Mit ‘Söldnerfilm’ getaggte Beiträge

Ein seltsamer Film, der Fragen aufwirft, das ahnt man schon bei den mit dissonantem Pfeifen unterlegten Aufnahmen psychedelischer Farbspiele, die die Credits illustrieren. Allen voran: Wer ist dieser Remi Kramer und warum konnte bzw. durfte er diesen Film drehen? Es blieb seine einzige Regiearbeit (auch das Drehbuch stammte von ihm), als einziges weiteres Engagement listet die IMDb die Tätigkeit als „Miscellaneous Crew“ bei der 1968 -1969 ausgestrahlten DORIS DAY SHOW. Warum schickte man ihn auf die Philippinen, um dort einen wenn auch nicht gerade höchste künstlerische Weihen erfordernden, aber dennoch gewiss nicht ganz unkomplizierten Söldnerfilm zu drehen? Eine Frage, die leider bis auf Weiteres unbeantwortet bleiben muss, denn es gibt keinerlei Informationen zu seiner Person oder diesem Projekt. Auch der Blick auf die Riege der Produzenten hilft nicht wirklich weiter: Takafumi Obayashi zog sich nach dieser ersten Erfahrung gleich wieder aus dem Filmgeschäft zurück, Co-Autor Michael Parsons beendete ebenfalls danach seine Karriere. Lediglich Joseph Wolf blieb dem Business erhalten und finanzierte später deutlich erfolgreichere Projekte wie etwa Mark L. Lesters ROLLER BOOGIE (OK, der ist auch nicht so prall), FADE TO BLACK, HALLOWEEN 2,  HALLOWEEN 3 und A NIGHTMARE ON ELM STREET. Die Philippinen waren kurz zuvor von Roger Corman als preisgünstiger Drehort mit funktionierender Infrastruktur und kompetenten Filmcrews erschlossen worden und wurden von da an regelmäßig für zünftige Söldner- oder WiP-Filme aufgesucht, aber HIGH VELOCITY passt in das Schema von unter markigen Titeln eifrig rausgehauenen Hobeln fürs örtliche Bahnhofskino nicht recht rein. Der Film erinnert in seiner dem Titel krass widersprechenden Langsamkeit und dem bitteren Ende eher an solche Slow Burner wie John Flynns ROLLING THUNDER (ohne dessen Klasse freilich auch nur annähernd zu erreichen), aber er bemüht über weite Strecken einen völlig konträr laufenden Tonfall, bei dem ich bezweifle, dass er allein auf dem Mist der deutschen Synchro gewachsen ist.

Es geht um die Entführung des wohlhabenden britischen Geschäftsmanns Andersen durch eine Gruppe von Widerstandskämpfern: Der schmierige Anwalt (Alejandro Rey) des Entführten engagiert den zunächst unwilligen Söldner Clifford Baumgartner (Ben Gazzara), der wiederum seinen Kumpel Watson (Paul Winfield) an Bord holt. Eigentlich sind ihnen die Auftraggeber – miese Imperialisten und Kapitalisten – zuwider, aber wer wird denn angesichts von 100.000 Dollars schon Nein sagen? Und so geht es auf zum Lager der ärmlich ausgestatteten Freiheitskämpfer …

Zwei Herzen schlagen, ach, in der Brust von HIGH VELOCITY: Auf der einen Seite ist er ein düsterer, sich auf die Seite der Geknechteten schlagender Thriller mit zwei Helden, die sich wissentlich den bösen Mächten andienen und am Ende wie so oft die Gelackmeierten sind, auf der anderen Seite zeichnet er die beiden ganz im Stile unbedarfter Männerfilme als kumpelige Himmelhunde, die immer einen Spruch auf den Lippen sowie eine von Zigarrenrauch und Whiskey aus der Pulle geschwängerte Rebeisenlache haben, die sie zu jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit erschallen lassen. Das Kriegsspiel im Urwald, das sorglose Wegballern unbekannter Gegner und in die Luft sprengen trauriger Wellblech- und Holzhütten ist solch eine Riesengaudi für die beiden, dass man sich fast fragen muss, warum sie überhaupt Geld dafür nehmen. Die Freude, die Watson an den Tag legt, als er die eingetroffene Waffenlieferung begutachtet, erinnert an ein Kleinkind beim Auspacken der Weihnachtsgeschenke, und dass er diese Ausrüstung dazu nutzen wird, Menschenleben auszulöschen, scheint ihm zu keiner Sekunde in den Sinn zu kommen. Wenn sich HIGH VELOCITY auch über weite Strecken also abspielt wie ein Abenteuerfilm aus einer heute weit zurückliegenden Zeit, als Männer noch echte Kerle sein durften und Amerikanern traditionell die ehrenwerte Aufgabe zukam, rund um den Globus die Kartoffeln aus dem Feuer zu holen und halbzivilisierten Nationen eine helfende Hand beim Aufbau ihrer niedlichen Staaten zu reichen, so muss man doch dankend anerkennen, dass er der Versuchung widersteht, seine weibliche Hauptdarstellerin entsprechend auszubeuten. Die schmollmündige Schwedin Britt Ekland war wahrscheinlich maximal zwei Tage am Set und bekommt als Gattin des Entführten nur wenig mehr zu tun, als adrett auszusehen. Ihr wichtigster Part ist der des Lockvogels für Baumgartner, der den Auftrag erst nicht will, dann aber einlenkt und sein schmierigstes Lüstlingsgrinsen aufsetzt, als er sie kennenlernt: Dass es – zum Glück! – nicht zur in diesem Moment eigentlich unwiderrufbar angebahnten Liebesgeschichte inklusive Sexszene kommt, ist aber wohl weniger Kramers gutem Geschmack zuzuschreiben als Symptom mangelnder Entscheidungsfreude, die sich als einziger roter Faden durch den Film zieht.

Während HIGH VELOCITY technisch durchaus als überdurchschnittlich bezeichnet werden muss – hinter der Kamera stand mit Robert Paynter der langjährige Kameramann von Michael Winner, der wenig später u. a. an SUPERMAN II und SUPERMAN III mitarbeitete und die Landis-Filme AMERICAN WEREWOLF, INTO THE NIGHT und SPIES LIKE US fotografierte, der Soundtrack stammt von Jerry Goldsmith und für den Schnitt zeichnete mit David Bretherton (u. a. CABARET, WESTWORLD oder COMA) ebenfalls ein Vollprofi verantwortlich -, geht in der Inszenierung einiges daneben. Das beginnt bei der schon erwähnten Zeichnung der Charaktere, setzt sich im Schneckentempo des „Showdowns“ fort, bei dem die größten Banalitäten, wie etwa das Anbringen von Sprengstoff mithilfe von Gaffatape, mit aufreizender Geduld in die Länge gezogen werden und nahezu jede Einstellung ein bis zwei Sekunden zu lang gehalten wird, und endet dann bei rätselhaften Entscheidungen wie jener, den Entführten in einem Verschlag einsperren zu lassen, der nicht nur keine Rückwand hat, sondern auch keine verschließbare Tür. Zwar hielt ich es für durchaus nachvollziehbar, dass der gut situierte ältere Herr Andersen gar keine Lust hat, auf eigene Faust durch den nächtlichen Regenwald zu fliehen, aber dass mit keiner Silbe darauf Bezug genommen wird, dass sein „Gefängnis“ eigentlich gar keines ist, ist dann doch eher rätselhaft. Die sich an seine Nacht im Hühnerstall anschließende Demütigung – er soll sich von seiner nach Hühnerscheiße stinkenden Bekleidung befreien und wird zum Ausziehen gezwungen – spielt Kramer als Gag aus, was dank des wunderbaren Keenan Wynn zwar gelingt, den Film aber noch weiter Richtung Komödie rückt. Ob Kramer den Zuschauer mit solchen Strategien in Sicherheit wiegen wollte, um ihn dann am Ende umso härter zu treffen? Ich glaube nicht, denn dazu bleibt zu vieles zu unausgereift und auch der Nackenschlag zum Finale wirkt eher gewollt. Die existenzialistische Trostlosigkeit, die er anschlägt, ist für Kramer kaum mehr als ein Zitat, letztlich eher seinem verqueren Sinn für Romantik als einer desillusionierten Weltsicht geschuldet, und durch die Handlung kaum ausreichend motiviert.

Schade, denn zu gern hätte ich hier vermeldet, dass HIGH VELOCITY bzw. BLUTHUNDE VOM TEUFEL ZERRISSEN, wie er hierzulande hieß, ein vergessener Klassiker des Söldnerfilms ist. Das ist er nicht, wohl aber – gerade auch wegen seiner Mängel – interessant genug für eine Sichtung. Wer weiß, mit modifizierter Erwartungshaltung – ich hatte deutliche reißerischeren Stoff erwartet – fällt das Urteil am Ende vielleicht auch besser aus. So bleibt also ein ungewöhnlich sorgfältig produzierter Reißer mit Spitzenbesetzung, aber erheblichen erzählerischen Defiziten – und viel zu wenig Tempo.

In einem „Söldner Stories“ genannten, auf der neuen Blu-Ray enthaltenen Interview, erzählen Darsteller Manfred Lehmann, Drehbuchautor Arne Elsholtz und Co-Produzent und Kameramann Peter Baumgartner aus dem Nähkästchen: Alle drei waren sie Mitte der Achtzigerjahre maßgeblich an der Welle deutsch-italienischer Söldnerfilme beteiligt, die unter der Ägide von Erwin C. Dietrich und der Regie von Antonio Margheriti entstanden: KOMMANDO LEOPARD, DIE RÜCKKEHR DER WILDGÄNSE, DER COMMANDER und eben GEHEIMCODE WILDGÄNSE. Nach zahlreichen Erinnerungen und Anekdötchen, etwa über Kinksi’sche Ausraster, Lewis Collins‘ Bauch-weg-Korsett, Lee van Cleefs Alkoholismus und Ernest Borgnines Schwerhörigkeit, kommen die deutlich gealterten Herren zu dem durchaus zufriedenen Schluss, dass es eine gute Zeit war, damals, und die Filme trotz ihres provokanten, militaristischen Sujets vor allem von einer Unschuld, für die es einen heute immer weniger geläufigen Namen gibt: Kintopp.

In kühnen Momenten wie diesem bin ich felsenfest davon überzeugt, dass der Söldnerfilm – und die vier Dietrich-Margheritis der Achtzigerjahre  – der Zenith der Filmkunst sind. Allein das Filmposter übt mit seiner farbenprächtigen Collage aus Flammen, Hubschraubern, bis an die Zähne bewaffneten, grimmigen Männern in Tarnfleck und dem in großen Lettern Autorität ausstrahlenden Titelschriftzug einen unwiderstehlichen Reiz auf mich aus, den ich vom Film kaum trennen kann. Als kleiner Junge, der diese Filme zu ihrer Zeit lediglich als mannshohe Filmplakate an innerstädtischen Litfasssäulen wahrnahm, musste ich von ihrem Anblick verzaubert und verführt werden. Fast scheint es so, als sei es ihrem Gestalter gelungen, sich mit einer bestimmten Farb- und Motivkombination wie mit einer PIN-Nummer direkten Zugang zu meinem Jungenherz zu verschaffen. Wahrscheinlich ging es anderen ähnlich wie mir. Dass gleichzeitig immer etwas Verbotenes mitschwang, machte sie nur noch unwiderstehlicher. Ein Titel wie KOMMANDO LEOPARD strotzt nur so vor unverhohlenem chauvinistischem Militarismus, auch wenn ich das damals nicht hätte benennen können. (Noch heute erscheint es mir höchst seltsam, dass militärische Operationen mit Codenamen versehen werden, die klingen, als seien sie von einem Groschenroman-Autor ersonnen worden. „Operation Desert Storm“: Da wird das ebenso bittere wie banale Töten und Sterben von Soldaten zum geilen Actionkracher stilisiert.) Die Filme machen ja kaum einen Hehl daraus, dass ihre Helden Mörder sind, seelisch zerstört, und ihre Auftraggeber eiskalt kalkulierende Machtmenschen, die sich Menschenleben mit harten Dollars erkaufen und aus der Sicherheit ihres Kalbsleder-Bürostuhls den Vollzug erwarten. Trotzdem erscheint dieses Leben mit all seinen Entbehrungen für die Dauer von 90, 100 Minuten als erstrebenswert, als die Realisierung all dessen, was man sich von seinem eigenen Dasein verspricht: Freund- und Kameradschaften bestehen auch im schlimmsten Kugelhagel, das eigene Handeln zeitigt unmittelbare Ergebnisse, alle Gefühle sind hundertfach verstärkt. Und wenn man sich den Respekt selbst des härtesten Hundes erarbeitet hat, dann trägt man das weinrote Barrett auch noch im moskitoverseuchtesten Sumpfloch mit dem Stilbewusstsein und Stolz eines Feldherren. Die Söldnerfilme Margheritis sind pure Ambivalenz. Darin steckt ihre Wahrheit.

Dass sie dem von ihrem Motiven angestoßenen Kopfkino ein kleines Bisschen hinterherhinkten, spielt dagegen kaum eine Rolle. Gegen wen die Söldner da genau kämpfen, wer der Feind ist, welche Zwecke verfolgt werden, ist für den Zuschauer ebenso austauschbar wie für die Söldner selbst. Die Filme spulen wie ihre Protagonisten lediglich ein Programm runter – höchst professionell zwar, aber ohne jedes persönliches Investment. Es ist wohl auch diese technokratische Effizienz, die sie zu dem macht, was sie – für mich – sind. Mehr als die großen Hollywood-Namen – quer durch die Serie Donald Pleasence, Ernest Borgnine und Lee van Cleef – oder den nominellen Protagonisten Collins sind es die „Handwerker“ Manfred Lehmann, Thomas Danneberg oder Frank Glaubrecht, die ihr Herz und ihre Seele bilden. Lehmann gibt den die eigene Todgeweihtheit stets mit einem höhnischen Grinsen quittierenden Irren, der all guns blazing in die Hölle marschiert, Danneberg demgegenüber den melancholischen Träumer, dessen Augen immer diesen unerreichbaren Punkt hinter dem Horizont zu fixieren scheinen. Glaubrecht verfügt über eine weniger greifbare Persona, leiht seine Züge einer Figur, die damit paradigmatisch für den anonymen Söldnertypus steht: Verlorene, Gescheiterte, nach Absolution Suchende allesamt. Dieses auch etwas masochistische Leiden, das Gefühl der Leere, der Versuch, mit Waffengewalt den Sinn aus dem Sein zu schälen, ist allgegenwärtig. In GEHEIMCODE WILDGÄNSE gibt es neben den Söldnern – die natürlich mal wieder einem höchst eigennützigen Auftraggeber auf den Leim gehen – auch noch eine kanadische Reporterin, die in Gefangenschaft zur Heroinabhängigen wurde. Die Szene, in der ihr der europäische Priester (Luciano Pigozzi), der sich in einer verfallenen Kirche im Urwald um die Opfer des Regimes der Drogenkartelle kümmert, eine Schmerzmittelspritze anvertraut, um damit einem ihrer verwundeten Retter zu helfen, spricht Bände über die frappierende Einfachheit, die diese Filme so schön macht: Woher er wissen wolle, dass sie die Spritze nicht für sich verwende, fragt sie den Priester. Weil er daran glaube, dass sie ihr eigenes vorübergehendes Glück nicht über das existenzielle Bedürfnis ihres Retters stellen werde. So einfach ist das. Der Priester stirbt am Ende am Kreuz, ohne die ihm doch völlig fremden Männer, die das Unglück überhaupt erst in seine Kirche brachten, verraten zu haben. Auch Wesley (Lewis Collins) hat seine eigene Geschichte, verrichtet seinen Dienst ausgerechnet für den Mann, der seinen Sohn auf dem Gewissen hat. Ändert die finale Rache etwas am Lauf der Dinge? Während die Kamera die in der Abendsonne schillernde Kulisse Hongkongs einfängt und bemüht ist, ob dieser Schönheit nicht zu zerfließen, schieben sich die Synthieklänge von Eloy über die Bilder. Pulsierende Beats, pathetische Keyboardfanfaren, Schönheit und Tod sind manchmal ein und dasselbe.

 

THE EXPENDABLES hat mich vor etwas mehr als zwei Jahren wahnsinnig glücklich gemacht: Ein richtig guter Film war er trotzdem nicht. Die Freude darüber, die alten Recken nach teilweise entbehrungsreichen Jahren in einem großen Actionfilm vereint zu sehen, überdeckte die milde Enttäuschung darüber, dass Slys Film kein großes „Fuck You!“ an die modernen Sitten und Gebräuche des Actionkinos darstellte, sondern weitestgehend dessen fragwürdigen ästhetischen Rahmenbedingungen verpflichtet war. Dass THE EXPENDABLES verglichen mit anderen Großproduktionen dennoch beinahe bescheiden rüberkam – was Viele ihm ankreideten –, er nicht versuchte, das Rad neu zu erfinden oder Michael Bay und Konsorten in Sachen Megalomanie zu überbieten, fand ich sehr angenehm. Es passte zur Altersmüdigkeit seiner Darsteller, zu ihrem Wissen, dass der eigene Mythos längst gesichert ist. Niemand von ihnen musste irgendwem noch irgendwas beweisen. Bei THE EXPENDABLES 2 ist die Unschuld weitestgehend verloren: Die Freude über das Wiedersehen, das schöne Gefühl, den alten Helden bei ihrer verdienten Ehrenrunde zujubeln zu dürfen, weicht hier dem Eindruck, dass das alte Eisen den angekündigten Ruhestand gern noch ein paar Jahre nach hinten verschiebt, wenn die große Kasse winkt. THE EXPENDABLES war ein Geschenk, THE EXPENDABLES 2 ist im Grunde Business as usual. THE EXPENDABLES war Black Sabbath einmalig wiedervereint mit Ozzy, THE EXPENDABLES 2 ist die xte Tournee der greisenhaften Rolling Stones. Der Film schmälert schon durch seine bloße Existenz rückwirkend den Liebesdienst, den Sly seinen Fans mit Teil 1 erwiesen hat. Und er wirft teilweise sogar die Frage auf, ob er wirklich verstanden hat, was einen guten Actionfilm auszeichnet, was Fans am Genre und seinen Protagonisten lieben und was am ersten Teil gelungen war.

THE EXPENDABLES handelte seine Action-Set-Pieces fast pflichtschuldig ab, war dafür immer ganz bei sich, wenn er seinen wettergegerbten Helden dabei zusah, wie sie sie selbst waren. Mehr als irgendwelche Stunts oder Effekte sind es die kleinen Momente, die sich bei mir eingebrannt haben: Stallone und Rourke im nachdenklichen Zwiegespräch, die Sorge Jet Lis um sein finanzielles Auskommen, Dolph Lundgrens fall from grace und seine finale Wiederaufnahme im Kreis der Kameraden. Dass ich hier die Namen der Darsteller verwende und nicht die ihrer Rollen, ist zwar meiner Faulheit zuzuschreiben, bei IMDb nachzuschauen, macht aber dennoch Sinn: THE EXPENDABLES bediente den Wunschtraum eines jeden Fans, dass seine Helden (oder etwa die Mitglieder der Lieblingsband) auch privat die dicksten Kumpels sind, in ihrer Freizeit miteiander rumhängen und in Erinnerungen schwelgen, Anekdoten austauschen, sich necken und aufziehen, aber immer für einander da sind. Außergewöhnlich an diesem Film war nicht die Allstar-Besetzung, sondern seine fast unverschämte Relaxtheit. Der generische Plot um Eric Roberts und seine Bananenrepublik hat beim Ehemaligentreffen fast gestört.

Nun also THE EXPENDABLES 2: Die Vermarktungslogik ließ vermuten, dass gegenüber dem Vorgänger vor allem quantitativ zugelegt wird. Und so ist es dann auch: Die Cameos von Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger wurden zu Nebenrollen ausgebaut, Chuck Norris darf einen Gastauftritt absolvieren, Jean Claude Van Damme den Schurken spielen, die Rolle des obersten Henchman, die im Vorgänger Steve Austin zufiel, übernimmt nun Scott Adkins. (Zu meinem Bedauern wurde Gary Daniels nicht adäquat ersetzt. Dabei hätten sich Lorenzo Lamas, Billy Blanks, Roddy Piper, Sasha Mitchell oder Jeff Speakman sicherlich über einen Anruf gefreut und wären wahrscheinlich zu Fuß zum Drehort gelaufen. Na gut, Billy Blanks vielleicht nicht, der dürfte als Tae-Bo-Guru mehr Geld gescheffelt haben als mit allen seinen Filmen zusammen.) Diese personelle Auftstockung wird aber bei genauem Blick schon dadurch relativiert, dass Jet Li bereits nach gut 20 Minuten aus dem Film verschwindet. Ein Fehler, weil es auch sein Rapport mit Dolph Lundgren war, der dem Vorgänger Herz und Seele verlieh. Und Lundgren, der eigentliche Star und emotionale Kern von THE EXPENDABLES, wird hier als hohler Comic Relief verheizt. Randy Couture und Terry Crews waren schon im ersten Teil nur Randfiguren und werden noch mehr marginalisiert. Die Szenen, die das Team bei den gemeinsamen Plauderstündchen zeigen, vermisst man schmerzlich. Gerade, weil sie auch hier wieder genau jene Momente markieren, in denen der Film die Seele offenbart, an der es ihm sonst an allen Ecken und Enden mangelt. Die Actionszenen wurden ausgebaut, sie sind länger, blutiger und auch spektakulärer, zudem – eine der wenigen echten Verbesserungen gegenüber dem ersten Teil – deutlich übersichtlicher und kohärenter inszeniert, aber sie füllen nicht die Lücke, die da sonst klafft.

Wie auch THE EXPENDABLES wird auch sein Sequel voreilig als Eighties-Revival-Action, als Dienst am Fan des guten alten Actionkinos der Achtziger bezeichnet. Das traf schon auf Teil 1 nur bedingt zu (stilistisch hatte er mit den Actionfilmen der Achtziger rein gar nichts zu tun), hier geht es vollkommen an der Sache vorbei. THE EXPENDABLES 2 ist genauso am Reißbrett entworfenes Produkt wie so viele Filme, die man sonst mit dem Arsch nicht anschauen würde. Die Ausnahme ist, dass hier Leute mitspielen, von denen man dachte, dass sie es besser wüssten. Das große Ärgernis des Films ist seine unerträgliche Selbstreferenzialität, mit der er sich eben gerade nicht an die Cracks wendet, an Menschen, die das Werk Stallones, Schwarzeneggers, Norris‘, Lundgrens oder Van Dammes in- und auswendig kennen, es studiert haben und innig lieben. Die hohlen Zitate, die da vor allem Schwarzenegger in einem fort in den Mund gelegt werden, sind genau jene Zeilen, die zu bejubeln man die Quelle gar nicht mehr kennen muss, weil sie längst in den Fundus der Popkultur eingegangen sind. Wie einfallslos und ahnungslos muss man sein, wenn man ein von Arnie geäußertes „I’ll be back“ als Pointe in einer Multimillionen-Dollar-Produktion verkauft, die sich als Oldschool-Action versteht? Wenn man ihn Bruce Willis ein „Yippiekayay“ entgegnen lässt? Das hat nichts mit Ehrerbietung oder Metahumor zu tun (und mit Insiderwitz noch viel weniger), das ist einfach nur miserables Handwerk. Ein Armutszeugnis, ehrlich gesagt. Chuck Norris‘ Auftritt wäre eine schöne Sache gewesen, wenn man sich wenigstens ein bisschen Mühe gegeben hätte, ihn halbwegs sinnvoll in die Handlung zu integrieren. So latscht er in den Film rein, weil er auch noch mitmachen muss und verwandelt ihn in eine härtere Variante von HOT SHOTS. Es hätte nur noch der Schwenk auf das mitfilmende Kamerateam gefehlt, die Entfremdung wäre dadurch kaum stärker ausgefallen.

Solcherlei Stückwerk, die unkreative, ohne Sinn für eine übergeordnete Dramaturgie erfolgte Aneinanderreihung zotiger Gimmicks zerstört dann auch den Effekt, den die gelungeneren Szenen ohne jeden Zweifel hätten haben können. Jean Claude Van Damme hat eine traurig unterentwickelte Schurkenrolle abbekommen, aber er reißt den Film in jeder seiner Szenen an sich. Er muss dafür nicht mehr tun, als anwesend zu sein und sein in den letzten zehn Jahren ausgeprägtes Eisgesicht hinter einer coolen Sonnenbrille zu verbergen. Er sieht aus wie die Muse eines Avantgarde-Künstlers, wie die Gestalt aus einem Kraftwerk-Video: unantastbar, kantig, androgyn, geil. Dem Affentheater, zu dem der Film in den letzten 20 Minuten verkommt, setzt er Arroganz, Selbstbewusstsein und Kaltschnäuzgkeit entgegen. Auch Scott Adkins nutzt seine Mini-Chance und bekommt die Gelegenheit, seinen bewährten Yuri-Boyka-Akzent in einer Hollywood-Produktion unterzubringen (vielleicht der einzig echte In-Joke des Films, schon deshalb, weil er kaum jemandem aufgefallen ist – so ähnlich wie Gary Daniels im Vorgänger). Nur Stallone kann da mithalten. Sein kurzatmig ausgestoßenes „Track him, find him, kill him!“ ist einer der raren Gänsehautmomente des Films. THE EXPENDABES 2 sollte eigentlich voll von solchen Momenten sein, aber die Prioritäten lagen leider woanders.

Der Text ist jetzt etwas schärfer geworden, als ich das vorhatte. Es ist mir tatsächlich genetisch unmöglich, THE EXPENDABLES 2 nicht doch irgendwie zu mögen, aber die Erkenntnis, dass die unantastbaren Helden nicht nur nicht unfehlbar sind, sondern auch noch unter massiven Geschmacksverwirrungen leiden, ist ziemlich schmerzhaft. Ich wollte einen anderen THE EXPENDABLES 2 als diesen. Einen, der ohne dämlichen Humor auskommt, einen, der seine Recken nicht insgeheim zu Clowns degradiert. Einen der mir nicht ständig – wink-wink, nudge-nudge – zuzwinkert und sich mit mir verbrüdern will, indem er mir Witze erzählt, die ich schon kenne. Einen mit Herz und Seele und nicht nach zielgruppenorientierter Marktanalyse zurechtoptimierten Eventklumpen. Ich muss mich wohl damit abfinden, dass ich damit einer Minderheit angehöre. Und ich bin durchaus kompromissbereit. Das Problem an THE EXPENDABLES 2 ist nicht in erster Linie, dass er etwas macht, was ich nicht wollte. Sondern dass er das, was er macht, schlecht macht.

Eine Gruppe von Models – unter ihnen auch der Produzent Larry (Marjoe Gortner) und die Fotografin Joanna (Nina Van Pallandt) – wird auf dem Weg zu einem Fotoshooting über dem Amazonas von der Armee des Drogenbarons Cesar Santiago (Paul L. Smith) abgeschossen und schließlich in dessen Kerker geworfen. Als sich der Gangsterboss Vito Mastranga (John Vernon), der mit Santiago ins Geschäft kommen will, mit seinem Gefolge einfindet, gelingt den Frauen die Flucht. Ein wilder Kampf entbrennt …

Filme wie dieser treiben mir regelmäßig die Tränen in die Augen: Was waren das für goldene Zeiten, als so etwas noch produziert wurd? In Deutschland! Und dann auch noch im Kino lief! Aufwändiges, buntes, bescheuertes, aber eben auch durchweg knalliges Exploitationkino mit einer Besetzung, die jedem Filmfreund das Klappmesser in der Hose aufgehen lässt. Feiste Action, ohne Anspruch auf Relevanz, aber mit der heiligen Motivation gedreht, den Zuschauern 90 Minuten lang Feuer unter dem Arsch zu machen. Filme, in denen wirklich ein Flugzeug über den Amazonas fliegt, wenn ein Flugzeug über den Amazonas fliegen soll. Filme, in denen wirlich ein Haus in die Luft gejagt wird, wenn ein Haus in die Luft fliegen soll. Filme, in denen einem Mann Holzpflöcke am Körper festgeklebt werden, wenn er von solchen durchbohrt worden sein soll. Filme, in denen ein Pappkopf durchs Bild rollt, wenn jemand enthauptet wurde. Filme, in denen alles das, was man sieht, tatsächlich vor der Kamera umgesetzt und nicht nachträglich per Rechner reingemogelt wurde. Filme, die ihr Herz gewissermaßen am Revers tragen, bei denen man zu jeder Zeit weiß, woran man ist, was man erwarten kann und das dann auch bekommt. Filme, in denen Models Models sind, Drogendealer Drogendealer, und Söldner eben Söldner. Filme, die damit enden, dass die Guten überleben und die Bösen für ihre Untaten ins Gras beißen, und denen das genug ist.

EUER WEG FÜHRT DURCH DIE HÖLLE passt nur bedingt ins WiP-Subgenre, die Kerkereinlagen sind nur kurz, aber im Geiste schließt er an CHAINED HEAT und RED HEAT: UNSCHULDIG HINTER GITTERN perfekt an. Alle drei Filme aus einer Zeit, die ich schmerzhaft vermisse, als Exploitation und Pulp wie dieser sich nicht nur eine genau abgesteckte „Zielgruppe“ von Nerds, sondern an alle Kinogänger richteten und von diesen genauso wenig in eine voretikettierte Schublade gesteckt wurden. Als Filmemacher noch keinen Hehl daraus machten, dass es ihnen nicht um diesen oder jenen moralisch hehren Zweck ging, sondern darum, Geld zu verdienen, aber dann trotzdem kompromisslosere Filme ablieferten als diese rückgratlosen Windeier heute. EUER WEG FÜHRT DURCH DIE HÖLLE ist die volle Breitseite und lebendige Nostalgie für Menschen, die sich noch an jene Tage erinnern, als Filmplakate von GEHEIMCODE WILDGÄNSE die Litfasssäulen zierten. Hier stimmt alles. Sogar der scheußliche Titelsong, dessen kehlkopfkrebskranke Sängerin die Fistelstimme vom damaligen Popsternchen Stefanie von Monaco wie das Organ von Anna Netrebko klingen lässt. Und jetzt: Lasset uns beten.

Ich hatte ja anlässlich meines Kinobesuchs schon im vergangenen Jahr einen Text zu THE EXPENDABLES verfasst, (fast) pünktlich zur DVD-Veröffentlichung gibt es nun auf F.LM – Texte zum Film eine echte Rezension von mir. So viel vorab: Der Film gefällt mir immer noch, einige Kritikpunkte konnten sogar noch etwas revidiert werden.

Die Söldnertruppe „The Expendables“ um Barney Ross (Sylvester Stallone) erhält den Auftrag, die kleine im Golf von Mexiko gelegene Insel Vilena, die sich nach der Übernahme durch den amerikanischen Ex-CIA-Mann Munroe (Eric Roberts) in eine Militärdiktatur verwandelt hat, von ihren Unterdrückern zu befreien. Beim ersten Erkundungsgang, den Ross zusammen mit seinem Partner Lee Christmas (Jason Statham) unternimmt, kommt es zu einer ungeplanten Auseinandersetzung, mit dem Ergebnis, dass die Kontaktperson der „Expendables“, die Tochter von General Garza (David Zayas), in Gefangenschaft gerät und fortan um ihr Leben fürchten muss. Ross beschließt mit seinen Männern, die Mission wider besseres Wissen durchzuführen, um die Frau zu retten …

Ich hatte Angst vor diesem Film. Was vor zwei Jahren, als die ersten Gerüchte über die Besetzung dieses Films kursierten und klar wurde, dass Stallone tatsächlich vorhatte, dem Actionfilm der Achtzigerjahre ein Denkmal zu setzen, indem er alle seiner Protagonisten verpflichten oder gar reaktivieren wollte (zuerst sollte sogar Chuck Norris mitmachen), noch wie eine unerreichbare Utopie klang, war plötzlich und mit nur ein paar kleineren Abstrichen – neben Chuck Norris fehlt auch Jean-Claude Van Damme – Wirklichkeit geworden. Und wahr gewordene Träume sind bekanntlich nicht selten eine Enttäuschung. Der Trailer, der gegenüber dem unfassbaren ersten RAMBO-Teaser um nahezu alle Härten bereinigt war, schien meine Befürchtungen zu bestätigen: Verschwunden waren rohe Gewalt, diese ätzende Bitterkeit und allumfassende Tristesse, stattdessen sah das alles sehr gelackt und eher nach Neunzigerjahre-Spaßaction aus. Und somit nach genau dem, was ich definitiv nicht haben wollte. Jetzt, nachdem ich den Film gesehen habe, bin ich froh, dass ich mich vom Trailer nicht habe abhalten lassen, mir THE EXPENDABLES im Kino anzusehen: Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal so rundum glücklich, ja, geradezu selig aus dem Kino gekommen bin. Mit diesem warmen Gefühl im Herzen, das man vielleicht verspürt, wenn man nach Jahren alte Freunde wiedergetroffen hat und es aller Befürchtungen zum Trotz tatsächlich wieder wie früher gewesen ist.

Dabei ist THE EXPENDABLES ganz bestimmt kein perfekter Film. Wollte man unbedingt den Vergleich zu Stallones letzten Werken ziehen, so würde er dabei wahrscheinlich schlechter abschneiden als diese: Ihm fehlen die ehrliche Melancholie von ROCKY BALBOA und die verzweifelte Wut von RAMBO und insofern ist der weiter oben einmal gefallene Begriff „Spaßaction“ gar nicht so verkehrt. Und die Action ist zwar ausufernd und brutal und  nimmt einen nicht unbeträchtlichen Teil der Spielzeit ein, wirkt aber trotzdem wie Beiwerk. THE EXPENDABLES ist trotz seiner exzessiven Gewaltdarstellungen beinahe unschuldig, er scheint nicht aus Schmerzen geboren, sondern mit souverän-lässiger Hand hingeworfen, er ist kein Film, der aus einem inneren Bedürfnis heraus gemacht werden musste, sondern einer, den Stallone einfach machen wollte und ihn dann förmlich im Schlaf gemacht hat: Sly ist hier spürbar zu Hause, er hat ein paar seiner alten Kumpels um sich versammelt, um sich selbst und den oft geschmähten Actionhelden die gebührende Ehre zu erweisen und natürlich um – und hier ist das ausnahmsweise mal keine hohle Phrase –  den Freunden des Genres „Dankeschön“ zu sagen. Was genau bedeutet das? THE EXPENDABLES ist trotz seiner Söldner-Protagonisten und obwohl es im Plot ziemlich umstandslos ums Töten geht, vor allem ein herzlicher Film: Mehr als die ausufernden Actionszenen bilden die Dialoge zwischen den Expendables und deren einzelne Charaktere sein Herz. Dolph Lundgren hat als der unfreiwillig auf die falsche Bahn geratene und zum Gegner übergelaufene Gunner eine wunderschöne Rolle – vielleicht die schönste des Films – abbekommen, die seine irgendwie immer etwas ausgemergelte, sehnige und geschundene Gestalt perfekt einsetzt. Und Mickey Rourke interpretiert den ehemaligen Expendable Tool, der sich nun ganz dem Tätowieren widmet, ganz entgegen dem alternden idiot savant in THE WRESTLER als weisen Schamanen, der sozusagen die Essenz des Films und seines Genres in Worte fasst: Der Actionheld muss dem Ruf seines Herzens folgen, um nicht innerlich zu sterben. Der hinsichtlich ihrer Allstar-Besetzung vielleicht spektakulärsten Szene des Films – jener, in der mit Stallone, Schwarzenegger und Willis die großen Drei des Actionfilms zusammentreffen – könnte man noch am ehesten den Vorwurf des nerdjerkings machen, aber auch sie wirkt nicht kühl kalkuliert, weil sie das einstige Konkurrenzverhältnis als auch die Bewunderung der drei Stars füreinander sinnvoll und geistreich in den Film integriert, ohne sich an ihrem bloßen Zusammentreffen zu berauschen. Die übergroßen blinkenden Gänsefüßchen des postmodernen Zitatekinos sucht man jedenfalls vergeblich, die Szene gliedert sich wunderbar in Rhythmus und Ton des Films ein, anstatt ihn zu zerreißen. Am herrlichsten ist aber das Ende, das alle Helden der Expendables wieder zusammenführt und klar macht, worum es hier geht: um Freundschaft, Gemeinsamkeit, Loyalität. Die eine Geste, die das m. E. besser verkörpert als der pathetischste Woo-Film, möchte ich hier nicht verraten. Ich habe gestrahlt in meinem Kinosessel und dieses Strahlen auch noch in die triste Welt vor dem Kino getragen. Am meisten gefreut habe ich mich aber über die Anwesenheit von Gary Daniels: Die wenigsten Zuschauer von THE EXPENDABLES werden ihn erkennen oder überhaupt wissen, wer das ist, aber er ist da. Sie sind alle noch da. Unersetzlich statt expendable.

EDIT, 16.02.2011: Auf F.LM – Texte zum Film gibt es mittlerweile auch eine DVD-Rezension.

Der Kernphysiker Markov (Curt Broberg), der eine Erfindung gemacht hat, die seinen eigenen Worten zufolge die Welt verändern wird, wird von den Russen festgehalten, die seine Erfindung natürlich in ihren Händen wissen wollen. Doch Markov traut den Roten nicht mehr, will deshalb überlaufen und seiner Tochter, der Nachtclubsängerin Nadia (Hanna Pola), das große Geheimnis anvertrauen. Agenten des CIA sollen Markov zu diesem Zweck aus Russland rausholen und zu ihr nach Schweden bringen. Doch der Plan geht schief: Die Russen greifen Markov auf der Flucht wieder auf, täuschen ihn jedoch über ihre wahre Identität und geben sich als wohlgesonnene Amerikaner aus. Auftritt Mason (Krzysztof Kolberger), ein Söldner und Ninja, der für den CIA arbeitet und die Aufgabe hat, Markov zu befreien. Ein hübsches Waffenarsenal soll ihm dabei helfen …

Eigentlich hatte ich einen handfesten Baddie erwartet, als ich mir diesen Film besorgt habe: Ein schwedischer Ninjafilm, das konnte ja eigentlich kaum was geben. Nach zweimaliger Sichtung muss ich nun mehr als verdutzt einräumen, dass ich THE NINJA MISSION nicht nur ziemlich knorke finde, sondern ihn sogar zu den besten Filmen des kurzlebigen, aber umfangreichen Ninjafilm-Subgenres zählen würde. (Interessenten lassen sich also bitte nicht von den miesen Bewertungen auf IMDb beirren, die Menschen haben einfach keine Ahnung.) Der Ninjafilm krankt ja generell an seinen meist nichtvorhandenen Budgets, die in Verbindung mit der Effektorientierung des Subgenres unfreiwillige Lacher provozieren, und einer derben Schlagseite Richtung Fantasyquatsch, die es zusätzlich erschwert, den gebotenen Hokuspokus als Erwachsener ernst zu nehmen. Mats Helge scheint das erkannt zu haben, umschifft geschickt beide Klippen, reduziert den Ninjafilm auf das Wesentliche und orientiert sich zudem an einem inszenatorischen Vorbild, das wahrlich nicht das schlechteste ist, wenn die Mittel beschränkt sind: John Carpenter. THE NINJA MISSION erinnert frappierend an dessen Meisterwerk ESCAPE FROM NEW YORK und damit an einen Film, bei dem es unter strenger Einhaltung der in Aristoteles‘ Dramentheorie geforderten Einheit von Raum, Zeit und Handlung gelungen war, eine immense Spannung aufzubauen, die nicht in erster Linie auf gewaltige Effektschlachten angewiesen war. Wie dieses Vorbild spielt auch THE NINJA MISSION fast ausschließlich bei Nacht, bringt Erzählzeit und erzählte Zeit fast überein, verfügt über einen dräuenden Synthiescore und erzeugt eine Atmosphäre, die vom Gefühl der herannahenden Apokalypse und dem unaufhaltsamen Verrinnen der Zeit geprägt ist, welche für die Achtzigerjahre so charakteristisch war. In Verbindung mit der konsequenten Entmystifizierung der Ninjafigur gelingt Helge so tatsächlich ein düsterer und ernster Ninjafilm: Mason und seine Ninjas sind keine magisch begabten Krieger, die sich von A nach B beamen können, sich in Rauch auflösen oder sonstige Zaubertricks beherrschen, sondern lediglich eine gut geschulte Eliteeinheit. Was sie zu Ninjas macht, welche Ausbildung sie genossen haben und woher sie kommen, das bleibt völlig offen. Der fernöstliche Exotismus, auf den der Ninjafilm sonst nur ungern verzichtet, erschöpft sich in diesem Film in der Creditsequenz, in der schwarze Ninjasilhouetten vor rotem Hintergrund zu asiatisch anmutenden Klängen choreografiert werden und die stimmungsmäßig kaum Bindung zum restlichen Film hat. Wer den Ninjafilm gerade wegen seiner Gimmicks liebt, wird von THE NINJA MISSION trotzdem nicht enttäuscht werden: In bester Bondmanier werden Mason und seine Männer nämlich mit hübschen Waffen ausgestattet, die zum großen Finale dann für einige Klappbewegungen der Kinnlade sorgen. Wenn die Helden mit Giftpatronen um sich schießen, die zu einer Explosion innerer Organe führen, dann bleibt kein Auge trocken, fliegt die blutrote Hirse meterweit. Ja, Helges Film ist ziemlich hart und es macht durchaus Sinn, ihn im Rahmen eines schwedischen Actionspecials zusammen mit WAR DOG zu konsumieren, weil beide von einer Tristesse und Düsternis geprägt sind, die beachtlich ist. All diese Elemente habe ich als untrügliche Stärken wahrgenommen, die die kleineren Verfehlungen des Films – warum ausgerechnet eine Nachtclubsängerin, die ihre letztklassige Laura-Brannigan-Kopie mit einem Netzhemd über dem blanken Busen absolviert, die geeignete Empfängerin für Geheimformeln von weltveränderndem Format sein soll, erschließt sich etwa nicht unmittelbar – weit überlagern. Wer sich über THE NINJA MISSION lustig macht, ist ein ahnungs- und humorloser Besserwisser, der besser keine Actionfilme sehen, sondern sich auf todsterbenslangweiligen Vertreter des durchnormierten Qualitätskinos beschränken sollte. THE NINJA MISSION ist jedenfalls große Klasse.

In einem nicht näher genannten lateinamerikanischen Staat herrscht Bürgerkrieg. Der Rebellenführer Carrasco (Lewis Collins) führt seine tapferen Freiheitskämpfer mit großem Geschick gegen die Truppen des Präsidenten, die von dem wahnsinnigen Silveira (Klaus Kinski) geleitet werden …

KOMMANDO LEOPARD gehört zu den „Spätfolgen“ des Mitte der Siebzigerjahre überaus erfolgreichen THE WILD GEESE, der vor allem in Italien eine ganze Flut von ähnlich gelagerten Söldnerfilmen auslöste, und ist einer der Vertreter der letzten Welle italienisch (co)produzierter Filme, die in den auslaufenden Achtzigerjahren noch in großen Stückzahlen den Weg ins Kino fanden. Die Nostalgie ist dann auch ein nicht zu unterschätzender Grund, warum man sich KOMMANDO LEOPARD heute noch anschauen möchte: 25 Jahre später wirkt dieser Kracher wie aus einer anderen Welt, kaum denkbar sind heute seine wunderbaren Miniatureffekte (für die Margheriti berühmt war), die Besetzung mit Charakterfressen wie den genannten, zu denen sich auch noch solche deutschen Semiprominenzen wie Manfred Lehmann und Thomas Danneberg  gesellen (letzterer spricht sich lustigerweise nicht selbst, weil er – wie könnte es auch anders sein – Carrasco snychronisiert), die unzähligen dicken Explosionen und die zur Schau gestellte Söldner- und Guerrileroromantik, deren wenigen kritischen Untertöne selbst schon zum Inventar gehören und kaum auffallen. Zu Grunde liegt eine Vorstellung von südamerikanischen Rebellen als feurigen, von einer tiefen Leidenschaft ergriffenen Träumern, die bei jeder Gelegenheit zu an die Menschlichkeit appelierenden Monologen anheben, tief religiös und hoffnungslos unterlegen sind, aber zum Glück immer einen geradezu fanatisch altruistischen Priester auftun, der bereit ist, für die gute Sache in den Tod zu gehen. Zwischen all diesen stets aus tränenunterlaufenen Augen blickenden Herzensmenschen gibt Collins dann die  Mensch gewordene Definition des Begriffs „Profi“, den er dank seiner Teilhabe an der gleichnamigen Serie in den Achtzigerjahren in Reinkultur verkörperte. Sein Carrasco ist kein schlechter Mensch, aber er fühlt sich nicht allein für das Menschenheil verantwortlich. Wo gehobelt wird, da fallen eben auch Späne. Ein Hoch auf den Utilitarismus, der immer weiß, wie viele Tote denn durch die „gute Sache“ gerechtfertigt sind.

Es gehört zu den krassen Verdrehungen des Söldnerfilms, dass er diese Haltung zum unverrückbaren Faktum und ihre Vertreter somit zu Opfern macht. Doch die immer wieder artikulierte Auffassung vom Krieg als Kampf, in dem es keiner Gewinner, nur Opfer gibt, der immer wieder Entscheidungen erfordert, die über das einzelne Menschenleben hinausgehen, von Männern, die bereit sind, die Verantwortung für diese Entscheidungen zu übernehmen, ist im Söldnerfilm sowieso kaum mehr als kitschige Ausschmückung, sie ist weniger inhaltlicher als vielmehr formaler Gestaltungsaspekt, weil sie vor allem zur Zeichnung einer bestimmten Atmosphäre dient. Der Söldnerfilm weist eine fatalistische Schicksalsergebenheit auf, die seine Figuren von ihrer Verantwortung enthebt, sie geradezu zu Opfern der Umstände verzeichnet. In dieser Hinsicht ist KOMMADO LEOPARD also hochgradig zweifelhaft. Weil aber Nostalgie das Motiv für die Wiederbegegnung war: Auf dieser Ebene hat KOMMANDO LEOPARD auch diesmal wieder funktioniert.

men of war (perry lang, usa 1994)

Veröffentlicht: Oktober 9, 2008 in Film
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Der schwedischstämmige Söldner Nick Gunnar (Dolph Lundgren) wird mit seiner Truppe (u. a. Tom Harvey, Tiny Lister, Tom Wright und Anthony John Denison) beauftragt, die Bevölkerung einer kleinen Südseeinsel davon zu überzeugen, einem Wirtschaftsunternehmen die Abbaurechte für das im Überfluss vorhandene Guano abzutreten. Doch die Einwohner weigern sich trotz schlagkräftiger Argumente – und bringen nach und nach auch die Söldner auf ihre Seite, denen angesichts der paradiesischen Zustände auf der Insel Zweifel an der Richtigkeit ihres Treibens kommen. Doch Nicks Auftraggeber wollen nicht von ihrem Vorhaben ablassen und greifen an …

MEN OF WAR ist ein bemerkenswerter Film, dessen Existenz einem Wunder gleicht. Das Drehbuch stammt unter anderem von John Sayles, der sein außergewöhnliches Können schon mehrfach unter Beweis gestellt hat: Stellvertretend sei hier nur sein in Deutschland sträflichst vernachlässigter LONE STAR genannt, der ihm auch den hochverdienten Drehbuch-Oscar einbrachte. Seine Handschrift wird in MEN OF WAR besonders in der Zeichnung der Inselbewohner sichtbar, die sich wohltuend vom zu Tode gerittenen Klischee der „edlen Wilden“ abheben und keinesfalls als weltfremde Eingeborene erscheinen. In der Gegenüberstellung von ihnen und den Sendboten des Kapitalismus, den Söldnern, entwickelt Lang das zentrale Thema des Films. In MEN OF WAR geht es um den Unterschied zwischen modernen und archaischen Kriegern, wird das Kriegerdasein als seelischer Zustand gekennzeichnet und die Instrumentalisierung desselben als Merkmal des Kapitalismus enttarnt und abgelehnt. Für Nick gibt es am Ende nur einen Ausweg: Er muss sein Leben als Außenseiter in der modernen Welt aufgeben und dahin gehen, wo es einen Platz für seinesgleichen gibt. Das mag sich naiv anhören und in vielerlei Hinsicht bedient MEN OF WAR diese Naivität der Weltenflucht auch. In Bildern wie aus dem TUI-Werbespot malt er das Inselidyll, das sich aber bei genauem Hinsehen gar nicht so sehr von unserer Welt unterscheidet, mit der einen gravierenden Ausnahme: Seine Bewohner brauchen kein Geld, sie haben alles, was sie zum Leben brauchen. Über weite Strecken ist MEN OF WAR eher Zivilisations- und Sozialdrama als Actionfilm und wenn er dann doch einmal die Genremechanismen bedient – etwa in der Schurkenfigur des Keefer, einem abtrünnigen Kompagnon Nicks –, dann will das nicht recht zum Rest passen. Erst gegen Ende, wenn der Film in seinen spektakulär-brutalen 20-minütigen Showdown mündet, erfüllt er die Erwartungen desjenigen Zuschauers, der bei Cover und Titel nicht zuerst an Anspruch und Originalität gedacht hat. MEN OF WAR ist nicht eben ein runder Film, wohl aber einer, dessen Komplexität mit einer Sichtung kaum zu fassen ist. Hinzu kommen noch die atemberaubende Breitwand-Fotografie und ein sehr feiner Humor, der kaum etwas mit den Oneliner-Orgien anderer Ballerfilme zu tun hat. Ein Beispiel? „We have a legend. It tells of a man who comes far from the oceans and save us from great danger.“ „Really?“ „No, but I’m working on it.“ Eine Schande, dass dieser Film niemals die Anerkennung erhalten wird, die ihm eigentlich zusteht.