Mit ‘Yaphet Kotto’ getaggte Beiträge

„They pit the lifers against the new boy and the young against the old. The black against the white. Everything they do is to keep us in our place.“

Der Satz, gesprochen als prophetischer Voice-over in einem zunächst doch sehr im (damaligen) Hier und Jetzt verorteten Film ganz zu Beginn des Films, wird am Ende, wenn sich das Drama des Films in einem Standbild von nahezu antiker Ikonizität verdichtet, noch einmal wiederholt. Man erinnert sich schon Sekundenbruchteile, bevor die sonore Stimme erklingt, an die Worte vom Anfang und weiß sofort, dass sie nun noch einmal gesprochen werden – und man versteht dann auch, dass es sich nicht um einen Standard aus dem Phrasenbuch sozialistischer Proletarierverherrlichung und Kapitalismuskritik handelt, sondern um eine sehr konkrete Beobachtung, eine, die Schrader aus der tristgrauen Realität des Arbeitertums mit beinahe chirurgischer Präzision herausschält.

Zeke (Richard Pryor), Jerry (Harvey Keitel) und Smokey (Yaphet Kotto) sind Kumpels und außerdem Kollegen: Gemeinsam arbeiten sie in einer Automobilfabrik in Detroit. Sie werden beschissen bezahlt, die Schulden drücken und die einzige bescheidene Freude sind das Feierabendbier, die Parties mit Nutten und Koks, die Smokey immer mal schmeißt, und die Familienabende beim Bowling. Von der Gewerkschaft, die behauptet, ihre Interessen zu vertreten, werden die Arbeiter immer wieder mit leeren Versprechungen hingehalten oder verarscht. Als die Verzweiflung kaum noch auszuhalten ist, kommt Zeke eine Idee: Der Safe der Gewerkschaft wird lediglich von einem alten Zausel bewacht und beinhaltet bestimmt ein Vermögen. Also werden die drei zu Einbrechern: Und erbeuten dabei ein Geschäftsbuch, das Auskunft über die dubiosen Geldgeschäfte der Gewerkschaft gibt und deshalb von höchster Brisanz ist. Die Idee, damit Geld zu machen, ist verlockend, doch Zeke hat eigene Pläne …

Paul Schraders Regiedebüt ist eine bittere Anklage eines ausbeuterischen Systems, das auch deshalb floriert, weil es seine schwächsten Glieder gegeneinander ausspielt: die oben zitierte These. Zeke, Smokey und Jerry haben ein Mittel in der Hand, das Spiel zu ihren Gunsten zu beeinflussen, aber egoistische Motive obsiegen am Ende. Zeke – gleichzeitig der größte Träumer, aber auch der größte Realist der drei – ahnt, dass aus dem großen Putsch nichts werden wird, also geht er einen Handel ein, bei dem er wenigstens etwas abbekommt, natürlich auf Kosten seiner Freunde, die ihres Lebens danach nicht mehr sicher sein können. Die Verwandlung Zekes vom clownesken Verlierer in einen berechnenden, über Leichen gehenden Egoisten ist schockierend: Es ist, als hätten die Körperfresser von ihm Besitz ergriffen und seine Seele verschlungen. Man muss ihn für seinen grausamen Verrat verachten, aber eigentlich ist auch er ein Opfer. Das System hat ihm Gewalt angetan: keine körperliche, aber es hat ihm all seiner Prinzipien und Werte beraubt.

BLUE COLLAR ist ein bitterer Film, aber er lässt sich von der wenig erbaulichen Realität lange Zeit nicht unterkriegen, genau wie seine Protagonisten. Die Arbeit mag hart und dreckig sein, die Existenzängste groß, die Aussichten beschissen: Wenn die drei Freunde zusammen sind und ihre Bierchen zischen, sind die Sorgen zumindest für kurze Zeit vergessen. Bis ungefähr zur Hälfte ist BLUE COLLAR eine lupenreine Komödie, die vom Zusammenhalt der Arbeiter getragen wird. Dann, nach dem Einbruch, markiert eine Reihe von Auslassungen den Bruch. Was den Gesinnungswandel Zekes auslöst, lässt Schrader im Dunkeln, er konfrontiert den Zuschauer stattdessen mit harten Fakten, die aufgrund des Verzichts einer Herleitung umso schwerer treffen. Der Humor verflüchtigt sich und macht Platz für Paranoia und Todesangst. Jerry muss nach einem Mordanschlag Hilfe beim FBI suchen und seine Wurzeln kappen. Er fühlt sich nicht wohl im Schutz der Beamten, die in ihm auch nur einen „Fall“ sehen, und seine ehemaligen Freunde beäugen ihn wie einen Aussätzigen. Das ist aber noch nichts gegen die Konfrontation mit Zeke: Aus den Freunden sind Todfeinde geworden, die sich gegenseitig die Schädel einschlagen würden, wenn man sie ließe.

Schrader hat mit BLUE COLLAR einen meisterlichen Film hingelegt, und mit seinen drei Hauptdarstellern einen absoluten Volltreffer gelandet. Yaphet Kotto hat mich als cooler Smokey nach seiner Leistung in REPORT TO THE COMMISSIONER  zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit begeistert. Er ist so etwas wie der Anführer des Trios, der große Bruder, der beschützend seine starke Hand über sie hält, bis es ihn kalt erwischt. Harvey Keitels Jerry ist eher unauffällig, ein zurückhaltender Typ, der aufbrausend wird, wenn man etwas gegen seine Gewerkschaft sagt: Eigentlich will er nur seine Ruhe haben, insofern ist er genau der Mann, denn sich die Mächtigen wünschen. Der Besetzungscoups schlechthin ist Stand-up-Legende Richard Pryor als Zeke, der sowohl den bemitleidenswerten spindeldürren Tropf überzeugend verkörpern kann wie auch den Morgenluft witternden Opportunisten. Pryors act umfasste immer eine geradezu schmerzhafte ehrliche Selbstanklage: Er war ein Getriebener und wusste ganz genau um seine Schwächen, die er immer wieder zur Zielscheibe seiner Gags machte. Seine Stand-up-Routinen waren eine Art der Selbstreinigung, Therapiestunden, das Publikum die Anvertrauten, denen er alles sagen konnte. In BLUE COLLAR scheint er den Ausbruch aus seinem Seelengefängnis zu proben: Wie wäre es, einmal ein anderer zu sein, der Typ, der auf alles scheißt und sich einfach nimmt, was er will? Die Verwandlung ist total, und am Ende, wenn sich sein immer etwas suchender, unsicherer Blick zu einer hasserfüllten Maske verzerrt, erkennt man ihn kaum noch wieder. Pryor blieb zum Glück Pryor, auch wenn er an diese Glanzleistung in Ermangelung wirklich ernsthafter Filmangebote nicht mehr anknüpfen konnte. Was aus Zeke geworden ist, will man lieber nicht wissen.

Beauregard „Bo“ Lockley (Michael Moriarty) wird Polizist in New York, ausgerechnet bei der Sitte: als Ersatz für den in Vietnam gefallenen Bruder und auf Wunsch des Vaters, selbst ein Ex-Cop. Aber er ist von Anfang an am falschen Platz: zu weich, zu idealistisch, zu naiv, zu verwundbar, zu involviert. Sein Partner Richard „Crunch“ Blackstone (Yaphet Kotto), der ihn einweist, ahnt schnell, dass das nicht gut gehen kann. Die Katastrophe beginnt, als Bo einen Alibi-Auftrag bekommt: Er soll die minderjährige Ausreißerin „Chiclet“ ausfindig machen. Was er nicht weiß: „Chiclet“ ist in Wahrheit der Undercover-Cop Patty Butler (Susan Blakely), die sich an den gefährlichen Dealer Stick (Tony King) rangeschmissen hat, und Bos Auftrag hat keinen anderen Sinn, als ihre Geheimidentität auf der Straße zu untermauern. Doch dann passiert genau das, was nicht hätte passieren dürfen: Bo findet „Chiclet“ und sucht sie in Sticks Appartment auf. Beim folgenden Schusswechsel wird Patty tödlich verwundet. Die anschließende Verfolgung Sticks endet in einer gefährlichen Pattsituation der beiden Kontrahenten in einem Fahrstuhl …

Milton Katselas erzählt den Film in einer langen Rückblende, eben als bildliche Illustration des Reports, den der Polizei-Commissioner am Anfang einfordert, um die Hintergründe hinter dem Tod einer Polizeibeamtin, eines Dealers und dem Zusammenbruch eines jungen Cops aufzuklären. Langsam, aber unaufhaltsam entfaltet sich die Geschichte bis zu ihrem tragischen, unausweichlichen, dem Report nachfolgenden Ende. REPORT TO THE COMMISSIONER zeigt dabei alle Stärken des New-York-Copfilms: Wie seine berühmteren Vorbilder, man denke an THE FRENCH CONNECTION (dessen Autor Ernest Tidyman auch hier mitwirkte), SERPICO, DOG DAY AFTERNOON, THE TAKING OF PELHAM ONE TWO THREE, THE SEVEN-UPS, ACROSS 110TH STREET oder andere, hat er diesen unglaublichen Schauplatz, dessen infernalische Heruntergekommenheit er in wundershön körnigen Bildern einfängt. Er besidelt diesen Schauplatz mit abgebrühten, aufgeschwemmten, grauhäutigen Veteranen, die die Cops als versoffenen Haufen desilluisonierter Zyniker geben und sagenhaften Nebendarstellern bis in die letzte Ecke: Yaphet Kotto gibt als Crunch eine Darbeitung für die Ewigkeit, Hector Elizondo ist der Karrierist mit dem Thousand Yard Stare, dem man ständig in die Fresse hauen möchte, Bob Balaban ist als beinloser Penner zu sehen, der sich mit Hundebesitzern anlegt und Menschen, die ihm Böses wollen, in die Beine beißt. Richard Gere ist phänomenal in seinem Debüt-Kurzauftritt as Pimp und Tony L’ULTIMO CACCIATORE King holt aus seinem Auftritt alles raus, was rauszuholen ist. Und wenn man dann denkt, jetzt kann nichts mehr kommen, zeigt William Devane sein Haifischlächeln und legt mit seinem Drei-Minuten-Cameo alles in Schutt und Asche. Über Michael Moriarty muss eh nichts mehr gesagt werden und Susan Blakely nimmt man ihre schwierige, am ehesten „geschrieben“ wirkende Rolle ebenfalls ab. REPORT TO THE COMMISSIONER hat genau jene Authentizität, die man mit dem US-Copfilm der Siebzigerjahre assoziiert.

Hinter REPORT OF THE COMISSIONER steckt die Anklage eines Systems, das sich um seine „Einzelteile“ nicht kümmert, sie unvorbereitet auf ein Schlachtfeld schickt, um eine Quote zu erfüllen, und sie dann ausliefert, wenn sie versagen. Es ist außerdem eine Kritik an dem Brauch, verdeckte Ermittler einzusetzen und diese nicht ausreichend abzusichern. Sie gehen doppeltes Risiko: Entweder ihre Tarnung fliegt auf oder sie werden im Eifer des Gefechts von den Kugeln unwissender Partner getötet. Es ist sicherlich kein Zufall, dass es in REPORT TO THE COMMISSONER zwei junge Leute, „Hippies“, trifft, die nicht genau wissen, worauf sie sich eingelassen haben – und von ihren Vorgesetzten sowieso insgeheim als Gegner betrachtet werden. „Als man Probleme mit Niggern hatte, stellte man Nigger ein. Dann war es die Mafia, also setzte man auf Itaker. Jetzt sind es die Kids also rekrutiert man Kids“, fasst Crunch die Strategie der Polizei zusammen. Oder auch so: „Vor fünf Jahren wärst du nie durch die Polizeischule gekommen.“ Weil sich der Polizeiapparat also einen Scheiß für Menschen interessiert, werden auch die Polizeibeamten zu den Zynikern, die sie sind, zu Rassisten und Gewalttätern. Nur in einer aus den Fugen geratenen Welt kann Bos Idealimus als Wahnsinn ausgelegt werden.

Ich wusste nichts über REPORT TO THE COMMISSIONER, was oft die beste Voraussetzung für denkwürdige Filmsichtungen ist. Ich frage mich heute, warum Katselas Film nicht in einem Atemzug mit den großen Klassikern des Genres genannt wird: Er spricht alle Schlüsselreize an, ist pervers gut gespielt und hat ein sauspannend konstruiertes Drehbuch, das die Daumenschrauben in seinem vorgezogenen Showdown bis zur Unerträglichkeit anzieht. Es geht nicht viel besser.

Für THE STAR CHAMBER verquickt Peter Hyams den zu Beginn der Achtzigerjahre und angesichts steigender Kriminalitätsraten immer noch nicht aus der Mode gekommenen Selbstjustizfilm mit dem Polit- und Verschwörungsthriller der Siebzigerjahre. Wie das bei Hyams meistens so ist, hat man am Ende zwar das Gefühl, dass man aus dem Stoff inhaltlich noch eine ganze Menge mehr hätte herausziehen können, dafür bekommt man aber ein Werk, das absolut fantastisch aussieht und so rund läuft wie eine gut geölte, schnurrende Maschine.

Der Richter Steven Hardin (Michael Douglas) ist verzweifelt: Wegen Formfehlern muss er zunächst einen mehrfachen Raubmörder, dann schließlich zwei Päderasten und Kindermörder ziehen lassen. Wo ist nur die Unfehlbarkeit des Rechts, in die er sich während seines Studiums so verliebt hatte? Sein Mentor Benjamin Caulfield (Hal Holbrook) kennt die Lösung: Er ist Angehöriger einer Gruppe von Richtern, die all die Fälle nicht verurteilter Krimineller neu verhandelt, zum Schuldspruch kommt und die Strafe auf dem Fuße nachreicht – in Form eines Killers. Auch Hardin wird in den Kreis eingeführt und darf die beiden Kindermörder nachträglich zum Tode verurteilen. Doch dann stellt sich heraus, dass die beiden die Tat nicht begangen haben können …

Hyams hat in THE STAR CHAMBER viel zu erzählen: Er führt seinen Protagonisten geduldig auf den Moment hin, in dem Caulfield ihn für die Aufnahme in seinen Vigilantenbund geeignet hält. In der ersten Hälfte geht es also um die Fehlbarkeit der Rechtssprechung, die Formfehler, die die Polizei bei der Beweiserhebung macht und die Hardin keine andere Wahl lassen, als die Verbrecher – teilweise trotz vorliegender Geständnisse – auf freien Fuß zu setzen. Ironischerweise eine Situation, mit der außer den überraschen Freigesprochenen keiner glücklich ist, nicht einmal deren Verteidiger, die ja auch nicht blind sind. Aber das Gesetz fordert absolute Regeltreue. Die zunehmende Frustration Hardins, der öffentlich als verantwortlich dafür gesehen wird, gewissenlose Killer auf freien Fuß zu setzen, kulminiert, als der Vater des ermordeten Jungens im Gerichtssaal zur Waffe greift, um die Mörder selbst zu richten. Wo eigentlich Ordnung und Gerechtigkeit herrschen sollten, ist das absolute Chaos ausgebrochen.

Die „Star Chamber“ (im Film fällt dieser Begriff kein einziges Mal) verspricht Abhilfe, aber der Zuschauer weiß natürlich sofort, was er von dem geheimniskrämerischen Treiben zu halten hat – genauso wie Hardin übrigens, dessen Teilnahme eigentlich von Anfang an ein Eingeständnis seiner Hilflosigkeit ist. Die echte Überzeugung will sich bei ihm nicht einstellen. Zu Recht: Wenn sich da die Richter – allesamt dem gehobenen Mittelstand angehörige, distinguierte ältere Damen und Herren – in einem mondän eingerichteten Kaminzimmer versammeln, um Todesurteile zu verhängen, hat das nicht nur etwas Geheimbündlerisch-Verschwörerisches: Hier wird Rechtstaatlichkeit nicht gerettet, sondern aus dem Weg geräumt. Es ist schon bezeichnend, dass die Rache der Richter ausschließlich Menschen aus den unteren Schichten trifft. Der Umschwung lässt dann auch nicht allzu lang auf sich warten und stellt keinen echten Sinneswandel dar: Natürlich kommt Hardin mit seinem Appell an die Menschlichkeit bei den Überzeugungstätern nicht weiter. Der Stein, der einmal ins Rollen gebracht wurde, lässt sich nicht aufhalten und wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne. Besser einen Unschuldigen über die Klinge springen lassen, als zehn Schuldigen aufgrund von Formfehlern die Freiheit zu gewähren. Für die Dramaturgie von THE STAR CHAMBER ist Hardins Humanismus und der Glaube an eine Rechtstaatlichkeit, die diesen Begriff wirklich verdient, ein Problem: Die Freude an der einfachen Lösung, die andere Vigilanten antreibt, kennt er nicht. Der Richter sieht nicht rot, wie es der deutsche Titel suggeriert, sein Blick ist nur kurzzeitig etwas eingetrübt.

Hyams selbst löst das Problem, indem er den Film in einen Showdown münden lässt, der die Ambivalenz des Selbstjustizfilms bewahrt, welche ihm sein Protagonist verweigert. Die beiden „Unschuldigen“, die Hardin vor dem Killer bewahren will, sind beileibe keine Unschuldslämmer. Man kann nicht behaupten, dass die Rache der „Star Chamber“ wirklich die Falschen getroffen hätte. Aber bei der Rechtsprechung, die Hardin vertritt, geht es eben nicht um eine alttestamentarische Strafe, mit der Amoral sanktioniert werden soll. Es geht um die Frage nach Täterschaft in ganz konkreten Fällen. Auch das größte Dreckschwein muss den Freispruch bekommen, wenn es einer Tat bezichtigt wird, die es nicht begangen hat. Am Ende führt Hardin den Cop Lowes (Yaphet Kotto) zum Gerichtssaal der Star Chamber: Er wird wohl die richtige Entscheidung treffen.

slg2h6x264wd46d6Es war abzusehen, dass Traci Lords irgendwann in bevorzugt Direct to Video veröffentlichten Generefilmen landen würde. Der Skandal, den die Enthüllung entfachte, dass sie einen nicht unerheblichen Teil ihrer Pornofilme als Minderjährige bestritten hatte (unter Drogeneinfluss und Zwang, wie sie später zu Protokoll gab), hat ihrer Karriere – auch wenn das zynisch klingt – gewiss weniger geschadet als der Pornoindustrie, die durch das Verbot der gefragten Filme Umsatzeinbußen in Millionenhöhe verzeichnete. 1989 wirkte sie (nach dem Studium am renommierten Lee Strasberg Theater Institute) in Jim Wynorskis NOT OF THIS EARTH, dem gleichnamigen Remake des Corman-Klassikers, zum ersten Mal in einem „normalen“ Spielfilm mit – durchaus erfolgreich. Es folgte eine respektable kleine Rolle in John Waters‘ CRY-BABY (in dessen SERIAL MOM sie einige Jahre später auch wieder mit von der Partie war), bevor sie dann überwiegend in Horror- und Actionfilmen auftrat. Es bedarf keiner größeren Erklärung, was sich die Produzenten davon versprachen: Auch wenn Traci Lords sich nach NOT OF THIS EARTH nie wieder unbekleidet in einem Film zeigte, genügte ihre Anwesenheit auf dem Videocover, um Männerfantasien zu triggern und sie dazu zu bringen, die fällige Leihgebühr zu entrichten.

Neben ihrer unbestreitbaren physischen Reize verfügte Traci Lords aber durchaus auch über einen gewissen Charme: In INTENT TO KILL wirkt sie mit ihrem Schmollmündchen immer latent angepisst und aufmüpfig, was für einen am Rande der Legalität kämpfenden Cop, der ständig von seinem Vorgesetzten zurückgepfiffen werden muss, gewissermaßen der nötige Default-Modus ist. Kanganis nutzt diesen Aspekt von Traci Lords Persona in INTENT TO KILL für eine weibliche Variation typischerweise männlich geprägter Copfilm-Standards mit starker Romantik-Schlagseite: Fast wichtiger als Vicki Stewarts Kampf gegen den im PM-Oeuvre obligatorischen süd- bzw. mittelamerikanischen Drogenhändler mit Tony-Montana-Gedächtnis-Slang ist dem Film ihr privates Liebesglück. Zunächst lebt sie mit ihrem Partner Al (Scott Patterson, später bekannt geworden mit seiner Rolle in der Fernsehserie GILMORE GIRLS) in einer eheähnlichen Beziehung, die von seinen Weibergeschichten jedoch immer wieder torpediert wird. Während er das Abendessen kocht, streiten sie nicht etwa darüber, dass sie keine Zeit, immer nur den Job im Kopf habe, sondern darüber, wer von beiden nun eigentlich den härteren Tag hatte: Den ersten Streit gewinnt Vickie mühelos: „I was thrown out of a car!“ Eine für den weiteren Verlauf der Geschichte wichtige Freundschaft baut sie zu einem hispanischen Vergewaltigungsopfer auf, als sie deren Peiniger aufsucht und mit ein paar gezielten Tonfa-Schlägen, Tritten und Fausthieben Manieren beibringt. Nachdem sie Al in flagranti beim Seitensprung im gemeinsamen Bett erwischt und ihm den Laufpass gibt, findet sie bei ihrer neuen Freundin Unterschlupf: Die bringt ihr morgens nicht nur den Kaffee auf die Veranda mit Panoramablick auf L.A., sondern drückt ihr auch ein tröstendes Küsschen auf die Wange. Zwischendurch nutzt Vickie auf Geheiß des fürsorglichen Captain Jacksons (Yaphet Kotto mit dem FINAL NIGHTMARE-Haarteil) die Gelegenheit zu einem entspannenden Spaziergang im Park, bei dem sie die Gedanken schweifen lassen und verträumt lächelnd händchenhaltenden Paaren hinterherschauen kann. Weil Vicki aber so überaus ansehnlich ist, muss sie sich über mangelnde Resonanz bei den Männern nicht beklagen. Kollege Tom (Michael M. Foley) hat schon länger ein Auge auf sie geworfen und macht ihr beim Fitnesstraining ölige Avancen. Eine Demonstration seiner Beschützerqualitäten in einem überambitioniert geführten (aber lahmarschig inszenierten) Kickbox-Fight gegen einen hilflosen Sparringspartner überzeugt sie dann aber doch davon, seine Einladung zum Essen anzunehmen. Doch wie das so ist in El Ey, der Hauptstadt des Verbrechens, in der man insgeheim auf einen großen Regen wartet, der den ganzen Dreck wegspült, wird das Restaurant, in dem sich die beiden niedergelassen haben, von zwei Gewaltverbrechern überfallen, die Vickie kurzentschlossen niederschießt. Der Zuschauer freut sich, dass es endlich mal wieder Tote gibt, war er doch schon kurz davor, sich in einem Renee-Zellweger-Film zu wähnen.

Der Showdown entschädigt dann wieder mit den PM-typischen Autostunts, Einschüssen und Explosionen, aber auch mit der Extraladung unprofessionellen Verhaltens Vickies, die damit den Tod nicht nur diverser anonymer Cops verursacht, sondern auch den ihres alten Gspusis Al. Nachdem sie den Oberschurken mit einer Pumpgun auf offener Straße umgemäht hat, sackt sie entsprechend schuldbewusst auf die Knie und weint eine Runde über das harte Leben als weiblicher Cop beim LAPD. Wenigstens hat sie noch ihre Freundin mit der geilen Veranda.

Alien-intro_3064438bVon Kubricks 2001: A SPACEY ODYSSEY sagt man oft, er habe aus dem Science-Fiction-Film, der damals, in den späten Sechzigerjahren, überwiegend ein Thema für Jugendvorstellungen oder Drive-in-Kinos war, ein respektables Genre gemacht, mit dem sich plötzlich auch Intellektuelle beschäftigen konnten. Ridley Scotts ALIEN kommt ein ähnliches Verdienst für den Monsterfilm zu. Der inhaltlich sowohl vom Fünfzigerjahre-Heuler IT! THE TERROR FROM BEYOND SPACE als auch von Mario Bavas TERRORE NELLO SPAZIO inspirierte Film jagte dank Gigers phänomenaler Designs auch Menschen einen Schrecken ein, die für grellen Schlock sonst eher unempfänglich waren. Auch weil Scott auf tief im Innersten verschüttete Urängste vor dem Verlust der sexuellen Identität abzielte, anstatt bloß die Furcht der Menschen vor potenziell feindlich gesonnenen Außerirdischen zu schüren, wie es der Science-Fiction/Monster-Film bis dahin überwiegend getan hatte. Die Besatzung der Nostromo wird nicht einfach hinweggerafft, sie wird geschwängert, penetriert und versklavt von einem zweibeinigen Phallus mit spermatriefendem, bezahntem Zungenpenis, dessen Hunger auf Männlein wie Weiblein gleichermaßen unstillbar ist. ALIEN ist in erster Linie ein Triumph der Ausstattung wie der Atmosphäre. Das Leben auf der Nostromo, die Durchkreuzung des Weltalls hat nichts mehr mit bunten Enterprise-Fantasien zu tun, sondern ist auch nur eine Verlängerung echter Arbeit. Das Schiff ist dreckig, das Essen miserabel, die Bezahlung schlecht und der Arbeitgeber – ein anonym bleibender Konzern – sitzt immer am längeren Hebel. Es findet wenig explizites World Building statt: Man erfährt nicht viel über die Umstände der Mission, auf der sich die Nostromo befindet, noch über das Leben auf der Erde oder die Zeit, in der der Film spielt. Der Film fängt so an, als läge all das auf der Hand. Gerade das macht ALIEN so ungemein effektiv: Man ist sofort drin, weil man alles wiedererkennt als lediglich einige hundert Jahre in die Zukunft gedachte Gegenwart. Wovon logischerweise auch der Monsterplot profitiert, weil er von der Authentizität der Darstellung mitgetragen wird. Scotts Film hat eine unglaubliche erste Hälfte: die Ruhe, mit der er den Zuschauer mit Schiff und Besatzung bekanntmacht, setzt sich in den Vorbereitungen zur Landung und der Erkundung des fremden Planeten fort. Die sonst übliche Hektik und Geschäftigkeit weichen der Routine und der Müdigkeit nach Monaten im All. Alle wollen nur nach Hause, stattdessen müssen sie auf einem gottverlassenen Stein landen, um einem rätselhaften Notsignal nachzugehen. Die Handlung ist ähnlich klaustrophobisch strukturiert wie das Setting: Menschen tun Dinge, die sie nicht tun wollen, aber tun müssen. Und der Zuschauer ahnt bereits, dass das alles kein gutes Ende nehmen kann. Der Besuch auf dem fremden Planeten ist – neben der legendären Chestburster-Szene natürlich – der Höhepunkt des Films. Seine postapokalyptische, aschfarbene Oberfläche, die wie Skelettfinger in den schwarzen Himmel ragenden Trümmer eines fremdartigen Raumschiffes mit seine Vulva-artigen Eingängen, sein in seiner Fremdartigkeit und schieren Größe an Lovecraft erinnernde Interieur, der riesenhafte Leichnam, schließlich die Höhle mit den Eiern. Spätestens, wenn sich eines von ihnen öffnet und den Blick freigibt auf das pulsierende Innenleben, gibt es eigentlich kein Halten mehr und es ist fast eine Erlösung, wenn die konstant gehaltene Drohgebärde sich im Angriff des Facehuggers konkretisiert. Wie Scott während dieser ersten Hälfte des Films die Daumenschrauben in aller Seelenruhe ansetzt und dann unaufhörlich festzieht, ist schlicht beeindruckend. Wenn schließlich das ausgewachsene Alien durch die dunklen Gänge der Nostromo schleicht, die anscheinend nur dafür konstruiert wurden, ihm Tarnung zu verschaffen – man vergleiche die Darstellung des Schiffs in jener zweiten Hälfte des Films mit der vom Anfang, um den Unterschied zu bemerken. (Besonders rätselhaft ist sicherlich der Raum, in dem es Brett erwischt: Mit den herabhängenden Ketten fühlt man sich unweigerlich an einen Underground-Club mit SM-Thematik erinnert – nur eines von vielen Beispielen für die kaum noch unterschwellig zu nennende sexuelle Aufladung von ALIEN.) –, wird Scotts Film ein wenig herkömmlicher und auch, wenigstens aus heutiger Sicht, etwas „gummiger“. Aber der Zuschauer ist dann ja eh schon hoffnungslos verloren. Wer behauptet, mit ALIEN sei Scott einer der unheimlichsten Filme aller Zeiten gelungen, hat damit sicherlich nicht Unrecht. Und das fast erotisch zu nennende Finale zwischen der halbnackten Ripley (Sigourney Weaver) und dem wie ein Triebtäter in ihr Schlafgemach gedrungenen Alien, ist eine Sternstunde seines Schaffens. Ich habe ja ein eher gespaltenes Verhältnis zu dem Mann, finde sein Werk in den letzten 30 Jahren bis auf wenige Ausnahmen ziemlich furchtbar, aber ALIEN ist auch fast 40 Jahre nach seiner Entstehung immer noch meisterlich. Und wenn ein nicht unerheblicher Teil seiner Wirkung auch auf Giger zurückgehen mag: Scott hat genau verstanden, was er mit dessen Ideen anzufangen hatte.

Der Titel lässt die guten Vorsätze der Produzenten erahnen: Zwei Jahre, nachdem Hopkins‘ A NIGHTMARE ON ELM STREET 5: THE DREAM CHILD an der Kinokasse eher enttäuscht hatte, wollte New Line die Serie zu ihrem Ende führen. Es kam anders: Der überraschende Erfolg des Films führte zu einem Rücktritt vom Rücktritt und machte den Weg frei für Freddys Rückkehr mit WES CRAVEN’S NEW NIGHTMARE (ähnlich wie New Lines ganz ähnlich gearteter und betitelter „Beerdigungsfilm“ JASON GOES TO HELL: THE FINAL FRIDAY zwei Jahre später). Trotzdem gilt Talalays Regiedebüt – sie war zuvor als Produzentin tätig gewesen und inszenierte danach noch die Genrefilme GHOST IN THE MACHINE und TANK GIRL – vielen als schwächster Eintrag der Reihe. Ob der Film besser ausgefallen wäre, hätte Peter Jacksons Drehbuch Verwendung gefunden? Reine Spekulation. Fest steht für mich, dass die zwei Jahre, die nach dem Vorgänger ins Land gezogen waren und in denen sich so langsam herauskristallisierte, was die „Neunziger“ sein könnten und würden, dem Franchise – einem typischen Produkt seiner Zeit, der Achtzigerjahre – nicht so besonders gut getan haben. FREDDY’S DEAD: THE FINAL NIGHTMARE wirkt holprig und verunsichert, keineswegs wie das mit Selbsbtbewusstsein erzählte neue, heiß ersehnte Kapitel einer doch zu einiger popkultureller Bedeutung herangereiften Geschichte. Man hat nicht das Gefühl, hier seien Überzeugungstäter am Werk, die der Meute geben, wonach ihr dürstet: So wie Talalay den Film inszeniert, kann man sich vielmehr des Eindrucks nicht erwehren, dass sie selbst nicht so recht von der Notwendigkeit und der Relevanz eines weiteren Sequels überzeugt war. Atmosphärisch, inhaltlich und tonal weicht FREDDY’S DEAD weit von seinen Vorgängern ab, und die neuen Elemente lassen ihn keineswegs moderner und zeitgemäßer erscheinen, sondern eher hilflos und aktionistisch.

Eine der großen Überraschungen meines Wiedersehens mit der NIGHTMARE-Reihe, war es festzustellen, dass die Filme trotz ihres spielerischen Tonfalls und ihrer poppig-bunten Oberfläche fast nie zum Zitate-Pastiche verkommen, das wenige Jahre später gewissermaßen der Default-Modus für diese Art von Film war. Die Fat Boys mögen über die Endcredits einen Freddy-Krueger-Song rappen, ein Auftritt des rappenden Kruegers bleibt uns Gott sei Dank ebenso erspart wie eine James-Bond-Parodie (die es aber als britisches Postermotiv gibt), die sich noch nicht einmal die FRIDAY THE 13TH-Reihe verkneifen konnte. Und wenn Freddys Handschuh in einem Traumsegment des vierten Teils auch zur Rückenflosse eines angreifenden Haifisches mutiert, wird JAWS dennoch nicht direkt referenziert – dabei könnte man sich nur allzu gut einen entsprechenden Soundtrack-Cue vorstellen. Die Filme entwickelten ihren visuellen Stil sehr organisch aus Freddys natürlichem Showmanship heraus, verarbeiteten ihre Einflüsse eher diskret, anstatt mit ihnen hausieren zu gehen. Das hatte ich, der sich noch gut an das auch auf noch so unpassende Produkte gepresste Konterfei Kruegers und seine teilweise lästige Allgegenwart erinnern konnte, völlig vergessen. Freddy braucht keine großen Vorbilder, an die er sich hängt, er ist sein eigener Star: Das ist die „Botschaft“, die man seinen grellen Scherzen entnehmen kann. Jedenfalls bis zu FREDDY’S DEAD, dem man deutlich anmerkt, dass er in den ach so ironisch-distanzierten Neunzigerjahren entstand. Die Texteinblendung zu Beginn lässt sofort an ESCAPE FROM NEW YORK denken, kurz darauf flattert Freddy in einem WIZARD OF OZ nachempfundenen Traum als Wicked Witch of the West durchs Bild, wenig später absolvieren Roseanne Barr und Tom Arnold, damals mit der Sitcom ROSEANNE zu außerordentlicher Popularität gelangt, einen Gastauftritt als keifendes White-Trash-Ehepaar und veranlassen die Protagonisten dazu, sich „wie in TWIN PEAKS“ zu fühlen. Johnny Depp macht als „Man on TV“ Anti-Drogen-Propaganda, eine Trip-Szene wird höchst anachronistisch von Iron Butterflys „In-a-gadda-da-vida“ untermalt (welcher Jugendliche hat das 1991 noch gehört?) und Alice Cooper spielt Freddy Kruegers leiblichen Vater. Inhaltlich wagte man nach den beiden vorangegangenen Filmen mit ihrer Alibihandlung einen etwas ambitionierteren Ansatz, der aber weniger wie eine Fortsetzung als wie eine Art dystopisch-fantastisches „What-if“-Szenario erscheint und von den Wurzeln der Serie im Teeniefilm wegführt: Zehn Jahre in der Zukunft hat Freddy Krueger tatsächlich alle Teenager in Springwood hinweggerafft, nur einer ist ihm entkommen, der bei seinem Versuch zu fliehen auf Umwegen doch wieder in seinem nun völlig entvölkerten Heimatörtchen landet, dessen Bewohner durch die zunehmende Überalterung mittlerweile reichlich seltsam geworden sind. Wie schon zuvor tauchen die Protagonisten tief in die Biografie des ehemaligen Kindermörders ein, doch die Versuche, Freddy Krueger einen psychologischen Background zu verleihen, überkreuzen sich heftigst mit der ausgestellten Künstlichkeit und Hysterie des Films. Der Film weiß keinen seiner drei Plotansätze wirklich zufriedenstellend zu nutzen (es tauchen auch noch mythologische Traumgeister auf, die aussehen wie schlecht gelaunte Kaulquappen) und wenn er sich dem Thema „Kindesmissshandlung“ zuwendet, wirkt das zwischen all dem ohrenbetäubenden Quatsch einfach nur fehlgeleitet und geschmacklos.

Das ist dann auch das Hauptproblem: Die Reihe hatte sich auch schon zuvor mit jedem Teil ein Stück mehr in Richtung Sketchshow entwickelt, durch die Freddy als Master of Ceremony führte, aber selbst wenn die noch so albern wurde, stand im Zentrum doch die traurige Idee, dass die Kinder auch noch in ihren Träumen, ihrem einzigen Rückzugsraum, von der verdrängten Schuld ihrer Eltern heimgesucht wurden. In FREDDY’S DEAD ist von dieser tragischen Konnotation nichts mehr übrig geblieben und der vormals grelle Humor wirkt nun gleichermaßen infantil wie steril. Die Sequenz, in der der auf seinem LCD-Spiel zockende Spencer (Breckin Meyer) von Freddy in ein Jump’n’Run-Videogame gesogen wird, ist ein gutes Beispiel für Talalays mangelndes Fingerspitzengefühl und die unablässigen Stilbrüche ihres Film, weil sie für einen offenkundigen Versuch, bei Kids Credibility-Punkte einzufahren, hoffnungslos überkommen wirkt. Mit seinem Ausruf „Cool graphics“ entlarvt sich Krueger, einst Stilikone und Trendsetter, angesichts der armseligen Qualität des Dargebotenen endgültig als Ahnungsloser, von der Zeit gnadenlos Überholter. Es kommt selten Gutes dabei raus, wenn sich Erwachsene versuchen, bei Jugendlichen anzubiedern, aber in einem Film der NIGHTMARE-Reihe, die stets von ihrer glaubwürdigen Sympathie und Empathie mit der Jugend geprägt war, ist dieser Move geradezu unverzeihlich. FREDDY’S DEAD wird von Minute zu Minute schlimmer, ergeht sich zum Ende in potthässlichen Visual Effects, die gar nicht gut gealtert sind, bietet noch eine lachhafte 3D-Sequenz auf, um Relevanz vorzutäuschen, und dürfte in seinem Gesamtentwurf mit „stillos“ mehr als adäquat umschrieben sein. Wenn die Protagonistin am Schluss grinsend den Titel des Films verkündet und zu den Credits eine Art Best-of aus den vorangegangenen Teilen läuft, meint man fast, alle Beteiligten laut aufatmen zu hören. Und als Zuschauer ist man da zum ersten Mal ganz bei ihnen. Grottig.

TRUCK TURNER habe ich zum letzten Mal vor wahrscheinlich gut zehn Jahren gesehen und nur noch sehr vage und – wie ich beim Wiedersehen mit der deutschen Synchronfassung auf großer Leinwand feststellen durfte – unzutreffend in Erinnerung. Der saubere Blaxploiter, den ich da im Kopf hatte, entpuppte sich als das krasse Gegenteil, nämlich als räudiger Gewaltfilm, der sich in Bildern urbaner Verkommenheit und Ausweglosigkeit suhlt und von der deutschen Synchro, die einen wahren Sprücheholocaust abfeiert, beherzt über die Kante gestoßen wird.

Isaac Hayes ist Mac „Truck“ Turner, ehemaliger Footballprofi und jetziger Kopfgeldjäger, der sich nur mühsam über Wasser hält. Seine Freundin Annie (Annazette Chase) sitzt mal wieder wegen Diebstahls im Bau und Turner muss sich mit der die winzige Wohnung vollpissenden Katze herumschlagen, wenn er nicht sein Leben für ein paar Dollarscheine auf der Jagd nach Kautionsflüchtlingen riskiert. Als er die Aufgabe erhält, den miesen Zuhälter Gator (Paul Harris) einzufangen, landet Turner selbst auf der Abschussliste und mitten in einem Kampf um die kriminelle Vorherrschaft über die Stadt, die Harvard Blue (Yaphet Kotto) Gators Perle Dorinda (Nichelle Nichols) ent- und an sich reißen will.

Während andere Blaxploiter bemüht sind, ihre Helden als gewiefte Stilikonen darzustellen, wartet TRUCK TURNER mit einem Protagonisten auf, der nur einen Schritt vor dem Absturz in die Gosse steht. Wenn er aufwacht, türmen sich die Bierdosen neben ihm auf dem Nachttisch und das von der Katze als Klo missbrauchte Hemd muss er mangels Alternativen trotzdem tragen. Wolfgang Hess, einer der Stamm-Synchronsprecher von Bud Spencer, verleiht Turner sein unverwechselbares Organ, macht ihn zum stöhnenden, ächzenden Brummbären, der nie um einen vulgären Spruch verlegen ist. Aber er kann auch einstecken: Rassistische Verunglimpfungen wie „Baumwollblüten-Pflücker“ muss er sich in schöner Regelmäßigkeit anhören, „normale“ Konversation ist in Turners Welt der halbseidenen Gestalten, der verkrachten Existenzen, Säufer, Gammler, Wiederholungsstraftäter gar nicht mehr möglich. TRUCK TURNER ist ein sehr geradliniger, action- und gewaltlastiger Blaxploiter, ohne irgendwelche erzählerischen Finessen, aber dafür mit genau jener Unverdrossenheit, die auch seine Hauptfigur auszeichnet. Kaplan hat einen Film gedreht, unter dessen gallig-reißerischer Oberfläche sich ein höchst desolates Weltbild offenbart. Schaut man sich die heruntergekommenen Stadtviertel an, in denen der Film spielt, die erbärmlichen Zukunftsaussichten, die Turner und Annie teilen, die Unbarmherzigkeit, mit der die Gewalt immer wieder hereinbricht (etwa um unglaublichen Finale, bei dem Blue mit seinen Killern ein Krankenhaus stürmt), die Dekadenz derer, die sich mit krummen Dingern ein Vermögen erwirtschaftet haben, dann bietet sich als Vergleichgröße für TRUCK TURNER eigentlich nur noch ein Endzeitfilm an. Und dort, am Ende der Zeit, wartet Turner, das Pistolenholster über nacktem Oberkörper, der Lauf seiner Riesenknarre durch eine Weitwinkelaufnahme grotesk verzerrt, hinter ihm wie riesige Grabsteine zwei kalte Wolkenkratzer. „Wenn du krepierst, lebe ich“, denkt er vielleicht und drückt ab.

In MIDNIGHT RUN war ich damals, 1988, im Kino, ich war gerade 12. Es war der erste Film, den ich mit meinen Eltern nach unserem Umzug von Düsseldorf nach Krefeld im Kino gesehen habe, und ich weiß noch, dass ich ihn damals mochte, aber in Erinnerung behalten habe ich außer ein paar Bildfetzen gar nichts. Eine Neusichtung hat es seit damals nicht gegeben. Ich hatte ihn immer im Hinterkopf, als Film, den ich vielleicht noch einmal schauen müsste, aber es gab stets dringendere Sachen, die ihn verdrängten. Es war eine schöne Artikelreihe auf The Dissolve, die mich dazu veranlasst hat, mir endlich die DVD zu bestellen (der Film ist auf Blu-ray noch nirgendwo verfügbar): Ein Gespräch mit dem Schauspieler Adam Scott, der erklärt, warum MIDNIGHT RUN einer seiner Lieblingsfilme ist, ein weiterer Dialog zweier Dissolve-Schreiber über den Film und ein Text, der sich mit Grodins Spiel befasst.

Wie so oft, wenn man einen Film schaut, nachdem man überschwängliche Texte über ihn gelesen hat, ist man danach leicht underwhelmed. Trotzdem kann ich den genannten Texten kaum widersprechen. MIDNIGHT RUN ist oberflächlich betrachtet lupenreines Formelkino, eine Buddy-Komödie, wie es sie in den Achtzigern zu Dutzenden gab, aber eben eine, die durch das an den Tag gelegte Können der Beteiligten mit echtem Leben gefüllt wird. Martin Brests Film gehört zu einer mittlerweile längst ausgestobenen Sorte des US-amerikanischen Unterhaltungsfilms: Er kommt ohne fade Gimmicks aus, Humor und Thrill halten eine perfekte Balance, Top-Schauspieler verkörpern echte Charaktere anstatt bloßer Klischees, und diese Charaktere sind es dann auch in erster Linie, mehr als irgendwelche supercleveren Drehbuchtwists, die den Film vorantreiben. Heute ist ein Film wie MIDNIGHT RUN – ohne superspektakuläre Prämisse, ohne zugehöriges Franchise, ohne megalomanische Effekte, ohne angesagten Stand-up-Comedian oder Rapper-turned-actor in der Besetzungsliste – als Kinofilm eigentlich gar nicht mehr denkbar. Früher war er nur ein besonders hervorstechender einer ganzen Phalanx von Buddy Movies und er erschien genau zu jenem Zeitpunkt, als die Achtziger- langsam in die Neunzigerjahre übergingen und sich damit auch die Struktur des Blockbusters veränderte.

Die Geschichte ist so simpel wie griffig: Der Kopfgeldjäger Jack Walsh (Robert De Niro) hat fünf Tage Zeit, um Jonathan „The Duke“ Mardukas (Charles Grodin), den ehemaligen Buchhalter des Mafiabosses Serrano (Dennis Farina), von New York nach Las Vegas zu seinem Auftraggeber Eddie Moscone (Joe Pantoliano) bringen. Mit dem Geld, das Walsh dafür einstreichen wird, will er sich endlich aus dem dreckigen Geschäft zurückziehen. Der Job entpuppt sich jedoch als schwerer als erwartet: Nicht nur heften sich der FBI-Agent Moseley (Yaphet Kotto), die gedungenen Mörder Serranos und Walshs Konkurrent Dorfler (John Ashton) an dessen Fersen, Mardukas erweist sich darüber hinaus ebenfalls als eher komplizierter Begleiter. Die Zeit verrinnt, aber Walsh will sich sein Ticket für den Ausstieg nicht wegnehmen lassen – bis er Sympathie für seinen „Klienten“ entwickelt …

Neben der turbulenten Geschichte, die die beiden ungleichen Helden in planes, trains and automobiles quer durch die USA führt und die von kleineren Scharmützeln und Auseinandersetzungen gesäumt ist, sind es in erster Linie das Mit- und Gegeneinander der beiden Hauptfiguren, aber auch die Nebenfiguren, die MIDNIGHT RUN zu einem nahezu perfekten Unterhaltungsfilm machen. Robert De Niro hat als Jack Walsh den spektakuläreren Part der beiden Hauptdarsteller übernommen, aber es ist gerade aus heutiger Sicht interessant, mit wie viel understatement er diese Rolle interpretiert. Heute ist De Niro längst zu seiner eigenen Karikatur verkommen, chargiert sich durch Filme, die eigentlich unter seiner Würde sein sollten. Hier sind es überraschenderweise eher kleine Gesten und Blicke, die von ihm hängenbleiben (und die er heute ganz aus seinem Repertoire gestrichen zu haben scheint): etwa seine Reaktion, als Moscone ihn im Gespräch mit seiner verdrängten Vergangenheit als Chicagoer Cop konfrontiert. Oder – der schauspielerische Höhepunkt des Films – wenn er seine Ex-Frau aufsucht, um sich Geld zu leihen, er dabei zum ersten Mal seit neun Jahren seiner Tochter wiederbegegnet und es ihm vor Scham kaum gelingt, sie anzusehen, obwohl man merkt, wie es ihn förmlich zerreißt vor Liebe. Charles Grodin hat, wie es in dem oben verlinkten Text treffend beschrieben wird, demgegenüber den leichteren Part: Sein Mardukas ist ein eher langweiliger, beamtenhafter Typ, und er liefert De Niro lediglich die Wand, an der der seine Volleys abprallen lassen kann, aber gerade in dieser Passivität liegt seine Stärke. Allein durch seine Blicke unterstreicht er alles, was De Niro tut und potenziert den emotionalen impact seiner Szenen.

MIDNIGHT RUN ist der seltene Glücksfall eines „trivialen“ Spaßfilms, der diesen Begriff allein durch herausragendes Handwerk transzendiert. Manche Filme, die wie ein Uhrwerk laufen, büßen über dieser Perfektion Seele und Leben ein, bei MIDNIGHT RUN ist das anders. Drehbuch, Inszenierung und Schauspiel greifen hier so nahtlos ineinander, dass alles sehr spontan wirkt, der Film vor Freude und Begeisterung geradezu vibriert. Er ist randvoll mit kleinen, cleveren Ideen, tollen Charakteren, von denen man gern mehr sehen würde, und deckt mit komischen, spannenden und rührenden Szenen das ganze emotionale Spektrum ab, ohne dabei jemals kalkuliert zu wirken. Man kann von MIDNIGHT RUN viel lernen, darüber, was Filme überhaupt „funktionieren“ lässt. Definitiv ein Kandidat für eine Wiederentdeckung: Man wird aktuelle Blockbuster danach aber mit noch mehr Wehmut sehen als ohnehin schon.

108223_d7f47b9b-2268-414b-b450-d93092306cfbNach der Phase der Neuorientierung begann mit LIVE AND LET DIE, Bondfilm Nr. 8, die langlebige und erfolgreiche Moore-Ära. Wie schon in DIAMONDS ARE FOREVER wurde die bereits vorher etablierte Erfolgsformel um eine kräftige Prise Humor und comichaft anmutende Ausflüge ins Reich der Fantastik erweitert, ein Ansatz, der mit dem neuen Hauptdarsteller aber deutlich besser funktionierte als zuvor mit Connery. Moore, mit der Serie SIMON TEMPLAR zum Star geworden und damals bereits jenseits der 40, betont das Distinguierte, Britische der Figur, lässt aber die rohe Körperlichkeit von Connery weitestgehend vermissen. Seine Darstellung war die Grundlage dafür, dass man Bond zukünftig als leicht versnobbten, elitären Gentleman charakterisierte, eine Einschätzung, die kaum weiter von den Ursprüngen der Serie entfernt sein könnte, wo Bond als schlagkräftiges, willfähriges Instrument des Geheimdienstes etabliert worden war. Moore spielt den Geheimagenten mit unverhohlener Ironie und Distanz zum Geschehen, so als sei als einziges Castmitglied in on the joke. Die zu diesem Zeitpunkt bereits in unzähligen, vor allem italienischen und deutschen Produktionen kopierte Serie begann mit LIVE AND LET DIE zu ihrer eigenen Parodie zu werden: Um dem Publikum das zu liefern, was es von der Serie erwartete und diese Erwartungen wenn möglich noch zu übertreffen, mussten auch die letzten Bindungen zum in der Realität verankerten Agentenfilm gekappt werden. Und Moore sprang dem Zuschauer bei den absurdesten Auswüchsen zukünftig mit seiner hochgezogenen Augenbraue zur Seite, die deutlich als Metakommentar zu verstehen war, nebenbei die fast transzendentale Souveränität des Agenten betonte. Bonds Arroganz war nicht mehr nur auf seine Vorgesetzten beschränkt, die mehr und mehr den Status lästiger Aufpasser einnahmen, sondern traf in gewisser Weise sogar die Filmemacher, die die Chuzpe besaßen, den Agenten durch zahlreiche exaltierte und als unwürdig empfundene Actionszenen zu jagen. Was zum wesentlichen humoristischen Bestandteil der Serie werden sollte, führt aber auch zu einer immer größeren Abstraktion und Uneigentlichkeit. Mit den Moore-Bonds tritt die Reihe ein in den Postmodernismus und die Dekonstruktion.

Narrativ schlägt sich das in einer zunehmenden Fragmentierung nieder, im Verzicht auf einen übergeordneten Spannungsbogen und in der Etablierung mehrerer kleiner Episoden mit jeweils eigenem Anfang, Mittelteil und Ende. Man betrachte, wie die „Handlung“ von LIVE AND LET DIE strukturiert ist: Der Film beginnt mit drei Morden an Geheimdienstbeamten, die dazu abgestellt sind, Dr. Kananga (Yaphet Kotto), den Diktator einer Karibikinsel zu überwachen. Der Schurke wird mit der Exposition gewissermaßen mitgeliefert, ohne dass überhaupt ersichtlich wäre, warum ihm dieser Status zukommt. Auch Bonds folgende Ermittlungen liefern kein Gesamtbild, sondern immer nur kleine clues, die zur Überleitung in die nächste Sequenz fungieren: Sein Fahrer wird aus einem fahrenden Wagen erschossen, was ihm ein Kennzeichen liefert. So gelangt er zu dem Gangsterboss Mr. Big, der seine Killer auf Bond ansetzt. Die Nachricht, dass Kananga zurück in seine Heimat geflogen ist, leitet die nächste Sequenz ein. So geht das weiter. Bis kurz vor Schluss bleibt unklar, worum es eigentlich geht, erst dann schafft Kananga selbst in einem erklärenden Monolog den Kontext, in den die zahlreichen Episödchen eingebettet sind. Es gibt demzufolge keine Suspense im herkömmlichen Sinne: Der Zuschauer weiß zwar, dass Kananga der Schurke ist, aber worin genau sein Plan besteht, sprich: was ihn eigentlich zum Schurken macht, wird nicht offenbart. Man ist gezwungen, Bonds Irrweg durch die set pieces mitzugehen. Weil es also kein nachvollziehbares Ziel gibt, auf das der Film zusteuern könnte – außer dem ganz allgemeinen „Bond muss Schurken bezwingen“ –, rückt der Weg selbst in den Fokus. Wie ihre Plakatmotive ab diesem Zeitpunkt nehmen die Filme immer mehr den Charakter von bunten Collagen an. Der ganze Film steht deutlich im Zeichen des damals vorherrschenden Blaxploitation-Booms, hat die afroamerikanische Schurkenschar, Ausflüge nach New York und New Orleans samt der typischen Settings, Statisten, Frisuren und Klamotten. Es gibt eine Bus- und eine Motorboot-Verfolgungsjagd sowie einen Drachenflug, Mordversuche mittels Schlangen, Krokodilen und Haien, eine abergläubische Doppelagentin (Gloria Hendry), einen tolpatschigen Südstaatensheriff (Clifton James), den diabolischen Baron Samedi (Geoffrey Holder) und Kanangas einarmigen Killer Tee Hee (Julius Harris), der Schurke verfügt über eine Doppelidentität und eine Geliebte mit seherischen Fähigkeiten (Jane Seymour), Ausflüge in die Voodoo-Kultur liefern ein fantastisches Element, das sowohl Kananga als auch den Filmemachern als Finte dient – natürlich hat alles einen ganz weltlichen Hintergrund.

Ich bin zum jetzigen Zeitpunkt noch unentschlossen, wie ich diese Entwicklung finde. Früher waren mir die Moore-Bonds gerade wegen ihrer comichaften Überdrehtheit am liebsten und LIVE AND LET DIE wegen seiner sanften Horrorfilm-Einflüsse ein Geheimfavorit. Heute hat er mir zwar viel, viel besser gefallen als der fruchtbar dröge DIAMONDS ARE FOREVER, aber dennoch wirkt er bei aller Überfülle seltsam leer. Das Hauptproblem scheint mir die Schurkenfigur zu sein, die eigentlich nur noch Chiffre ist, ein notwendiges Strukturelement, das gar nicht mehr wirklich mit Leben gefüllt wird. Dabei ist Yaphet Kotto in den wenigen Szenen, die er hat, wirklich großartig, versieht den Größenwahn seines Kananga mit einer Prise street swagger, die ihm Individualität und Persönlichkeit verleiht, während seine Story kaum mehr als der Not geschuldet ist. Wo GOLDFINGER in den gemeinsamen Szenen seiner beiden Rivalen vor unterschwelliger Aggression förmlich zu explodieren drohte, die Gestalt des Bösewichts allein schon ausreichte, um Spannung aufzubauen, ist der ganze Plot um Kananga völlig austauschbar, beliebiger Anlass für eine Reihe von Actionszenen, die eher durch eine visuelles „Thema“ bestimmt werden als durch ihre Funktion innerhalb der Handlung. Ähnliches gilt für das Bondgirl Solitaire: Ihre Geschichte – durch Sex mit Bond verliert sie ihre seherischen Fähigkeiten – ist potenziell interessant, wird aber lediglich als Gimmick behandelt. Hinterließen Filme wie FROM RUSSIA WITH LOVE, THUNDERBALL, YOU ONLY LIVE TWICE oder natürlich ON HER MAJESTY’S SECRET SERVICE gerade in ihren ruhigen romantischen Momenten nachhaltigen Eindruck, schufen sie dort inmitten des Tohuwabohus so etwas wie Poesie, ist Bonds vorgegebene Liebschaft mit Solitaire vor allem der Formel geschuldet. In der Haltung Bonds ihr gegenüber – er zieht sie mithilfe eines manipulierten Tarot-Spiels auf die Matratze – kommt zudem ein chauvinistischer Zynismus zum Ausdruck, der das hinter den Bondgirls stehende Konzept unverhohlen offenlegt. Dass Kalkül Bonds, sein skrupelloses Arschlochtum, wird durch Moores Spiel zum amüsanten Spleen, während es bei Connery noch „einfach so“ im Raum stand. Wir lassen Bond ab sofort damit davonkommen, weil wir mit jedem neuen Film gewissermaßen die Allgemeine Vertragsbedingung akzeptieren, ihn nicht als Realität zu betrachten. Die Moore-Bonds sind so gesehen Film-Filme, in einer Fantasiewelt angesiedelt, zu der selbst der Protagonist ein nurmehr distanziertes Verhältnis hat, eher als Reiseleiter und Moderator fungiert, denn als ein selbst in dieser Welt verankerter Charakter.

Wenn man sich darauf einlassen kann und hinnimmt, dass die Charakteristika der Connery-Ära nur noch oberflächlich vertreten sind, ist LIVE AND LET DIE ein ordentlicher Auftakt für die neue Zeitrechnung. Visuell ist Hamiltons Film nach dem enttäuschenden DIAMONDS ARE FOREVER deutlich aufregender: Es gibt viel zu gucken, um es mal platt auszudrücken, und mit dem rohen Siebzigerjahre-Großstadtkolorit bekommt man mich fast immer. Grandios etwa die Szene, in der Bond in einem vollkommen ruinösen Harlem-Hinterhofszenario von Schurken bedrängt wird, und eine extreme Totale die grauen, verwitterten Backsteinfassaden in eine impressionistische Bleistiftzeichnung verwandelt. Schade, dass man aus dem Kontrast der urbanen und der eher ländlichen Settings nicht mehr gemacht hat: Beide stehen so nebeneinander, ohne wirklich zueinander in Beziehung zu treten, dabei hätte sich eine Verfolgungsjagd durch den New Yorker „Großstadtdschungel“ doch wirklich angeboten. Das ist ein generelles Problem des Filmes: Er schafft die Grundlagen, macht dann aber zu wenig aus diesen, gibt sich stattdessen mit vordergründigem Kokolores zufrieden. Als Idealbeispiel für diese These fungiert die Figur des mysteriösen, als Skelett geschminkten Baron Samedi: Als es endlich zur Auseinandersetzung mit ihm und Bond kommt, entpuppt er sich binnen Sekunden als Witzfigur, wird durch einen einzigen Schubser beseitigt. Und die Zerstörung von Kanangas Heroinplantagen erfolgt in läppischen Inserts. Überhaupt meint man am Ende, dass nicht mehr genug Zeit war für einen dem Status des Schurken angemessenen Kampf. (Kanangas Tod dürfte aber einer der skurrilsten der ganzen Serie sein.) Das komische Element, das im Vorgänger mit den homosexuellen Killern Mr. Wint und Mr. Kidd eingeführt wurde, wird durch Inklusion des dickleibigen Sheriff Pepper aufgegriffen: Er kam beim Publikum offensichtlich so gut an, dass er in THE MAN WITH THE GOLDEN GUN erneut mit von der Partie sein sollte. Ich finde die Anwesenheit dieser nicht wirklich unsympathischen Rassisten-Karikatur in einem Bondfilm mit ausschließlich schwarzen Antagonisten durchaus etwas problematisch: Er wirkt fast ein wenig wie eine Entschuldigung für ein rechtes weißes Publikum, das sich durch zu viele Afroamerikaner ästhetisch beleidigt fühlte. Die Bond-Filme sollten zu diesem Zeitpunkt wirklich jedem gefallen und niemanden verprellen. Das gelang, aber die Folgen sind unübersehbar. So schwer ich mich mit einer abschließenden Zuneigungsbekundung tue: Völlig unzweifelhaft ist immerhin, dass LIVE AND LET DIE einen der stärksten Themesongs der Reihe überhaupt hat.

 

27. Juni 1976: Ein Flugzeug der Air France wird von Mitgliedern der Volksfront zur Befreiung Palästinas und der deutschen Revolutionären Zellen auf dem Weg von Athen nach Paris entführt und über Libyen nach Uganda gebracht. Dort trennen die  Terroristen die israelischen und jüdischen Passagiere von den übrigen, lassen letztere frei und fordern mithilfe des ugandischen Herrschers Idi Amin (Yaphet Kotto) die Freilassung inhaftierter palästinensischer Freiheitskämpfer. Als alle Versuche, mit den Terroristen zu verhandeln, scheitern, leiten die Israelis „Operation Thunderbolt“ ein. Unter der Leitung von General Dan Shomron (Charles Bronson) überfällt ein Sonderkommando den Flughafen in Entebbe, um die Geiseln zu befreien …

Für das Fernsehen inszenierte der spätere THE EMPIRE STRIKES BACK-Regisseur Irvin Kershner diesen Film – offenkundig mit dem Ziel, die realen Ereignisse möglichst nüchtern zu protokollieren. So springt er zwischen dem Flughafenterminal in Entebbe, wo die Passagiere um ihr Leben bangen, und der Machtzentrale in Israel,  wo Regierungschef Rabin (Peter Finch) fieberhaft nach einer Lösung der Krise sucht, hin und her, bemüht sich, alle involvierten Parteien gleichermaßen zu berücksichtigen. Als dramaturgische Schablone dient Kershner das in den Siebzigerjahren reüssierende Genre des Katastrophenfilms, das eben jene Mischung aus spannenden, actiongeladenen und eher melodramatischen Sequenzen bietet, die auch RAID ON ENTEBBE auszeichnet. Für den human factor sind natürlich vor allem die Geiseln zuständig: Hier gibt es den väterlichen Vernunftmenschen Daniel Cooper (Martin Balsam), das frisch verheiratete Pärchen, das getrennt wird, das kleine Mädchen mit dem Hund und die alte Dame (Sylvia Sidney), deren eh schon angeschlagene Gesundheit arg in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Verhandlungen in Israel bringen politischen Thrill, stehen aber vor allem für das Bemühen um  Seriosität. Hier werden alle Fürs und Widers einer militärischen Intervention abgewogen, darf Finch als Rabin mit sich ringen und sich die Haare raufen, um zu zeigen, welch große Verantwortung auf seinen Schultern lastet. Die Befreiungsaktion am Ende wird nicht allzu breit ausgewalzt: Es geht in dieser Actionsequenz nicht um die Freude an der Bewegung, sondern um Menschenleben: Da wird nicht gescherzt. Der Überfall geht ähnlich schnell und unspektakulär vonstatten wie das wohl auch in der Realität der Fall war. Die Niederlage, die das israelische Militär Idi Amin zufügte, war schmerzhaft, die öffentliche Blamage, die sie bedeutete, war der Anfang vom Ende seiner Regentschaft.

Der selbstverliebte Herrscher Ugandas ist dann auch die interessanteste Figur des Films. Seine drei, vier Auftritte durchbrechen die dramaturgische Tristesse und bringen den nötigen Wahnsinn und den Funken irren Humors; Elemente, die RAID ON ENTEBBE sonst schmerzlich vermissen lässt. Auch Kershner scheint von der Figur inspiriert worden zu sein: Amins ersten Auftritt sieht der Zuschauer durch eine Fernsehkamera, die seine Ansprache vor den Geiseln, denen er sich als freundlicher Gastgeber präsentiert, filmt: Der narzisstische Herrscher war immer sehr bestrebt, sich als Weltmann zu präsentieren und nutzte jede Gelegenheit, sich entsprechend staatstragend in Szene zu setzen. (Man schaue sich dazu Barbet Schroeders brillante Dokumentation THE GENERAL IDI AMIN DADA: A SELF-PORTRAIT an.) Auch in seinen weiteren Szenen reißt Kotto den Film mit seiner Darstellung in einer Weise an sich, die einen wünschen lässt, er hätte mehr Screentime bekommen: Man weiß nicht, ob man vor diesem falschen Hund Angst haben oder ihn aufgrund seines hoffnungslosen Größenwahns bemitleiden soll.

Sonst gibt es nicht allzu viel zu berichten: RAID ON ENTEBBE ist das US-amerikanische Gegenstück zu den überbudgetierten Historien-Eventstreifen, die auch fürs deutsche Fernsehen gern produziert werden, und zu dem Unterfangen, solche Ereignisse möglichst faktentreu nachzuerzählen habe ich mich schon anlässlich Fleischers TORA! TORA! TORA! ausgelassen: Filmisch und ästhetisch ist RAID ON ENTEBBE eine Nullnummer, die einzig durch die Vielzahl von Stars aufmerken lässt. Neben den bereits Genannten agieren Wolfgang Horst Buchholz als deutscher Terrorist, Jack Warden, John Saxon und James Woods aufseiten des Militärs, Robert Loggia als israelischer Politiker und Eddie Constantine als französischer Pilot. Außerdem scheint RAID ON ENTEBBE Pate für Menahem Golans THE DELTA FORCE gestanden zu haben (dieser Eindruck mag aber auch daher rühren, dass die diesem zugrunde liegende Flugzeugentführung und die Befreiung der Geiseln ganz ähnlich abgelaufen ist), der im direkten Vergleich unendlich viel unterhaltsamer ist. Dass ich RAID ON ENTEBBE in einer gut 30 Minuten kürzeren Fassung gesehen habe und mich trotzdem königlich gelangweilt habe, sagt wohl alles.