Ein seltsamer Film, der Fragen aufwirft, das ahnt man schon bei den mit dissonantem Pfeifen unterlegten Aufnahmen psychedelischer Farbspiele, die die Credits illustrieren. Allen voran: Wer ist dieser Remi Kramer und warum konnte bzw. durfte er diesen Film drehen? Es blieb seine einzige Regiearbeit (auch das Drehbuch stammte von ihm), als einziges weiteres Engagement listet die IMDb die Tätigkeit als „Miscellaneous Crew“ bei der 1968 -1969 ausgestrahlten DORIS DAY SHOW. Warum schickte man ihn auf die Philippinen, um dort einen wenn auch nicht gerade höchste künstlerische Weihen erfordernden, aber dennoch gewiss nicht ganz unkomplizierten Söldnerfilm zu drehen? Eine Frage, die leider bis auf Weiteres unbeantwortet bleiben muss, denn es gibt keinerlei Informationen zu seiner Person oder diesem Projekt. Auch der Blick auf die Riege der Produzenten hilft nicht wirklich weiter: Takafumi Obayashi zog sich nach dieser ersten Erfahrung gleich wieder aus dem Filmgeschäft zurück, Co-Autor Michael Parsons beendete ebenfalls danach seine Karriere. Lediglich Joseph Wolf blieb dem Business erhalten und finanzierte später deutlich erfolgreichere Projekte wie etwa Mark L. Lesters ROLLER BOOGIE (OK, der ist auch nicht so prall), FADE TO BLACK, HALLOWEEN 2, HALLOWEEN 3 und A NIGHTMARE ON ELM STREET. Die Philippinen waren kurz zuvor von Roger Corman als preisgünstiger Drehort mit funktionierender Infrastruktur und kompetenten Filmcrews erschlossen worden und wurden von da an regelmäßig für zünftige Söldner- oder WiP-Filme aufgesucht, aber HIGH VELOCITY passt in das Schema von unter markigen Titeln eifrig rausgehauenen Hobeln fürs örtliche Bahnhofskino nicht recht rein. Der Film erinnert in seiner dem Titel krass widersprechenden Langsamkeit und dem bitteren Ende eher an solche Slow Burner wie John Flynns ROLLING THUNDER (ohne dessen Klasse freilich auch nur annähernd zu erreichen), aber er bemüht über weite Strecken einen völlig konträr laufenden Tonfall, bei dem ich bezweifle, dass er allein auf dem Mist der deutschen Synchro gewachsen ist.
Es geht um die Entführung des wohlhabenden britischen Geschäftsmanns Andersen durch eine Gruppe von Widerstandskämpfern: Der schmierige Anwalt (Alejandro Rey) des Entführten engagiert den zunächst unwilligen Söldner Clifford Baumgartner (Ben Gazzara), der wiederum seinen Kumpel Watson (Paul Winfield) an Bord holt. Eigentlich sind ihnen die Auftraggeber – miese Imperialisten und Kapitalisten – zuwider, aber wer wird denn angesichts von 100.000 Dollars schon Nein sagen? Und so geht es auf zum Lager der ärmlich ausgestatteten Freiheitskämpfer …
Zwei Herzen schlagen, ach, in der Brust von HIGH VELOCITY: Auf der einen Seite ist er ein düsterer, sich auf die Seite der Geknechteten schlagender Thriller mit zwei Helden, die sich wissentlich den bösen Mächten andienen und am Ende wie so oft die Gelackmeierten sind, auf der anderen Seite zeichnet er die beiden ganz im Stile unbedarfter Männerfilme als kumpelige Himmelhunde, die immer einen Spruch auf den Lippen sowie eine von Zigarrenrauch und Whiskey aus der Pulle geschwängerte Rebeisenlache haben, die sie zu jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit erschallen lassen. Das Kriegsspiel im Urwald, das sorglose Wegballern unbekannter Gegner und in die Luft sprengen trauriger Wellblech- und Holzhütten ist solch eine Riesengaudi für die beiden, dass man sich fast fragen muss, warum sie überhaupt Geld dafür nehmen. Die Freude, die Watson an den Tag legt, als er die eingetroffene Waffenlieferung begutachtet, erinnert an ein Kleinkind beim Auspacken der Weihnachtsgeschenke, und dass er diese Ausrüstung dazu nutzen wird, Menschenleben auszulöschen, scheint ihm zu keiner Sekunde in den Sinn zu kommen. Wenn sich HIGH VELOCITY auch über weite Strecken also abspielt wie ein Abenteuerfilm aus einer heute weit zurückliegenden Zeit, als Männer noch echte Kerle sein durften und Amerikanern traditionell die ehrenwerte Aufgabe zukam, rund um den Globus die Kartoffeln aus dem Feuer zu holen und halbzivilisierten Nationen eine helfende Hand beim Aufbau ihrer niedlichen Staaten zu reichen, so muss man doch dankend anerkennen, dass er der Versuchung widersteht, seine weibliche Hauptdarstellerin entsprechend auszubeuten. Die schmollmündige Schwedin Britt Ekland war wahrscheinlich maximal zwei Tage am Set und bekommt als Gattin des Entführten nur wenig mehr zu tun, als adrett auszusehen. Ihr wichtigster Part ist der des Lockvogels für Baumgartner, der den Auftrag erst nicht will, dann aber einlenkt und sein schmierigstes Lüstlingsgrinsen aufsetzt, als er sie kennenlernt: Dass es – zum Glück! – nicht zur in diesem Moment eigentlich unwiderrufbar angebahnten Liebesgeschichte inklusive Sexszene kommt, ist aber wohl weniger Kramers gutem Geschmack zuzuschreiben als Symptom mangelnder Entscheidungsfreude, die sich als einziger roter Faden durch den Film zieht.
Während HIGH VELOCITY technisch durchaus als überdurchschnittlich bezeichnet werden muss – hinter der Kamera stand mit Robert Paynter der langjährige Kameramann von Michael Winner, der wenig später u. a. an SUPERMAN II und SUPERMAN III mitarbeitete und die Landis-Filme AMERICAN WEREWOLF, INTO THE NIGHT und SPIES LIKE US fotografierte, der Soundtrack stammt von Jerry Goldsmith und für den Schnitt zeichnete mit David Bretherton (u. a. CABARET, WESTWORLD oder COMA) ebenfalls ein Vollprofi verantwortlich -, geht in der Inszenierung einiges daneben. Das beginnt bei der schon erwähnten Zeichnung der Charaktere, setzt sich im Schneckentempo des „Showdowns“ fort, bei dem die größten Banalitäten, wie etwa das Anbringen von Sprengstoff mithilfe von Gaffatape, mit aufreizender Geduld in die Länge gezogen werden und nahezu jede Einstellung ein bis zwei Sekunden zu lang gehalten wird, und endet dann bei rätselhaften Entscheidungen wie jener, den Entführten in einem Verschlag einsperren zu lassen, der nicht nur keine Rückwand hat, sondern auch keine verschließbare Tür. Zwar hielt ich es für durchaus nachvollziehbar, dass der gut situierte ältere Herr Andersen gar keine Lust hat, auf eigene Faust durch den nächtlichen Regenwald zu fliehen, aber dass mit keiner Silbe darauf Bezug genommen wird, dass sein „Gefängnis“ eigentlich gar keines ist, ist dann doch eher rätselhaft. Die sich an seine Nacht im Hühnerstall anschließende Demütigung – er soll sich von seiner nach Hühnerscheiße stinkenden Bekleidung befreien und wird zum Ausziehen gezwungen – spielt Kramer als Gag aus, was dank des wunderbaren Keenan Wynn zwar gelingt, den Film aber noch weiter Richtung Komödie rückt. Ob Kramer den Zuschauer mit solchen Strategien in Sicherheit wiegen wollte, um ihn dann am Ende umso härter zu treffen? Ich glaube nicht, denn dazu bleibt zu vieles zu unausgereift und auch der Nackenschlag zum Finale wirkt eher gewollt. Die existenzialistische Trostlosigkeit, die er anschlägt, ist für Kramer kaum mehr als ein Zitat, letztlich eher seinem verqueren Sinn für Romantik als einer desillusionierten Weltsicht geschuldet, und durch die Handlung kaum ausreichend motiviert.
Schade, denn zu gern hätte ich hier vermeldet, dass HIGH VELOCITY bzw. BLUTHUNDE VOM TEUFEL ZERRISSEN, wie er hierzulande hieß, ein vergessener Klassiker des Söldnerfilms ist. Das ist er nicht, wohl aber – gerade auch wegen seiner Mängel – interessant genug für eine Sichtung. Wer weiß, mit modifizierter Erwartungshaltung – ich hatte deutliche reißerischeren Stoff erwartet – fällt das Urteil am Ende vielleicht auch besser aus. So bleibt also ein ungewöhnlich sorgfältig produzierter Reißer mit Spitzenbesetzung, aber erheblichen erzählerischen Defiziten – und viel zu wenig Tempo.