Bargeld ziehen die frechen Früchtchen der hilflosen Tante (Lisa Helwig) ab und schrecken auch vor Gewalt nicht zurück, wenn sie sich zur Wehr setzt. Kein Wunder, dass Staatsanwalt Stauffer die Lösung in einer härteren Gangart sieht. Er kämpft aber nicht nur gegen immer rücksichtsloser werdende Schurken, sondern auch gegen liberale Kräfte. Der Landgerichtsrat (Günther Ungeheuer) hält nichts von Stauffers Vorgehen, glaubt nicht daran, dass die Erhöhung des Strafmaßes wesentliche Veränderungen bringt. Hofbauer überlässt letztlich dem Zuschauer die Entscheidung, wer von beiden Recht hat, sympathisiert aber naturgemäß mit Stauffer, dem es dann höchstselbst an den Kragen – und an den seines Sohnes – geht. Am Ende ist der Tag gerettet, aber der sich einschaltende Voice-over-Kommentator weiß ganz genau, dass nur ein Etappensieg errungen wurde.

Einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Reizes bezieht HEISSES PFLASTER KÖLN naturgemäß aus der Tatsache, dass wir heute wissen, dass die kriminelle Großstadtapokalypse, die der Film drohend verkündet, nicht eingetreten ist. Und das, obwohl Gangster wie Paul Keil mit ihren Methoden heute wahrscheinlich kein Bein mehr auf den Boden bekämen, man längst eine deutlich härtere Gangart gewohnt ist: Das einzige, was sich tatsächlich gar nicht verändert hat seit damals, ist die Überzeugung, dass es schlimmer nicht mehr kommen kann und die Zeiten früher viel besser waren. Auch hier gibt es sie schon, die gewaltbereite, moralisch verkommene und nach Alkohol und nächtlichen Vergnügungen dürstende Jugend, die jede Begabung zu menschlicher Empathie längst verloren hat: Sie ist keineswegs eine Erfindung unserer Zeit: Die Szene, in der sie das wehrlose Tantchen in der kleinen Wohnung überfallen und den geliebten Wellensittich der alten Frau wegfliegen lassen, nimmt dann auch am meisten mit, gibt Hofbauer Gelegenheit, sein ganzes agitatorisches Potenzial auszuspielen. Überhaupt ist HEISSES PFLASTER KÖLN – und das ist ja auch das wichtigste – ungemein packend, rasant und griffig inszeniert und erzählt. Das Kölner Lokalkolorit inklusive lokaler Mundart trägt ebenso zum Charme des Films bei wie seine markante Besetzung – besonders angetan hat es mir, neben dem immer tollen Arthur Brauss, Walter Kohut mit seinem unbezahlbaren Wiener Schmäh – , die Kameraarbeit von Hans Jura und der schmissige Score von Claudius Alzner. Eine runde Sache und Pflichtprogramm für alle Psychotroniker und Freunde deutscher Exploitation.